Industriekonferenz Hallescher Wirtschaftsforscher bezweifelt wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Regierung
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26. November 2024, 20:09 Uhr
Die deutsche Wirtschaft warnt: Der Strompreis muss runter. Robert Habeck hat dafür auf der Industriekonferenz in Berlin seine Pläne vorgestellt. Der Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Oliver Holtemöller, hält eine erfolgreiche Umsetzung vor der Neuwahl des Bundestags aber für unwahrscheinlich. Auch Union und FDP blockieren.
- Wirtschaftsforscher Oliver Holtemöller glaubt nicht an eine Stromkostensenkung vor der Neuwahl.
- Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck fordert schnelles Handeln, um die Stromkosten der Industrie zu senken.
- Union und FDP lehnen Habecks Vorstellungen zur Senkung der Stromkosten ab.
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sieht die heutige Industriekonferenz mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Berlin skeptisch. IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller sagte MDR AKTUELL, kurz vor den Neuwahlen könne man keine substanziellen neuen Bundestagsbeschlüsse mehr erwarten. Das gelte auch für Habecks Vorschlag, die Industrie kurzfristig bei den Stromkosten zu entlasten.
Holtemöller fügte hinzu, unter den hohen Energiepreisen leide die energieintensive deutsche Wirtschaft schon seit zehn Jahren. So ein grundlegendes Strukturproblem lasse sich nicht mit kurzen Schnellschüssen lösen.
Habeck glaubt an umsetzbare Optionen
Habeck drängte bei der Industriekonferenz in Berlin trotzdem auf schnelle Entscheidungen, um die Industrie bei den Stromkosten zu entlasten. Er nannte eine Senkung der Netzentgelte durch einen staatlichen Zuschuss sowie ein Gesetz, das eine staatliche Förderung zum Bau neuer Gaskraftwerke vorsieht. Aus Habecks Sicht sind noch in der aktuellen Legislaturperiode Maßnahmen möglich. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition ist die Neuwahl des Bundestages für den 23. Februar 2025 angesetzt.
Der Grünen-Politiker sagte, der beste Weg zur Senkung der Netzentgelte wäre eine Einigung auf einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Um einen Bundeszuschuss zu finanzieren, könnten durch die Verschiebung beim Intel-Chipwerk in Magdeburg frei werdende Fördermittel genutzt werden. Habeck hatte bereits vorgeschlagen, man könne die erste, eigentlich geplante Tranche der Intel-Gelder nehmen, um im kommenden Jahr die Netzentgelte um vier Milliarden Euro zu senken. Ein anderer Weg seien gesetzliche Anpassungen.
Geplatzte Unterstützung bei den Stromkosten
Die Wirtschaft beklagt seit Langem im internationalen Vergleich hohe Stromkosten. Eigentlich war für dieses Jahr ein Bundeszuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro geplant. Als Folge eines Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts hatte die Bundesregierung diesen Zuschuss aber aus Spargründen gestrichen.
Wirtschaft warnt vor Konsequenzen hoher Stromkosten
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, betonte eine Gefährdung von Industrieproduktion und Arbeitsplätzen durch hohe Strompreise. Die Senkung der stark steigenden Netzentgelte als sofort wirksame Maßnahme könne einen kurzfristigen Beitrag leisten.
Russwurm warnte mit Blick auf eine mögliche längere Regierungsbildung vor dem Verlust von sechs Monaten, während Investitionsentscheidungen gegen Deutschland täglich oder wöchentlich getroffen würden.
Unterstützung kommt von Olaf Scholz
Als Sofortmaßnahme will auch Kanzler Olaf Scholz die Netzkosten stabilisieren. Allerdings haben SPD und Grüne keine Mehrheit mehr im Bundestag. Habeck sagte mit Blick auf Union und FDP, die Bundesregierung werde das Gespräch mit der demokratischen Opposition suchen. "Aber die muss es dann auch wollen. Wichtig ist, dass uns dort die Zeit wirklich davonläuft." Die Maßnahme müsse in den verbleibenden Wochen dieses Jahres beschlossen werden.
Union und FDP lehnen Habecks Vorschlag ab
Union und FDP reagierten hingegen mit Zurückhaltung: FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler bezeichnete Habecks konkreten Vorschlag als "unseriös". Dieser bleibe "die Antwort schuldig, an welcher anderen Stelle im Haushalt er das Geld für die Senkung der Netzentgelte einsparen will". Es seien strukturelle Reformen der Energie- und Wirtschaftspolitik nötig.
Auch der CDU-Energiepolitiker Andreas Jung kritisierte Habecks Vorschlag als "unabgestimmt und unausgegoren". Der neue Finanzminister Jörg Kukies habe die von Habeck ins Visier genommenen Intel-Milliarden anderweitig verplant, um einen Nachtragshaushalt zu vermeiden.
dpa/MDR (lik)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 26. November 2024 | 19:00 Uhr