Kritik an Studienfinanzierung Studierende kämpfen mit immer höheren Kosten

11. Februar 2023, 05:00 Uhr

Beim Bafög tut sich nicht viel, die vom Bund versprochene Einmalzahlung kommt nicht an. Die Inflation wird für Studierende zur immer größeren Belastung. Die derzeitige Studienfinanzierung steht zunehmend in der Kritik.

Bafög unter dem Existenzminimum

"Der Bund stellt mit der individuellen Ausbildungsförderung nach dem BAföG den Auszubildenden die für den Lebensunterhalt und die Ausbildung benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung, soweit sie und ihre Eltern (und etwaige Ehe- oder Lebenspartner/innen) diese nicht selbst aufbringen können", erklärt das Bildungsministerium auf seiner Homepage. Auch wenn die Förderung rund 89 Prozent der Studierenden nicht erreicht, sollen die hier festgelegten Eckwerte die zu erwartenden Kosten des Lebensunterhalts während eines Studiums abdecken können.

Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks fordert dringend eine Aufstockung der Bafög-Fördersumme. Zwar gab es im vergangenen Jahr eine Erhöhung der Fördersumme um 5,75 Prozent, gemerkt hätten die Studierenden davon durch die hohe Inflation aber nichts. "Das Bürgergeld soll das Existenzminimum abbilden. Hier liegt der Regelsatz ab diesem Monat bei 502 Euro. Der Grundbedarf beim Bafög liegt nur bei 452 Euro – also 50 Euro unterhalb von dem, was der Staat bei anderen als unbedingt zum Leben notwendig erachtet. Auch die Bafög-Wohnkostenpauschale ist mit 360 Euro zu gering", sagt Anbuhl.

Bafög-Förderungshöchstsumme für Studierende Der Förderungshöchstbetrag (mit enthaltenem Wohnkostenzuschlag) wurde zuletzt auf 934 Euro angehoben – das sind über acht Prozent mehr als zuvor (861 Euro).

Kritik wegen zu kurzer Bafög-Förderdauer

Laut Zahlen des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) ist für 61 Prozent der Studierenden, neben Bafög, Geld von den Eltern, Ersparnissen oder Stipendium, auch ein Nebenjob eine Finanzierungsquelle für ihr Studium.

"Viele Studierende müssen neben dem Studium arbeiten. Wodurch sich unfreiwillig das Studium in die Länge zieht – denn Arbeit und ein Vollzeitstudium sind schwer miteinander vereinbar", sagt der Geschäftsführer des Studienrats Dresden, Matthias Fröck. Bafög wird zudem nur während der Regelstudienzeit ausgezahlt und so kommt es dazu, dass gerade in der wichtigen Abschlussphase den betroffenen Studierenden ein wichtiger Teil ihrer Einkünfte wegbricht. Einige würden daher auch einen KfW-Kredit abschließen, um sich besser auf ihren Abschluss konzentrieren zu können.

Engpässe durch Verzögerungen bei Bafög-Auszahlungen

Ein Treiber zu einem KfW-Kredit kann auch die lange Bearbeitungsdauer beim Bafög sein. Von der Antragstellung bis zur ersten Auszahlung können mehrere Monate vergehen. Ein KfW-Kredit hingegen ist in der Regel nach wenigen Wochen verfügbar.

Rahel Schüssler, Mitglied des Vorstands des "Freien Zusammenschlusses von Studierendenschaften", dem überparteilichen Dachverband von Studierendenvertretungen in Deutschland, beschäftigt sich aktuell stark mit dem Thema Studienfinanzierung. Sie informiert, vernetzt und arbeitet Forderungen an die Politik aus: "So hart es klingt, aber unter den aktuellen Bedingungen fragen sich viele Studierende, ob sie sich Bildung überhaupt noch leisten können. Bildung ist jedoch ein Recht, welches jedem Menschen zusteht. Die Regierung muss das Hindernis Finanzierung des Studiums beseitigen. Es kann auch nicht Voraussetzung sein, Verwandte zu haben, die einem das Studium finanzieren."

Stichwort: KfW-Bildungskredit Die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) schüttet einkommensunabhängige Darlehen für Studierende aus – im Rahmen des Bildungskreditprogramms der Bundesregierung. Die Förderungshöchstdauer beträgt bei Erst- oder Zweitstudium 14 Semester, sinkt aber je nach Alter bei Studienbeginn: bis 24 Jahre/14 Semester, bis 34 Jahre/zehn Semester, bis 44 Jahre/sechs Semester. Mit dem 44. Geburtstag gibt es nichts mehr.

Voraussetzung ist ein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule mit Sitz in Deutschland. Informationen zur Höhe, Rückzahlungsmodalitäten und weiteren Anspruchsvoraussetzungen gibt die KfW auf ihrer Homepage.

Freibeträge beim Bafög zu niedrig?    

Eine Studienfinanzierung durch das Bafög scheitert oft bereits an den niedrigen Freibeträgen der Eltern. Diese sind per Gesetz verpflichtet, für ihre Kinder während der Studienzeit Unterhalt zu zahlen. Umso geringer der errechnete Satz ist, desto mehr müssen Eltern Unterhalt leisten. In Zeiten von hoher Inflation keine einfache Aufgabe.

In Dresden bekommt man immer wieder Fälle mit, dass die Diskussion darüber zu Streit in den Familien führt, sagt der Geschäftsführer des Studienrats Dresden, Matthias Fröck: "Viele Studierende wollen ihre Eltern nicht belasten, benötigen aber die Unterstützung für das Studium. Gerade, wenn sich die Vorstellungen über Studienfach und Dauer des Studiums auseinander bewegen, führt dies zu Konflikten zwischen Eltern und erwachsenen Kindern."  Zum laufenden Wintersemester wurden die Freibetragsgrenze um 20,75 Prozent auf 2.415 Euro monatlich erhöht. Damit sollen nun mehr Menschen gefördert werden können.

Deutschlandstipendium wenig nachgefragt

Als attraktive Option zu Bafög und Kredit bietet sich ein Stipendium an. Das Deutschlandstipendium, welches zu den Begabtenförderungswerken zählt, gehört zu den größten Stipendiengebern. Das Programm ist eine Kombination aus privater und öffentlicher Förderung. Die Fördersumme beträgt 300 Euro im Monat, die Hälfte übernimmt der Bund, die andere Hälfte privat Fördernde. Laut Statistischem Bundesamt haben 2021 aber nur lediglich 29.000 Studierende, also etwa ein Prozent, ein Deutschlandstipendium erhalten.

Das Studierenden-Portal "Unicum" sieht in der geringen Förderdauer einen Nachteil. Beim Bildungsministerium heißt es dazu auf der Homepage: "Die Förderung dauert in der Regel mindestens zwei Semester und umfasst maximal die Regelstudienzeit." Laut Studierenden-Portal Unicom hätten "ohnehin nur Kinder aus finanziell starken Familien den Mut, sich zu bewerben." Dadurch werde die soziale Schieflage an den Hochschulen noch vergrößert." Matthias Fröck stimmt dem zu. Viele Studierende seien der Meinung, keine Chance auf ein Stipendium zu haben und würden sich gar nicht erst mit der Option auseinandersetzen.

Studentenwerke geben Preissteigerungen an Studierende weiter

Bei den Dresdner Studierenden würden einige Studenten aus Angst vor der nächsten Nebenkostenabrechnung überhaupt nicht mehr heizen, erklärt Matthias Fröck. Zusätzlich zur hohen Inflation, welche sich durch gestiegene Preise in den Mensen bemerkbar macht, kam zum neuen Semester auch noch eine Erhöhung des Semesterbeitrages, die Matthias Fröck besorgt: "Da auch Studierendenwerke aufgrund mangelnder Ausfinanzierung ihre Kostensteigerungen an die Studierenden weitergeben. Auch hier wäre eine staatliche finanzielle Unterstützung notwendig."

Diese fordert auch Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studierendenwerks. Es brauche Hilfe, um die Mieten in den Wohnheimen und die Preise in den Mensen nicht kontinuierlich anheben zu müssen: "Es geht gegen die DNA der Studierendenwerke als gemeinnützige, nicht-profitorientierte Organisationen mit dem staatlichen Sozialauftrag, die Studierenden zu fördern, die Preissteigerungen 1:1 an die Studierenden weiterreichen zu müssen. Die Studierendenwerke benötigen deshalb dringend mehr staatliche Hilfen von den Bundesländern."

Finanzielle Hilfe für Studierende in Energiekrise zieht sich hin

Die Bundesregierung hatte mit dem dritten Entlastungspaket auch eine Einmalzahlung von 200 Euro für Studierende auf den Weg gebracht, um die gestiegenen Energiekosten abzufedern. "Die 200 Euro werden das Loch im Portemonnaie nicht stopfen können, denn die bewiesene Armut der Studierenden ist eine Dauerkrise – wir brauchen vielmehr strukturelle Hilfen für alle Studierenden", kritisisiert der "Freie Zusammenschluss von Studentinnenschaften".

Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird als Auszahlungsbeginn "zum Beginn des Jahres, also noch in diesem Winter" angegeben. Vor April ist damit aber wohl nicht zu rechnen. "Dass die Auszahlungen nun erst im April beginnen sollen, steht für den verkümmerten Traum einer guten Idee: Studierenden schnell und unkompliziert in der Krise zu helfen", erklärt der "Freie Zusammenschluss von Studentinnenschaften" in einer Pressemitteilung vom 2. Februar. Die Anträge sollen laut Bundesregierung zentral über eine digitale Plattform bearbeitet, diese ist aber noch nicht erreichbar. Derzeit wird noch an der technischen und rechtlichen Umsetzung gearbeitet.

Matthias Fröck, Geschäftsführer des Studienrats Dresden, hat wenig Verständnis dafür, dass Hilfen immer erst anderen Bevölkerungsgruppen zugestanden werden: "Bisherige Unterstützungsleistungen haben sich immer nur an kleine Gruppen gerichtet, zum Beispiel die Erhöhung von Bafög wurde aber als Unterstützung für 'die Studierenden' verkauft. Bafög erhalten aber nur wenige Studierende. Das hinterlässt bei uns den Eindruck, dass es in den entsprechenden Entscheidungsgremien wenig Kenntnis der Lebenssituation, sowie wenig Interesse an uns Studierenden gibt."

Wer bekommt die Einmalzahlung? Die 200 Euro Einmalzahlung können alle Studierenden, die zum 1. Dezember 2022 an einer Hochschule in Deutschland immatrikuliert waren, beantragen. Das sind derzeit etwa 2,95 Millionen Studierende. Dazu zählen auch Promotionsstudierende, Studierende in einem dualen Studium, Teilzeitstudierende oder Studierende in einem Urlaubssemester.

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 10. Februar 2023 | 19:30 Uhr

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