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InflationsausgleichKritik an Scholz’ Entlastungsplänen

28. Juni 2022, 09:53 Uhr

Alles wird zurzeit teurer. Bundeskanzler Olaf Scholz will die Menschen nun mit einer Einmalzahlung entlasten. Dabei sollen die Arbeitgeber das Geld an ihre Angestellten zahlen. Dafür sollen die Gewerkschaften in den nächsten Tarifverhandlungen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Doch den Vorschlag halten fast alle Beteiligten für unüberlegt.

Dass Arbeitgeber und Gewerkschaften einer Meinung sind, ist eher die Ausnahme als die Regel. Doch Bundeskanzler Scholz hat mit seiner Idee zum Inflationsausgleich genau diese Einigkeit erreicht. Sein Vorschlag: Eine steuerfreie Einmalzahlung, mit der die Unternehmen die Arbeitnehmer entlasten. Im Gegenzug sollen die Gewerkschaften in der nächsten Tarifrunde nicht so hart verhandeln.

Keine gute Idee sagen beide Seiten. Zunächst: Michael Kummer, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Thüringen: "Wir halten da nicht viel davon. Das ist vermutlich wohl gemeint, aber eigentlich ein schlechter Vorschlag. Wichtiger wären Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung wie die Energiepauschale. Das wären Sachen, die wir viel wichtiger fänden und zwar aus gewerkschaftlichen Gründen."

Einigkeit unter Gewerkschaften und Arbeitgebern

Was Michael Kummer mit gewerkschaftlichen Gründen meint, erklärt einer vonseiten der Arbeitgeber. Es gehe um die Unabhängigkeit der Tarifverhandlungen, sagt Hans Jürgen Völz, Leiter für den Bereich Volkswirtschaft beim Bundesverband Mittelständische Wirtschaft: "Der Mittelstand lehnt jeglichen Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie kategorisch ab. Dies galt schon bei der parteipolitisch motivierten Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro und auch bei der jetzt vorgeschlagenen steuerfreien Einmalzahlung der Arbeitgeber an ihre Beschäftigten. Wir finden, dass beides untaugliche Versuche sind, sich bei der Inflation aus der Verantwortung zu stehlen."

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Der Ökonom hält andere Mittel für viel sinnvoller, um die Inflation auf lange Sicht abzumildern: Dass der Staat nicht so viel Geld ausgibt und dafür Schulden aufnimmt. Denn letztlich müssten alle Ausgaben wieder über Steuern finanziert werden und würden damit die Menschen belasten.

Einmalzahlung sei nicht zielgerichtet

Der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter des Ifo-Instituts Dresden, sieht die steuerfreie Einmalzahlung aus ähnlichen Gründen kritisch: "Immer wenn man Steuerermäßigungen hat und die Ausgaben auf staatlicher Seite gleich hoch bleiben, muss man das aber auch irgendwann wieder einfangen, indem man dann höhere Steuern verlangt oder auf Steuersenkungen verzichtet. Also der Steuerzahler zahlt das quasi auch aus eigener Tasche." Aus Ragnitz Sicht sei damit nichts gewonnen.

Die Hauptargumente gegen die Einmalzahlung sind für Ragnitz aber andere. Zum einen: Die Inflation werde länger anhalten. Das extra Geld sei also schnell aufgebraucht. Zum anderen: Viele Menschen wären davon ausgeschlossen. Denn mehr als jeder zweite Beschäftigte arbeitet ohne Tarifvertrag. Menschen, die nicht in einem tarifgebundenen Arbeitsverhältnis stehen – wie Rentner und Studierende – würden nicht erreicht werden.

Ragnitz kritisiert außerdem: "Das zweite Problem ist: Das ist nicht besonders zielgenau. Es gibt ja bestimmte Gruppen, die eine hohe Inflation aus Ersparnissen gut tragen können. Aber andere, die mit wenig Einkommen, die leiden wirklich stark darunter. Die müsste man gezielt entlasten."

An einer Idee für Rentner und Arbeitnehmer ohne Tarifbindung arbeite man noch, heißt es aus Berlin. Trotzdem: Der Gegenwind für Scholz’ Vorschlag bläst heftig.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 28. Juni 2022 | 06:17 Uhr