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Königsteiner SchlüsselWarum Mitteldeutschland an Verteilungsformel für Flüchtlinge festhält

12. Januar 2023, 15:15 Uhr

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine haben mehr als eine Million Menschen allein in Deutschland Schutz gesucht. Für die Bundesländer ist das eine Herausforderung. Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg fühlen sich besonders belastet, weil dort Wohnraum teuer und knapp sei. Sie fordern eine Änderung des Königsteiner Schlüssels, dass also Geflüchtete künftig anders verteilt werden. Die mitteldeutschen Länder sind damit nicht einverstanden.

Aus Sachsen weht direkt ein kräftiger Gegenwind. Auf Anfrage von MDR AKTUELL teilt Innenminister Armin Schuster von der CDU schriftlich mit: "Der Königsteiner Schlüssel hat sich themenübergreifend über viele Jahre in Deutschland bewährt und funktioniert in der Sache. Ihn einfach zu ändern, nur damit die Stadtstaaten für sich ein 'besseres' Ergebnis erzielen, ist der falsche Ansatz. Die, die überlastet sind, müssen Druck auf den Bund ausüben. Schließlich ist Integration unser aller Aufgabe." Auch im Nachbarland Sachsen-Anhalt und dem ebenfalls CDU-geführten Innenministerium sieht man keinen nachvollziehbaren Grund, das Verteilsystem zu ändern.

Die von Wohnungsknappheit geplagten Städte Berlin, Bremen und Hamburg kritisieren jedoch, dass der Königsteiner Schlüssel die Einwohnerzahl lediglich zu einem Drittel berücksichtigt, wohingegen das Steueraufkommen – also die Wirtschaftskraft – zu zwei Dritteln einfließt. Bei der Aufnahme von Geflüchteten würden die Flächenländer anteilmäßig weniger belastet, argumentieren die Stadtstaaten.

"Äcker und Wiesen sind für Unterbringung nicht geeignet"

Sachsen-Anhalts Innenministerium widerspricht. Schriftlich hieß es auf Anfrage von MDR AKTUELL: "Die Fläche allein hat keinen Aussagewert, da landwirtschaftliche Nutzflächen, Wälder und Schutzgebiete nicht für die Unterbringung verwandt werden können. Eine verstärkte Zuweisung an infrastrukturschwächere und wirtschaftlich schwächere Flächenländer durch Änderung des Verteilschlüssel ist strikt abzulehnen."

"Integration gelingt in der Stadt besser"

Denn wer anteilmäßig mehr Geflüchtete auf dem Land unterbringen wolle, der müsse auch dafür sorgen, dass ausreichend Plätze in Schulen und Kitas vorhanden seien, sagt Ralf Rusch vom Gemeinde- und Städtebund Thüringen. Auch müsse es für eine bessere Integration möglich sein "mit öffentlichen Verkehrsmitteln mal in Zentren zu kommen, um sich ärztlich versorgen zu lassen oder um einkaufen zu gehen oder um überhaupt Zentrumsleben zu erleben". Und da würden die Stadtstaaten kein Problem haben. Deshalb sei es ein wenig kurzgesprungen, wenn man Einzelprobleme herausgreife.

Seit über 50 Jahren existiert der Königsteiner Schlüssel als Verteilungssystem. Das sei ein Argument dafür, dass er so schlecht ja nicht sein könne, findet Ralf Rusch. Zumal man bisher keinen Schlüssel gefunden habe, der besser sei und den alle Länder akzeptieren. Denn der Königsteiner Schlüssel wird nicht nur bei der Verteilung von Flüchtlingen angewendet, sondern auch bei vielen Finanzierungsfragen – etwa wenn der Bund Milliarden für Digitalisierung, Ganztagsangebote oder das Corona-Aufholprogramm bereitstellt.

50 Jahre Königsteiner Schlüssel

Insofern wirke der Verteilungsmechanismus mal zum Vorteil, mal zum Nachteil, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin des sächsischen Landkreistags, Veronika Müller. Sie erinnert daran, dass es im Königsteiner Schlüssel auch eine besondere "Einwohnerveredelung" gerade für den verdichteten Raum gebe. Weil Städte es an bestimmten Stellen schwieriger hätten und auch Aufgaben für das Umland wahrnähmen, bekämen sie auch etwas mehr, wenn es um Zuteilungen von Finanzmitteln gehe. Damit sei dann die Aufgabe auch sachgerecht abgedeckt, findet Veronika Müller.

Für eine neue Verteilung von Geflüchteten müssen Berlin, Bremen und Hamburg andere Verbündete finden. In Mitteldeutschland hält man fest zum Königsteiner Schlüssel.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 12. Januar 2023 | 06:00 Uhr