Mehrheit schreibt rote Zahlen Krankenhäusern droht Pleitewelle

27. Dezember 2022, 19:54 Uhr

Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, schlägt Alarm: Er sieht eine Insolvenzwelle auf Deutschlands Kliniken zurollen. Die gesetzlichen Krankenkassen mahnen angesichts der roten Zahlen Reformen an. Weiterhin zu schaffen macht den Krankenhäusern auch Personalmangel: 90 Prozent der Kliniken berichten von Problemen, offene Stellen zu besetzen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) befürchtet im kommenden Jahr eine Pleitewelle bei den Krankenhäusern. "Auf unsere Kliniken rollt 2023 eine Insolvenzwelle zu, die sich kaum mehr stoppen lässt", sagte DKG-Chef Gerald Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Schaden für die medizinische Versorgung werde 2023 in vielen Regionen sichtbar werden.

Krankenhaus-Barometer: Mehrheit der Kliniken schreibt rote Zahlen

Gaß verwies auf das aktuelle Krankenhaus-Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), einer jährlich durchgeführten Repräsentativbefragung unter deutschen Kliniken. Demnach rechnen 59 Prozent der Kliniken in diesem Jahr mit roten Zahlen.

Gerald Gaß
DKG-Chef Gerald Gaß Bildrechte: imago images / Future Image

Der Anteil der Krankenhäuser mit einem positiven Jahresergebnis wird sich der Umfrage zufolge von 44 auf 20 Prozent mehr als halbieren. Für das kommende Jahr erwarten 56 Prozent der Krankenhäuser eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation, nur 17 Prozent rechnen mit einer Verbesserung.

Besorgniserregend ist dem Krankenhaus-Barometer zufolge weiterhin auch die Personalsituation in den Kliniken. Zur Jahresmitte 2022 hatten demnach fast 90 Prozent der Krankenhäuser Probleme, offene Pflegestellen auf den Allgemeinstationen zu besetzten, in der Intensivpflege traf dies auf drei Viertel der Krankenhäuser zu. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der offenen Pflegestellen um 43 Prozent auf 20.600.

Krankenkassen wollen Krankenhäuser reformieren

Die von der Bundesregierung geplanten Finanzhilfen zum Ausgleich von Energiepreissteigerungen sieht Gaß zwar als hilfreich an. Sie könnten aber die Inflation nicht ausgleichen. 2023 werde sich das strukturelle Defizit auf rund 15 Milliarden Euro summieren. Gaß warnte, Deutschland könne sich keine weiteren Klinikschließungen leisten: "Corona und die zuletzt gehäuften Atemwegserkrankungen haben gezeigt, dass wir ein starkes Krankenhauswesen und flächendeckende Versorgung benötigen."

Auch der Sprecher des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen, Florian Lanz, sagte, in Deutschland müsse stets ein Krankenhaus der Basisversorgung schnell erreichbar sein. Zugleich werde aber nicht jeder Krankenhausstandort so bleiben können, wie er ist: "Komplexe Operationen, wie zum Beispiel Krebsbehandlungen, gehören in spezielle Kliniken und nicht in ein Landkrankenhaus", so Lanz.

Patientenschützer Brysch: Kliniken an Patienten statt Rendite ausrichten

Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte angesichts der schwierigen Finanzlage vieler Kliniken ein generelles Umdenken. Brysch sagte MDR AKTUELL, das Krankenhauswesen müsse endlich auf die Patientinnen und Patienten ausgerichtet werden. Die politisch vorgegebene Ausrichtung an der Umsatzrendite sei gescheitert. Man müsse fragen: "Überlassen wir das den Marktkräften, oder übernimmt die Politik Verantwortung?"

Bei den Krankenhausbetten gebe es nur noch eine Auslastung von 70 Prozent. Während man in den Städten eine Überversorgung habe, werde in ländlichen Regionen die Versorgungslage immer schlechter. Brysch betonte, vor allem die Bundesländer müssten hier gegensteuern. Sie hätten sich schon vor Jahren zurückgezogen und Milliardeninvestitionen für die Kliniken nicht gezahlt.

AFP/dpa/MDR (jan)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 27. Dezember 2022 | 16:00 Uhr

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