Schwestern und Pfleger auf einer Stationen in der Pflege arbeiten am Schreibtisch
Gut 300.000 ehemalige Pflegende könnten in den Beruf zurückkehren – etwa mit Anreizen wie einer Vier-Tage-Woche. Bildrechte: IMAGO / Westend61

Krankenhausreform Ärzte und Pfleger beklagen veraltete Technik und fachfremde Bürokratie

13. März 2023, 18:34 Uhr

Weniger Fallpauschalen, weniger Übernachtungen von Patienten, weniger Nachtschichten und damit anderweitige Einsätze für das Personal - beim vierten Krankenhausgipfel beraten Vertreter aus Politik und Gesundheitswesen am Montag die geplante Krankenhausreform. Pflegepersonal und Ärzte klagen vor allem über fachfremde Bürokratie, veraltete Technik - und dass zu wenig für eine Rückkehr ehemaliger Pflegender in den Beruf getan werde.

Wenn Birgit Green am Montagmorgen zur Arbeit geht, stellt sie sich schon auf Personalausfall ein. Das bedeutet: wieder mal improvisieren. "Weil das alles sehr stark auf Kante genäht ist und Ausfallreserven so gut wie gar nicht vorhanden sind", sagt sie, "wenn Menschen zum Beispiel gleichzeitig krank werden."

Doch einfach Pflegepersonal in der Nacht einsparen und woanders einsetzen: Das gehe so einfach nicht, sagt die Krankenschwester und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe. "Es gibt Krankenkassenvertreter, die denken, Pflegefachpersonen kann man behandeln wie auf einem Güterbahnhof: Gestern war sie noch auf der Chirurgie tätig, morgen ist sie in der Altenpflege in der Tagespflege tätig. Das wird nicht funktionieren."

Es gibt Krankenkassenvertreter, die denken, Pflegefachpersonen kann man behandeln wie auf einem Güterbahnhof.

Birgit Green Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe

Denn es bedarf viel Zusatzausbildung für die jeweiligen Bereiche. Es gebe aber eine stille Reserve von circa 300.000 Pflegenden – das ermittelte die sogenannte Come-back-Studie des Verbands für Pflegeberufe. Ein sehr überzeugendes Argument, um wieder zurückzukommen, war für viele unter anderem die Vier-Tage-Woche. Zum Beispiel auch für junge Mütter. Leider werde das jedoch gar nicht diskutiert, sagt Green.

Medizinische Geräte oft veraltet und störanfällig

Doch nicht nur beim Personal, so gut wie überall müsse im Arbeitsalltag improvisiert werden – auch mit den medizinischen Geräten. Nach der Wende seien Krankenhäuser sehr stark aufgewertet und neue technische Errungenschaften angeschafft worden, sagt Green. "Und nach dreißig Jahren stehen sie immer noch da. Die sind teilweise nur mit Windows 7 zum Laufen zu bringen und schaffen nicht den Transfer auf Windows 10. Das heißt, sie werden völlig abgekoppelt von einer IT-Infrastruktur bedient und sind sehr störanfällig."

Man sei vor allem damit beschäftigt, die Infrastruktur zu betreuen, anstatt die Patienten, so Green. Auch Helmut Friedlein, Hautarzt und zweiter Vorsitzender beim Marburger Bund Sachsen beklagt die fehlende Digitalisierung. Es könnten Mehrfachdokumentationen eingespart werden, wenn alle auf eine Patientenakte Zugriff hätten.

Fallpauschalen bringen Ärzte in Gewissenskonflikte

Circa die Hälfte der Arbeitszeit steckten Ärzte und Ärztinnen in bürokratische Tätigkeiten, so Friedlein, auch in völlig fachfremde. Als Beispiel nennt er seine Frau, die als Gynäkologin beispielsweise selbst zum Kopierer laufe und Aufklärungsbögen kopiere. "Das ist Verschwendung ärztlicher Arbeitszeit aus meiner Sicht", kritisiert Friedlein.

Für ihn ist auf jeden Fall klar: Das Fallpauschalensystem ist gescheitert. Durch dieses System kam auch er schon in Gewissenskonflikte. Vor allem, weil die ambulante Pflege nicht immer so gewährleistet werden kann, wie er sich das wünschen würde. So manches Mal müssten Patienten eigentlich in einem besseren Zustand sein, wenn er sie entlasse, sagt Friedlein. "Da liegt es tatsächlich daran, dass ökonomische Vorgaben da sind, die sagen: ich sollte einen Patienten nach der und der Zeit wieder entlassen."

Und dieser Patient werde dann eventuell nach kurzer Zeit wieder krank, weil er nicht auskuriert werden konnte. Am Ende sei das sogar volkswirtschaftlich teurer, meint Friedlein. Die Vier-Tage-Woche und damit mehr Personal in der Pflege, eine technische Aufrüstung, die dringend notwendige Digitalisierung und weniger Bürokratie – das alles würde viel Geld und Zeit sparen. Denn Ärzte wie Pflegende wünschen sich letztlich vor allem das: mehr Zeit, um sich um ihre Patienten kümmern zu können.

MDR (rnm)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 13. März 2023 | 06:00 Uhr

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