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Beschwerdebriefe aufgetauchtInterne Kritik an KSK-Führung

28. April 2021, 18:07 Uhr

Im KSK rumort es. Dem MDR vorliegende interne Beschwerden zeigen großen Unmut innerhalb der Truppe. Kritisiert werden vor allem die internen Ermittlungen und eine angebliche Führungsschwäche.

Beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) gibt es interne Kritik an der Führung der Eliteeinheit. Das zeigen interne, anonyme Beschwerdebriefe, die in Chatgruppen von ehemaligen und aktiven KSK-Angehörigen zirkulieren und dem MDR vorliegen. Zudem wird in den zwei Briefen von einem hohen Krankenstand innerhalb der Truppe berichtet.

So kritisiert einer der Verfasser, dass der Verband "gnadenlos reformiert" werde. "Im Zuge dessen sind leider sowohl ich als auch viele andere Kameraden an dem enormen Druck erkrankt." Therapieplätze rund um die KSK-Kaserne im baden-württembergischen Calw seien schwierig zu erhalten. In einem weiteren Brief ist die Rede von mehr als "100 Kommandosoldaten, die sich in psychologischer Betreuung befinden, weil sie mit der Ungerechtigkeit der gesamten Vorgehensweise nicht klarkommen".

Über einen erhöhten Krankenstand und verstärkte psychologische Betreuung hatte es bereits Anfang März erste Medienberichte gegeben. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums bestätigte die Zahl von 100 Soldaten, nannte aber keine weiteren Einzelheiten.

Kritik an KSK-Führung

Der Verfasser eines der Beschwerdebriefe kritisiert außerdem eine angebliche Führungsschwäche innerhalb des KSK. Die Kritik fällt heftig, zum Teil auch persönlich aus. So heißt es an einer Stelle in Bezug auf eine Person im Führungsstab: "Es geht bei allem nur darum, dass [Name d. Red. bekannt] seine weiße Weste behält, der politischen Führung gefällt und noch ein paar Sprossen auf der Karriereleiter aufsteigen kann." An einer weiteren Stelle heißt es: "Er muss verantworten, wie viele Existenzen er durch seine Art der Führung einfach vernichtet hat. Er wird als Zerstörer der Spezialkräfte in die Geschichte eingehen."

Das Bundesverteidigungsministerium wollte auf Anfrage die Beschwerden nicht kommentieren. Einem Sprecher zufolge hat das Ministerium die MDR-Anfrage an den in den Schreiben kritisierten Soldaten beim KSK weiter geleitet. Dieser hat auf die Anfrage bislang nicht reagiert. Nachfragen am Standort in Calw blieben bislang unbeantwortet.

Das Bundesverteidigungsministerium hatte Teile des Führungsstabes vor knapp zwei Jahren ausgetauscht, um Reformen beim KSK anzustoßen. Lange Zeit hatten Teile des zuständigen Ministeriums und der Truppe den neuen Führungsstab mit Wohlwollen betrachtet. Anfang des Jahres geriet der wegen einer anonymen Munitionsamnestie allerdings erheblich unter Druck, gravierende personelle Veränderungen sind aber bislang ausgeblieben. Aus den Briefen geht nun hervor, dass zumindest in Teilen des KSK das Vorgehen des Stabes sehr skeptisch gesehen wird – dabei ist dieser bei möglichen Reformen eigentlich auf die Unterstützung der Einheit angewiesen.

In den internen Beschwerden wird etwa ein öffentlich gewordener Brandbrief des KSK-Kommandeurs Markus Kreitmayr, mit dem er sich im Mai 2020 an seine Soldaten gewandt hatte, kritisiert. In Reaktion auf mehrere rechtsextremistische Vorfälle – unter anderem den Fund von gestohlenem Sprengstoff und Munition beim KSK-Angehörigen Philipp S. im sächsischen Collm – hatte Kreitmayr geschrieben, wer nicht für die Verfassung eintrete, verdiene die Kameradschaft der Einheit nicht. In einer der nun aufgetauchten Beschwerde wird einem Teil des Kommandostabs vorgeworfen, mit dem Brief "den Verband und seine Männer verraten und seine Führungsverantwortung aus Eigenschutz regelrecht weggeworfen" zu haben.

Beschwerden kursieren in Chatgruppe

Die Beschwerden geben einen Einblick in die sonst so abgeschottete Welt der Soldaten in Calw. MDR-Recherchen zeigen, dass das Dokument mit den Beschwerden seit Mitte April in einer Chatgruppe ehemaliger und aktiver Kommandosoldaten kursiert. Ehemalige KSK-Angehörige, mit denen der MDR sprechen konnte, halten den Inhalt der Dokumente für authentisch. Sie selbst berichten anonym von den in den Beschwerden geschilderten Zuständen. In den Beschwerden erwähnte Interna sprechen laut Experten dafür, dass die Aussagen mit hoher Wahrscheinlichkeit authentisch sind. Abschließend lässt sich die Authentizität der Aussagen allerdings nicht prüfen. Der MDR hat sich für eine Veröffentlichung von Auszügen aus den Beschwerden entschieden.

Bereits Mitte März hatte die FAZ über ähnliche anonyme Äußerungen berichtet. Die entstammten damals einer Meinungsumfrage unter den KSK-Soldaten. Unter anderem hieß es dort, ähnlich wie in den dem MDR vorliegenden Beschwerden: "Der Verband liegt am Boden. Der Einsatzwert, die Kampfkraft und das innere Gefüge sind, wenn noch nicht ganz zerstört, mindestens nachhaltig geschädigt."

"Suffnazis“ tief im Wald

Die rechtsextremen Vorfälle bei einer Abschiedsparty 2017 und der Waffenfund beim Ex-KSKler Philipp S. dagegen werden in einer der Beschwerden relativiert. Bei einer Abschiedsfeier für den damaligen Chef der zweiten Kompanie des KSK waren Schweineköpfe geworfen worden. Philipp S. soll damals bei dieser Gelegenheit den Hitlergruß gezeigt haben. Die an der Feier beteiligten Soldaten beschreibt der Verfasser eines der Briefe als "5-7 Suffnazis von einer einsamen Party tief im Wald". Zum Fall Philipp S. heißt es in der Beschwerde, im Gerichtsverfahren gegen ihn sei "kein rechtsradikaler oder terroristischer Hintergrund" festgestellt worden. Allerdings hatte der zuständige Richter am Landgericht Leipzig im Prozess gegen Philipp S.davon gesprochen, dass er nie eine "Gesinnungsprüfung" des Angeklagten vornehmen habe wollen.

Im Mai vergangenen Jahres hatten Ermittlungsbehörden bei dem damals 45-jährigen Oberstabsfeldwebel Philipp S. Waffen, Sprengstoff und Nazi-Devotionalien gefunden. Anfang dieses Jahrs war S. wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll-, das Sprengstoff- und das Waffengesetz zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden.  Ein internes Papier des Bundesverteidigungsministeriums hatte S. später als "ideologisch überzeugten und aufgrund seiner Spezialisierung besonders gefährlichen Rechtsextremisten" bezeichnet. Mittlerweile geht der Nachrichtendienst der Bundeswehr MAD von knapp 50 rechtsextremen Verdachtsfällen beim KSK aus.

Ehemalige Angehörige bestätigen Stimmung im KSK

Auch ehemalige Kommandosoldaten, mit denen der MDR sprechen konnte, bestätigen die in den Beschwerden beschriebene Stimmung grundsätzlich. Der Ex-KSKler Mario Pröhl ist einer der Wenigen, der sich öffentlich zu seiner Vergangenheit äußert. Pröhl führt mittlerweile eine private Sicherheitsfirma in Thüringen und den USA. Die Truppe habe er bereits vor Jahren wegen, so sagt er, mangelnder Führungsstärke und wegen des hohen Drucks auf ihn und seine Kameraden verlassen.

"Es sind keine Maschinen, das sind Menschen. Und je länger ich den Druck auf dem Kessel halte, desto eher führt das irgendwann mal dazu, dass der Kessel platzt. Mein Kessel ist geplatzt, indem ich die Bundeswehr verlassen habe. Dann gibt es natürlich Leute, die begeben sich in psychologische Behandlung”, so der Unternehmer. Die Bundeswehr hat mittlerweile reagiert. Seit April soll es einen Facharzt bzw. eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in Calw geben. Die in den Beschwerden kritisierten Ermittlungen sollen noch im ersten Halbjahr dieses Jahrs abgeschlossen sein.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, das Bundesverteidigungsministerium habe auf eine MDR-Anfrage hin an das KSK verwiesen. Richtig ist, dass das Ministerium eine Anfrage an einen Soldaten beim KSK weiter geleitet hat.

Quelle: MDR exakt

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 28. April 2021 | 20:15 Uhr