MDRfragtGroßteil ist grundsätzlich gegen Pflicht zur klimafreundlichen Heizung
Mit dem sogenannten Heizungsgesetz will die Bundesregierung steuern, dass das Heizen in Deutschland schrittweise klimafreundlicher wird. Zentraler Punkt: Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen nach und nach keine klassischen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden. Das sehen viele Menschen in Mitteldeutschland kritisch, wie eine MDRfragt-Umfrage unter mehr als 22.000 Menschen ergab.
- Ein Großteil der Befragten ist grundsätzlich gegen eine Pflicht zum Einbau klimafreundlicher Heizungen.
- Wer eine Einbaupflicht nicht grundsätzlich ablehnt, hält sie vor allem bei Neubauten für sinnvoll.
- Hauptstrategie von Eigenheimbesitzern: Bestehende Öl- und Gasheizung so lange wie möglich nutzen.
Deutschland soll klimafreundlicher heizen. Diesen Plan will die Bundesregierung mit dem sogenannten Heizungsgesetz umsetzen. Mit gestaffelten Zeitplänen sollen Häuser je nach Voraussetzung ihre Wärmeversorgung mit Systemen sichern, die zu mindestens zu 65 Prozent auf Erneuerbare Energien zurückgreifen. Am Montag stimmt der Bundestag über das umstrittene Gesetzesvorhaben ab.
Das Heizungsgesetz
Das Gebäudeenergiegesetz, kurz meist Heizungsgesetz genannt, sorgt seit Monaten für heftige Diskussionen. Deswegen wurde der erste Entwurf entschärft. Statt eines generellen Aus für klassische Öl- und Gasheizungen ab 2024 soll es stufenweise umgesetzt werden. Der jetzige Entwurf sieht vor, dass künftig neu eingebaute Heizungen rechnerisch mit mindestens 65 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen betrieben werden müssen. Das soll ab Januar 2024 zunächst nur für Häuser gelten, die in Neubaugebieten neu entstehen. Bestehende Wohngebäude und Neubauten außerhalb von Neubaugebieten greift die Pflicht erst, wenn die Kommunen mit einer sogenannten Wärmeplanung aufzeigen, wie der klimafreundliche Umbau vor Ort funktionieren soll. Zudem ist vorgesehen, dass kaputte Heizungen repariert werden dürfen. Daneben soll es staatliche Förderungen für den Umstieg auf eine klimafreundliche Heizung geben – je nach Einkommen und Voraussetzung bis zu 70 Prozent.
In einer aktuellen Befragung des Meinungsbarometers MDRfragt stößt allein schon der Plan, den Einbau von klimafreundlichere Heizungsanlagen verpflichtend vorzuschreiben, mehrheitlich auf Ablehnung.
Großteil ist grundsätzlich gegen gesetzliche Einbaupflicht
Nur etwa jede und jeder Vierte hält es für richtig, wenn der Einbau von überwiegend mit Erneuerbaren Energien betriebenen Heizungen in bestimmten Fällen vorgeschrieben wird. Gut 70 Prozent halten solche gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich für falsch.
Dabei zeigt sich: Unter den Befragten, die städtisch wohnen, gibt es mehr Zuspruch dafür, unter bestimmten Voraussetzungen eine neue Heizung einzubauen als unter Menschen in ländlichen Regionen. Auch Mieterinnen und Mieter sind etwas aufgeschlossener als Eigenheimbesitzer.
MDRfragt ist das Meinungsbarometer des MDR, an dem sich alle Menschen in Mitteldeutschland beteiligen können, wenn sie wollen. Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse nicht repräsentativ. Wir gewichten sie jedoch nach wissenschaftlichen Kriterien, um die Aussagekraft zu erhöhen. Da viele MDRfragt-Mitglieder ihre Position in Kommentaren begründen, kann MDRfragt auch die Argumente hinter den Stimmungsbildern aufzeigen.
Gegner einer Einbaupflicht argumentieren mit Bevormundung...
Für ihre Ablehnung einer gesetzlichen Einbaupflicht für klimafreundliche Heizungen haben die MDRfragt-Mitglieder ganz unterschiedliche Begründungen.
Manche finden ganz grundsätzlich: Das sei eine staatliche Bevormundung, die sie nicht wollen. Maik (45) aus dem Landkreis Zwickau gehört zu den Befragten, die das so sehen. Er meint: "Jeder soll doch selbst entscheiden, was er macht. Ob Öl oder Gas oder Holz oder Braunkohle oder Solar oder Wärmepumpe und so weiter."
...oder mit dem Preis
Andere, wie Manuela (62) aus dem Burgenlandkreis, haben eher die Kosten für die Umrüstung oder den Einbau einer klimafreundlichen Heizung im Blick. "Das kann man als Normalverdiener und als Eigenheimbesitzer nicht alles stemmen. Die Inflation lässt die Ersparnisse schrumpfen. Von was soll man solche Investitionen noch bezahlen?"
Auch MDRfragt-Mitglied Eckberg (67) aus Gera argumentiert mit dem Preis, aber aus einem anderen Hintergrund: "Dieses Gesetz ist absolut überflüssig. Durch die CO2-Bepreisung kann jeder für sich selbst entscheiden, wann er umsteigt."
Befürworter meinen, ohne Einbaupflicht wird das nichts
Unter den 28 Prozent, die eine Einbaupflicht in bestimmten Fällen für richtig halten, gibt es vor allem ein Argument: Ohne gesetzliche Vorgabe bewegt sich in Sachen klimafreundlicher Wärmeversorgung zu wenig.
Wenn wir nicht irgendwann mit 'Zwang' anfangen, wird's nie was.
MDRfragt-Mitglied Anja (50), Dessau-Roßlau
"Um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen und Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, dürfen keine neuen Gas- und Ölheizungen eingebaut werden", argumentiert Leo (24) aus Dresden. Seine Begründung: Heizungen haben eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren, also dürfen sie zeitnah nicht mehr eingebaut werden, damit in zwei Jahrzehnten keine fossilen Brennstoffe mehr genutzt werden.
Und Anja (50) aus Dessau-Roßlau meint: "Wenn wir nicht irgendwann mit 'Zwang' anfangen, wird's nie was. Von allein werden die Menschen nicht in die richtige Richtung gehen."
Klimafreundliche Heizung für Neubauten halten viele für sinnvoll
Manche Befragte sind, wie Sabine (60) aus dem Landkreis Hildburghausen, hin- und hergerissen. "Ich habe schlicht und ergreifend das Geld nicht dafür", sagt sie mit Blick auf ihre eigene Situation und einen möglichen Umstieg auf eine klimafreundlichere Heizung. "Wir können noch nicht einmal die nötigen Renovierungen bezahlen." Deswegen begründet sie ihr Votum für eine Einbaupflicht in bestimmten Fällen mit "nur bei Neubauten".
Damit kommentiert Sabine wie viele Befragte, die eine Einbaupflicht von überwiegend mit Erneuerbaren betriebenen Heizungen in bestimmten Fällen sinnvoll finden. Fast alle meinen: Wenn es solche gesetzlichen Vorgaben gibt, dann für alle Neubauten. Im Entwurf für das Heizungsgesetz ist vorgesehen, dass klimafreundliche Heizungen erst einmal nur für neue Häuser in Neubaugebieten Pflicht werden soll. Diese Einschränkung hält nur rund jede und jeder siebte Befragte für sinnvoll.
Jeder Zehnte für generelle Umrüstungspflicht von Öl- und Gasheizung
Noch rund jede und jeder Dritte meint: Die Pflicht, auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen, könnte auch greifen, wenn in Wohnhäusern die Heizung kaputt geht. Und jede und jeder Zehnte meint: Gas- und Ölheizungen gehören generell ausgewechselt.
Sofern es ohne großen Aufwand möglich ist, eine Heizung einzubauen, die mit erneuerbaren Energien betrieben wird, sollte das auch so gemacht werden.
MDRfragt-Mitglied Jasmin (24), Dresden
Für ein Drittel der Befragten, die gesetzliche Vorgaben zur Heizungsanlage nicht generell ablehnen, gehört es zur Abwägung, wie viel Umbau- und Sanierungsaufwand ein Umstieg von klassischer Öl- und Gasheizung auf eine Alternative mit Solar, Wärmepumpe und Co. mit sich bringen würde. So meint Jasmin (24) aus Dresden: "Sofern es ohne großen Aufwand möglich ist, eine Heizung einzubauen, die mit erneuerbaren Energien betrieben wird, sollte das auch so gemacht werden."
Und nicht nur Marco (40) aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge verweist darauf, dass die Voraussetzungen auch oft in der Stadt andere sind als auf dem Land: "Gerade im ländlichen Bereich gibt es in der Regel keine Fernwärme", argumentiert er.
Fernwärme gilt als eine wichtige Alternative beim Heizen. Im Osten sind mehr Wohnungen mit Fernwärme versorgt als in den Ländern der alten Bundesrepublik – vor allem größere Wohnblocks sind angeschlossen. Obwohl in Mitteldeutschland der Anteil von Haushalten mit Fernwärme höher ist, befürchten manche Vermieter und Immobilienbesitzer, dass das Heizungsgesetz den Osten stärker belastet.
Großteil lehnt aktuellen Plan fürs Heizungsgesetz ab
Der erste Entwurf des Heizungsgesetzes wurde nicht nur lange hitzig diskutiert, sondern auch an verschiedenen Stellen verändert.
Aus Sicht der MDRfragt-Gemeinschaft sind die Pläne dadurch nicht wirklich besser geworden: Nur ein kleiner Teil der Befragten (15 Prozent) findet, jetzt ist es besser als beim ersten Entwurf, rund die Hälfte (53 Prozent) meint: Der Vorstoß ist in etwa genauso schlecht wie im Frühjahr, manche (9 Prozent) finden ihn noch schlechter.
Alles in allem hält ein Großteil der Befragten den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf für falsch. Weniger als jede und jeder Fünfte meint: Das geht eher in die richtige Richtung.
Dabei gibt es für den kritischen Blick ganz unterschiedliche Gründe. Einige, die den neuen Vorstoß schlechter finden, kritisieren, er sei verwässert worden. "Nicht ausreichend. Der erste war besser", urteilt etwa Ben (20) aus Jena. "Ja, da hätte man noch an der einen oder anderen Stelle schrauben müssen, aber so wie es jetzt ist... Das bringt doch nichts."
Andere meinen, es wurde immer noch zu wenig berücksichtigt, wie unterschiedlich die Voraussetzungen für einen Wechsel auf klimafreundliche Wärme mitunter ist. So schreibt Marcus (25) aus dem Erzgebirgskreis: "Der Grundsatz ist in Ordnung", und zählt dann seine Aber-Fälle auf: Für viele Altbauten, Mehfamilienhäuser mit Etagenheizung, Häuser mit Sichtfassade oder Gebäude in stark bebauten Innenstädten würde der Umstieg mit so einem hohen Umbau- und Sanierungsbedarf einhergehen, dass es wirtschaftlicher wäre, abzureißen und neu zu bauen. "Das will dann aber auch niemand, weil klimatschnisch noch schlechter."
Warum muss immer alles zur Pflicht werden?
MDRfragt-Mitglied Andrea (40), Altenburger Land
Mancher hält es einfach prinzipiell für den falschen Weg, den Umstieg vorzuschreiben statt an der Preisgestaltung für Energie etwas zu ändern. "Wärmepumpen sind technisch eine prima Sache", meint etwa Heinrich (36) aus dem Erzgebirgskreis. "Wenn der Strom dafür nicht unverschämt teuer wäre, bräuchte es kein Heizungsgesetz. Dann hätte jeder eine Wärmepumpe."
Und auch hier greift wieder das grundsätzliche Argument: Der Gesetzgeber sollte den Umstieg nicht vorschreiben: "Warum muss immer alles zur Pflicht werden?", fragt Andrea (40) aus dem Altenburger Land. "Mit erneuerbaren Energien heizen, ist schon klasse und kostengünstig. Aber technologisch und geologisch ist das nicht in jeder Region umsetzbar."
Was die Befragten mit ihren eigenen Heizungen machen
Mehr als 14.000 Befragte haben angegeben, dass sie in in einem Eigenheim leben und nicht zur Miete. Von ihnen wollten wir wissen, wie sie künftig heizen wollen und wie sie auf die geplanten Vorgaben reagieren. Für gut jede und jeden Sechsten gibt es erst einmal keinen größeren Anpassungsbedarf: Sie heizen nach eigenen Angaben schon überwiegend oder ausschließlich mit Erneuerbaren.
Hauptstrategie: Öl- und Gasheizung möglichst lange weiter nutzen
Bei allen anderen überwiegt eindeutig eine Strategie: Die meisten Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer wollen ihre bestehende Öl- und Gasheizung so lange nutzen, wie es nur irgendwie geht. Jede und jeder Dritte könnte sich noch umentscheiden, macht das aber davon abhängig, wie genau die staatliche Förderung für den Umstieg auf eine klimafreundliche Heizung aussieht.
"Wir haben dieses Jahr ein Haus mit Grundstück gekauft und die Gasheizung erneuert. Diese bleibt ganz lange bestehen", schreibt uns Steffi (33) aus dem Wartburgkreis. Und die 68 Jahre alte Elke aus Mittelsachsen kommentiert, sie habe bereits vor den Diskussionen zum neuen Heizungsgesetz eine 32 Jahre alte Gasheizung durch eine neue ersetzt. Deswegen käme für sie eine Umrüstung nicht infrage. "Ein Nachrüsten von Solar oder Wärmepumpe würde unsere Möglichkeiten der Finanzierung bei Weitem übersteigen und erscheint uns auch in unserem Alter als sinnlos."
Viele wollen erst einmal abwarten
Mehrere Befragte wollen auch deshalb erst einmal möglichst lange an ihrer bestehenden Öl- oder Gasheizung festhalten, weil ihnen Alternativen derzeit zu teuer oder zu unwägbar sind. "In welche Richtung die Zukunft geht, bleibt abzuwarten", formuliert es Vivia (40) aus dem Landkreis Stendal. "Ein Fernwärme-Anschluss wäre gegebenenfalls eine Option, für eine Wärmepumpe wäre wahrscheinlich viel Veränderung am Haus notwendig." Ob ihre Familie diese Umbauten in Angriff nehmen wolle, hänge von mehreren Faktoren ab, die noch abzuwarten seien.
Ich erzeuge genügend Solarstrom für eine Wärmepumpe. Wärmepumpen sind derzeit nicht zu bekommen beziehungsweise absurd teuer.
MDRfragt-Mitglied René (52), Jerichower Land
"In dieser unsicheren Lage mache ich erstmal gar nichts!", fasst Oliver (39) aus dem Landkreis Meißen seine Taktik zusammen. "Für alte Häuser kann ich bisher kein überzeugendes Heizungskonzept erkennen, weder technisch noch im Preis-Leistungsverhältnis."
Und René (52) aus dem Jerichower Land schildert, er versuche seit zwei Jahren vergeblich, seine Heizung umzurüsten. "Ich erzeuge genügend Solarstrom für eine Wärmepumpe. Wärmepumpen sind derzeit nicht zu bekommen beziehungsweise absurd teuer."
Einfach, um meiner Tochter eine kostengünstige Zukunft zu ermöglichen.
MDRfragt-Mitglied Fabian (32), Landkreis Hildburghausen
Andere Eigenheim-Besitzer wollen hingegen nicht warten, sondern rüsten jetzt schon um, oder planen den Umstieg auf überwiegend erneuerbare Energiequellen. Einer von ihnen ist Fabian (32) aus Thüringen. Aktuell heize seine Familie mit einer Mischung aus Gas und Solarthermie, schreibt er uns. "In den nächsten Jahren bauen wir Photovoltaik aufs Dach und in einigen Jahren kommt die Wärmepumpe." Für das MDRfragt-Mitglied aus dem Landkreis Hildburghausen gibt es vor allem eine Motivation für den Umstieg: "Einfach, um meiner Tochter eine kostengünstige Zukunft zu ermöglichen."
Über diese BefragungDie Befragung vom 01.-05.09.2023 stand unter der Überschrift:
Was halten Sie vom neuen Plan fürs Heizungsgesetz?
Insgesamt sind bei MDRfragt 65.587 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 05.09.2023, 18:00 Uhr).
22.365 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 173 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 2.876 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 9.485 Teilnehmende
65+: 9.831 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 11.311 (51 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 5.442 (24 Prozent)
Thüringen: 5.612 (25 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 9.029 (40 Prozent)
Männlich: 13.271 (59 Prozent)
Divers: 65 (0,3 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 08. September 2023 | 21:45 Uhr