Handwerker bauen die Sitzplätze im Thüringer Landtag um.
Stühle und Tische rücken im Landtag: Vor der ersten Landtagssitzung in neuer Besetzung passen Handwerker die Sitzordnung im Plenarsaal an. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

MDRfragt Neue Regierung bis Jahresende? – Zuversicht in Sachsen, Zweifel in Thüringen

26. September 2024, 03:00 Uhr

Weder in Thüringen noch in Sachsen haben die bisherigen Landesregierungen größere Aussicht auf eine Fortsetzung. Doch welche Koalitionen lösen sie ab - und geht das schnell? Im MDRfragt-Stimmungsbild wünscht sich ein Großteil, dass es noch dieses Jahr eine Lösung gibt. Doch nur in Sachsen hält es auch eine Mehrheit für realistisch, dass das passiert.

MDR-Redakteurin Franziska Höhnl
MDR-Redakteurin Franziska Höhnl Bildrechte: MDR / David Sievers

Knapp einen Monat nach den Landtagswahlen kommen erst in Thüringen und dann auch in Sachsen die Parlamente erstmals in neu gewählter Besetzung zusammen. Doch während die neuen Kräfteverhältnisse im Landtag damit schon sichtbar werden, bleibt die alte Regierung noch im Amt, bis es eine Einigung gibt, wer künftig mit wem die Landesgeschicke führt.

In der "Frage der Woche" des Meinungsbarometers MDRfragt sind die Befragten in den beiden Freistaaten unterschiedlich zuversichtlich, dass eine neue Regierungskoalition noch in diesem Jahr starten kann.

MDR fragt – Neue Regierung dieses Jahr – Anteil Zuversicht
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

In Sachsen überwiegt der Optimismus. Dort sieht eine Mehrheit (59 Prozent) gute Chancen, dass die künftige Landesregierung noch vor dem Jahreswechsel feststeht. Gut ein Drittel (36 Prozent) der rund 11.000 sächsischen Befragten ist da skeptisch.

In Thüringen schlägt das Meinungsbarometer in die andere Richtung aus: Nur eine Minderheit (44 Prozent) ist zuversichtlich, dass noch dieses Jahr klar ist, wer der rot-rot-grünen Minderheitsregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) nachfolgt. Eine Mehrheit (52 Prozent) hält es für wahrscheinlicher, dass sich die Suche nach einer neuen Regierungskoalition bis nächstes Jahr hinzieht.

Was für eine schnelle Regierungsbildung in Sachsen spricht

Unabhängig davon, ob sie es für realistisch halten: Einem Großteil der Befragten wäre es wichtig, dass noch in diesem Jahr eine neue Regierung gebildet wird.

Zu ihnen gehört Sybille (64) aus dem Landkreis Meißen: "Eine schnelle fundierte Regierung wäre sehr wichtig, damit die schon vorhandene Unsicherheit in Sachsen nicht noch mehr wächst!" Die MDRfragt-Teilnehmerin meint, aus ihrer Sicht sei die Unzufriedenheit vieler Leute unbegründet. Um dem etwas entgegenzusetzen, müsse die Landespolitik funktionieren.

"Man sollte Gespräche mir Frau Wagenknecht unbedingt führen", meint Sybille weiter. "Ich habe sie nicht gewählt, aber den ganzen AfD-Wählern muss was geboten werden, sonst kommt keine Ruhe ins System!"

Auch Ina (61) aus dem Landkreis Zwickau betont, dass ihr eine schnelle Koalitionssuche wichtig ist. Sie schreibt: "Eine handlungsfähige Regierung ist essenziell! Ich möchte, dass sich alle Beteiligten darüber im Klaren sind und ihre Verantwortung ernst nehmen. Und ich habe Hoffnung, dass die CDU dies moderieren kann!"

Die Christdemokraten von Ministerpräsident Michael Kretschmer sind als stärkste Kraft aus der Landtagswahl hervorgegangen, haben mit ihren bisherigen Koalitionspartnern SPD und Grüne keine Mehrheit mehr und sind stattdessen auf die neue Partei von Sahra Wagenknecht, kurz BSW, angewiesen. Erste Gespräche zwischen CDU, SPD und BSW laufen bereits.

MDRfragt-Mitglied Andreas (31) aus dem Vogtlandkreis meint passend dazu: "Die alte Regierung ist abgewählt, demzufolge muss sie schnell weg." Ulrich (68) aus dem Landkreis Meißen findet: "Eine Koalition mit dem BSW könnte die demokratische Teilhabe aller Bürger stärken."

Zweifel an schneller Lösung für Sachsen

Doch gerade die neue Partei BSW als möglicher Regierungspartner sorgt bei anderen Befragten für Zweifel, dass eine schnelle Regierungsbildung gelingen kann.

Jeremy (26) aus Mittelsachsen schreibt dazu: "Ich denke, es wird nicht möglich sein, mit dem BSW eine vernünftige Landesregierung zu bilden, da fast nur Themen zur Bedingung gemacht werden, die mit Landespolitik nichts zu tun haben. Kretschmer wird aus meiner Sicht auf die Linkspartei zugehen müssen, da es mit dem BSW nicht funktioniert."

Eine Koalition mit Linkspartei oder der in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD schließt ein Beschluss der CDU-Basis seit Jahren schon und bis heute aus. Mike (55) aus dem Landkreis Leipzig meint dazu: "Eine Regierungsbildung ohne AfD wird sehr schwierig."

Wer in Thüringen an eine schnelle Regierungsbildung glaubt

In Thüringen erschweren die Mehrheitsverhältnisse noch mehr, eine stabile Regierung zu bilden. Doch immerhin 44 Prozent der Thüringer MDRfragt-Gemeinschaft sind zuversichtlich, dass sich die Verantwortlichen noch in diesem Jahr einigen.

Auch hier unterstreichen viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass es ihnen wichtig wäre, dass es schnell eine Lösung gibt, wer Thüringen künftig regiert.

"Es ist in der aktuellen Zeit wichtiger denn je, dass demokratische Strukturen ohne Unterbrechung stabil funktionieren, damit die scheinbare Entfernung zwischen Bevölkerung und Politik nicht weiter leidet", schreibt etwa Alexandra (46) aus Erfurt und ergänzt: "Eine sich länger hinziehende Regierungsbildung würde nur dem Rechtspopulismus in seiner gespielten Opferrolle nutzen."

Andere MDRfragt-Mitglieder, wie etwa Steve aus dem Landkreis Gotha, meinen, es wird zumindest relativ schnell klar sein, ob bestimmte Bündnisse zustande kommen können: "Es wird sich relativ zügig herauskristallisieren, ob es eine Möglichkeit mit CDU, BSW und SPD in Thüringen gibt", meint der 43-Jährige. "Denn wenn das BSW an allen Forderungen festhält, wird es keine Koalition geben."

Und Luise (34) aus dem Eichsfeld meint, Thüringen habe keine Zeit, lange auf eine neue Regierung zu warten: "Die alte Regierung ist abgewählt. Es braucht Bewegung in den wichtigen Themen des Landes." Als Beispiele nennt sie unter anderem die Schulpolitik oder die Entbürokratisierung der Verwaltung.

Was gegen eine schnelle neue Thüringer Regierung spricht

"Es wird sich ziehen wie Kaugummi", ist MDRfragt-Mitglied Tom (37) aus Erfurt mit Blick auf die Suche nach einer neuen Koalition überzeugt. "Mit der AfD kann und sollte keine Regierung gebildet werden und das BSW wird unrealistische Forderungen stellen, welche logischerweise nicht umsetzbar sind, um die Unfähigkeit der anderen Parteien propagieren zu können."

Michael (53) aus dem Kyffhäuserkreis meint: "Vorrangig geht es hier wieder nur um die Parteien und nicht um die Thüringer. Hier wird die Brandmauer hoch und höher gebaut. Dadurch wird jedem die Möglichkeit genommen, aufeinander zuzugehen."

Und Jürgen (66) aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt meint, es gäbe einfach viele Unwägbarkeiten: "Ob die Aussage 'keine Zusammenarbeit mit der AfD' Bestand hat, wird sich zeigen. Was die Blackbox BSW anstellen wird, ist eine weitere spannende Frage, zumal das Personal meist politisch völlig unerfahren ist."

Landtags-Chefposten? – Mehrheit für bisherige Tradition

Bisher ist es gelebte Tradition und zum Teil auch in den Landtags-Statuten verbrieft: Wer bei der Landtagswahl als stärkste Kraft abschneidet, darf das Amt der Landtagspräsidentin oder des Landtagspräsidenten für sich beanspruchen.

In Thüringen wollen mehrere Parteien jetzt die Geschäftsordnung des Parlaments ändern. Ihre Motivation: Sie wollen keinen AfD-Abgeordneten wählen. Der Landtagspräsident repräsentiert den Thüringer Landtag nach außen und organisiert die Verwaltung des Parlaments.

Im MDRfragt-Meinungsbild fällt die Tendenz eher eindeutig aus: Eine Mehrheit der Befragten ist dafür, dass auch dieses Mal die Tradition gilt und die stärkste Fraktion den Landtagspräsidenten stellen darf.

MDR fragt – Posten als Landtags-Präsident soll stärkster Kraft zustehen
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Dabei fällt die Zustimmung in Sachsen, wo die CDU als stärkste Kraft ins Ziel kam, mit 73 Prozent deutlicher aus als in Thüringen mit 65 Prozent.

Wer dafür ist, dass die stärkste Kraft weiterhin ein Anrecht auf den Posten hat, argumentiert oft grundsätzlich, so wie Frank (78) aus dem Landkreis Zwickau "Wenn solche Regeln nach Bedarf geändert werden, was soll man dann noch von Demokratie halten?"

Und Nicole (49) aus dem thüringischen Saale-Holzland-Kreis meint: "Wenn die bisherigen Regelungen nicht gut genug waren, müssen sie grundsätzlich geändert werden, aber nicht nur, weil die AfD sonst den Präsidenten stellt und in vier Jahren ist wieder alles anders."

Wer findet, der Landtagspräsident müsste nicht unbedingt von der größten Fraktion kommen, stellt oft auf die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes ab, oder darauf, dass ein Landtagspräsident oder eine Landtagspräsidentin eine überparteiliche und respektable Persönlichkeit sein müsse.

Zu ihnen gehört Cornelius (29) aus Dresden, der schreibt: "Der Landtagspräsident soll die Arbeitsfähigkeit des Landtags sicherstellen, Tagesordnungen mitbestimmen und daher idealerweise aus der Regierung kommen und nicht die Opposition die Tagesordnung bestimmen zu lassen."

Annett (51) aus Leipzig sieht es so: "Wir brauchen einen demokratisch denkenden, ehrlichen, präsenten Präsidenten, welcher die gesamte Bandbreite der Bevölkerung im Blick hat." Und für Sebastian (42) aus dem Ilm-Kreis in Thüringen gilt: "Es sollte grundsätzlich nicht das Vorschlagsrecht bei der größten Fraktion liegen. Dies schränkt die Möglichkeiten aller Fraktionen – und damit die Demokratie ein."

Über diese Befragung Die "Frage der Woche - zur Landtagswahl" vom 23. bis 24. September 2024 stand unter der Überschrift: "Neuer Landtag, neue Regeln, alte Regierung?".

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.

Bei dieser Befragung haben sich 16.937 Menschen aus Sachsen und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.

Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.

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Di 02.07.2024 15:29Uhr 00:57 min

https://www.mdr.de/nachrichten/mitmachen/mdrfragt/video-MDRfragt-long-sie-quer-100.html

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Fernsehen LIVE | 26. September 2024 | 12:00 Uhr