Wohnungsbesichtigung in einer leeren Wohnung.
Oft ist es schon schwer, einen Termin zu einer Wohnungsbesichtigung zu ergattern. Und das auch bei teuren Mietpreisen. Bildrechte: imago images/Sabine Gudath

Aktionstag Mietenstopp Bundesweites Bündnis fordert: Wohnraum muss bezahlbar bleiben

08. Oktober 2022, 05:00 Uhr

Das bundesweite Bündnis "Mietenstopp" protestiert am 8. Oktober gegen die Preisspirale bei Mieten und fordert Gesetzesänderungen, um diese aufzuhalten. Befürchtet wird auch eine Kündigungswelle wegen Zahlungsverzugs.

Kampf um faire Mieten

Die bundesweite Kampagne "Mietenstopp" hat den 8. Oktober 2022 zum Aktionstag ausgerufen. In zahlreichen Städten und Gemeinden machen soziale Einrichtungen, Mietervereine und Aktionsbündnisse auf die aktuell schwierige Situation von Mietern aufmerksam und warnen vor zukünftigen Belastungen.

Zentrale Forderungen sind die Begrenzung von Mieterhöhungen bei bestehenden Verträgen für einen Zeitraum von sechs Jahren, die Nachbesserung bei der Mietpreisbremse und die Bestrafung von Mietwucher. Zum Aktionstag werden von teilnehmenden Vereinen mitunter auch kostenfreie Prüfungen der Betriebskostenabrechnungen angeboten.

Noch kein Beratungs-Ansturm bei Mietervereienen: Die Ruhe vor dem Sturm?

Aktuell bedingte Kündigungsschreiben haben noch keinen vermehrten Beratungs-Ansturm bei Mietervereienen ausgelöst. Dieses Jahr haben sich bisher 197 Hilfesuchende an die Beratungsstelle für Wohnungsnotfälle der Stadtmission Chemnitz gewandt. Bei 50 von ihnen waren ausstehende Mietrückstände oder die Angst vor einer Zahlungsverzugskündigung der Grund. Die Zahl der Ratsuchenden liegt damit noch auf dem Niveau der vergangenen Jahre.

Beim Mieterverein Magdeburg ist ebenfalls noch kein Trend für vermehrte Mietzahlungsausfälle zu spüren. Die Zahlungsverzugskündigungen sind laut Rechtsberater Zakaria Said bisher ebenfalls noch nicht gestiegen: "Da sich Vermieter, wie bereits auch in der Corona-Zeit, zu einem zurückhaltenden Umgang mit Kündigungen bereiterklärt haben. Es ist zu hoffen, dass es bei dieser löblichen Einstellung bleibt."

Mietervereine fordern Schutz vom Gesetzgeber durch Änderungen im Mietrecht

Angefragte Mietervereine und Einrichtungen erklärten, dass sie Zahlungsverzugskündigungen im nächsten Jahr befürchten und fordern daher eine gesetzliche Anpassung. Wichtiger Grund für die Forderung sei zudem, dass selbst durch eine Nachzahlung des Mietrückstands bisher nur fristlose Kündigungen abgewendet werden könnten. Kündigungen mit ordentlicher Kündigungsfrist hätten weiterhin Bestand.

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung heißt es: "Um die Ursachen drohender Wohnungslosigkeit zu beseitigen, werden wir das Mietrecht, insbesondere dort, wo Schonfristzahlungen dem Weiterführen des Mietverhältnisses entgegenstehen, evaluieren und entgegensteuern."

Beim Mieterverein Dresden und Umgebung e.V. sowie beim Dachverband des Deutschen Mieterbundes appelliert man eindringlich an die Regierungsparteien, eine Schonfristzahlung auch im Rahmen der ordentlichen Kündigung einzuführen. Ansonsten drohe Mietern laut Rechtsberater Florian Bau vom Mieterverein Dresden der Wohnungslosigkeit: "Es werden im nächsten Jahr Betriebskostenabrechnungen mit hohen Nachzahlungen zugestellt. Mit den Betriebskostenabrechnungen werden gleichzeitig die Vorauszahlungen deutlich erhöht. Können diese vom Mieter nicht geleistet werden, droht schnell die ordentliche Kündigung und damit die Wohnungslosigkeit."

Wohnungsnot in "boomenden" Städten könnte zunehmen

Alfred Mucha, Abteilungsleiter der Wohnungsnothilfe der Diakonie Chemnitz, sieht bei Vermietern ein großes Interesse, Mietverträge fortzuführen und Räumungskosten zu vermeiden. Auch deshalb, weil Vermieter diese erst einmal selbst tragen müssten. In Kommunen und Gemeinden, in denen der Wohnungsmarkt sehr angespannt sei und eine Neuvermietung auch einen höheren Mietzins ermögliche, würde die Möglichkeit der Kündigung möglicherweise häufiger und konsequenter genutzt, so Mucha.

Bereits jetzt schon würden Vermieter vorsorglich neben der außerordentlichen auch eine ordentliche Kündigung aussprechen. Mit der Folge , dass Mieter nach Räumung der Wohnung Probleme hätten, eine neue Wohnung zu finden. "Um eine neue Wohnung zu finden, verlangen Vermieter in der Regel Mietschuldenfreiheitserklärungen vom Vormieter oder auch generell die Erlaubnis von Schufa-Abfragen. Damit wird die Neuanmietung von Wohnraum für die Betroffenen erheblich erschwert bis unmöglich gemacht", erläutert Mucha.  

Kritik: Sozialrechtliche Schutzvorschriften werden ausgebremst

Die jetzige Rechtslage ist für Betroffene auch aus einem weiteren Grund ein Dilemma. Das Aktionsbündnis "Mietenstopp" kritisiert, dass durch die jetzige Gesetzgebung Schutzvorschriften zur Verhinderung von Obdachlosigkeit ausgehebelt würden. Mieter könnten zwar von den Sozialleistungsbehörden eine Übernahme ihrer Mietrückstände nur verlangen, wenn dadurch Wohnungslosigkeit vermieden werden kann. Da allerdings eine fristgerechte Zahlungsverzugskündigung nicht abgewendet werden kann, würden die Behörden in solchen Fällen regelmäßig die Übernahmen ablehnen.

Wohngeldreform wichtiger Schritt

An den Mieterverein Magdeburg wenden sich derzeit immer mehr Betroffene wegen Mieterhöhungsforderungen, die mit der steigenden Inflation begründet würden. Die Sorge vor einer Preisspirale sei sehr groß. Der Mieterverein trifft immer wieder auf Fälle, bei denen sich die Mietkosten um 50% erhöhten. Auch deshalb hat Rechtsberater Zakaria Said vom Mieterverein konkrete Vorstellungen wie Mieter unterstützt werden sollten: "Hier würde ein befristeter Mietenstopp und zukünftig eine deutliche Senkung der zulässigen Mieterhöhungsgrenze von derzeit 20 % innerhalb von drei Jahren und die Reduzierung der Kappungsgrenze von derzeit 15 %, sowie eine Kappung der Indexmieten viel Druck nehmen." 

Die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Wohngeldreform sei nach seiner Einschätzung ein wichtiger, erster Schritt. Die Regierung verabschiedete vergangene Woche den Gesetzentwurf von Bundesbaumministerin Klara Geywitz (SPD), mit dem sich die Zahl der anspruchsberechtigten Haushalte zu Beginn des kommenden Jahres von rund 600.000 auf zwei Millionen erhöhen soll.

MDR Wirtschaftsredaktion

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 08. Oktober 2022 | 19:30 Uhr

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