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Thüringens oberster Verfassungsschützer: "Reichsbürger-Szene erst nehmen." Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bodo Schackow

ReaktionenRazzia bei Reichsbürgern: Kramer warnt vor "Revolutionsfantasien"

07. Dezember 2022, 22:17 Uhr

Politiker und Organisationen haben sich nach der Großrazzia gegen ein mutmaßliches Terror-Netzwerk der Reichsbürger-Szene unter anderem in Sachsen und Thüringen entsetzt gezeigt. Sie lobten gleichzeitig die Arbeit der Sicherheitsbehörden und mahnten, dass die Demokratie verteidigt werden müsse. Thüringens Verfassungsschutzchef Kramer warnte vor "gewalttätigen Revolutionsfantasien". Bundespräsident Steinmeier äußerte sich im Interview mit MDR AKTUELL tief besorgt.

  • Steinmeier tief besorgt über mutmaßliches Reichsbürger-Netzwerk
  • Faeser kündigt härtere Gangart an
  • Kramer: Reichsbürgerszene ernst nehmen
  • Kretschmer fordert mehr Befugnisse für Polizei und Justiz

Steinmeier tief besorgt über mutmaßliches Reichsbürger-Netzwerk

Politiker und Organisationen haben sich nach mehreren Razzien entsetzt über das mutmaßliche Terror-Netzwerk aus den Reihen sogenannter Reichsbürger gezeigt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reagierte tief besorgt auf die Berichte über ein mutmaßliches Reichsbürger-Komplott. Bei einem Besuch im sächsischen Freiberg sagte Steinmeier im Interview mit MDR AKTUELL, er kenne das, was den Ermittlern vorliege, zwar noch nicht im Detail. Es sei aber ein neues Niveau. Sollte sich bestätigen, dass terroristische Straftaten in Vorbereitung seien, dann müsse man handeln und Grenzen setzen.

Steinmeier erklärte, die liberale Demokratie müsse auch eine wehrhafte sein. Er betonte, das erschöpfe sich nicht in der Anwendung des Strafrechts. Zur Wehrhaftigkeit der Demokratie gehöre auch eine engagierte Bürgergesellschaft. Diejenigen, die ein liberales, offenes Deutschland wollten, sollten sich lauter äußern als bisher. Steinmeier bezog das insbesondere auf die Gesprächskultur in den sozialen Medien, wo jeden Tag Hass zu erleben sei. Er wünsche sich, dass da auch Nutzer Grenzen setzten.

Faeser kündigt weiter "harte Gangart" an

Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte, die Ermittlungen ließen "in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu blicken". Die aufgedeckte mutmaßliche terroristische Vereinigung sei nach dem Stand der Ermittlungen "von gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien getrieben". Der Rechtsstaat wisse sich jedoch "gegen die Feinde der Demokratie zu wehren". Die SPD-Politikerin kündigte gegen solche Bestrebungen weiter eine "harte Gangart" an.

Thüringens Verfassungsschutzchef Kramer: Reichsbürgerszene ernst nehmen

Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer warnte vor "gewalttätigen Revolutionsfantasien" der Reichsbürgerszene und der Neuen Rechten. Die Reichsbürgerszene müsste sehr ernst genommen werden, weil eine nicht zu unterschätzende Gefahr von ihr ausgehe. Ganz offensichtlich sei auch die Neue Rechte mit in das Netzwerk einbezogen, sagte Kramer. Die Feinde der Demokratie sollten sich aber im Klaren sein, dass die wehrhafte Demokratie wehrhaft sei und die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaften, hier der Generalbundesanwalt, über Ländergrenzen hinweg funktioniere.

Kretschmer fordert mehr Befugnisse für Polizei und Justiz

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer forderte unterdessen mehr Befugnisse für Polizei und Justiz. "Wir sind eine Demokratie, wir sind ein Rechtsstaat. Die Dinge werden alle mit Richtervorbehalt geklärt. Deswegen muss man mehr Instrumente freigeben." Dem CDU-Politiker zufolge darf sich die Bundesregierung dabei nicht ständig gegenseitig die Beine stellen. "Die Sicherheit Deutschlands geht vor."

Kerstin Köditz, die in der Linken-Fraktion im sächsischen Landtag für Innenpolitik zuständig ist, erklärte, der Fall habe "beängstigende Ausmaße". Er zeige deutlich das Gewaltpotenzial auf, das von sogenannten Reichsbürgern und Verschwörungsideologen, völkischen Nationalisten und radikalisierten "Querdenkern" ausgehe – besonders, wenn sie sich zusammenschließen würden. Das komplette Netzwerk müsse umfassend ausgeleuchtet werden, forderte Köditz.

Grünen-Abgeordneter: Entwaffnung der rechten Szene vorantreiben

Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag sagte, die offengelegten Pläne zeigten, "wie fundamental die von diesen Gruppierungen ausgehende Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie ist". Um den Verfassungsfeinden die Grundlage zu entziehen, müssten "Maßnahmen zur Entwaffnung der rechten Szene vorangetrieben, Geldflüsse und Netzwerke aufgedeckt und die Nutzung von Immobilien durch Rechtsextreme unterbunden werden".

Der Bürgermeister der thüringischen Stadt Bad Lobenstein, Klaus Möller, begrüßte den Großeinsatz der Behörden. "Meine erste Reaktion: Es wird Zeit", sagte der Linken-Politiker. "Wir haben immer Mal wieder Probleme mit Reichsbürgern in unserer Stadt gehabt. Es ist gut, dass da jetzt mal durchgegriffen wird."

Bei der bundesweiten Razzia waren am frühen Mittwochmorgen 25 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung festgenommen worden. Sie sollen einen Umsturz des politischen Systems geplant haben. Beteiligt sind offensichtlich vor allem Mitglieder der sogenannten Reichsbürger-Szene. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte, es bestehe der Verdacht, "dass ein bewaffneter Überfall auf Verfassungsorgane geplant war". Bei der Großrazzia wurden mehrere Objekte in Sachsen und Thüringen durchsucht. Ein Schwerpunkt des Einsatzes war Bad Lobenstein in Ostthüringen.

dpa, AFP (fef)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. Dezember 2022 | 10:00 Uhr