Rentenpolitik Zwei Milliarden für den Härtefallfonds?

02. Juli 2021, 12:27 Uhr

Nur noch wenige Wochen verbleiben, um den sogenannten Härtefallfonds unter Dach und Fach zu bringen. Der Fonds – so steht es im Koalitionsvertrag von CDU/ CSU und SPD – soll Härtefälle aus der Rentenüberleitung abmildern, aber auch jüdischen Zuwanderern und sogenannten Spätaussiedlern zugutekommen. Sah es Anfang Mai noch so aus, als würde das Vorhaben scheitern und Betroffene, wenn überhaupt, nur mit Einmalzahlungen von knapp über 2.500 Euro abgespeist werden, gibt es jetzt wieder Hoffnung.

Für den Fonds zur Abmilderung von Härtefällen aus der Rentenüberleitung aus der ehemaligen DDR, sowie für Spätaussiedler und jüdische Zuwanderer (sogenannter Härtefallfonds) hat die Bundesregierung im neuen Haushaltsplan einen Betrag von einer Milliarde Euro bereitgestellt. Der MDR Umschau liegt ein Auszug aus dem am 23. Juni 2021 verabschiedeten Haushaltsplan für das Jahr 2022 vor. Dort ist dieser sogenannte Haushaltstitel allerdings als gesperrt vermerkt: "Die Sperre gilt bis zur Vorlage einer abgestimmten Vereinbarung zwischen den Ländern und dem Bund", heißt es im Papier.

Länder sollen sich an Finanzierung beteiligen

Das federführende BMAS schreibt uns dazu: "Die Bundesregierung hat den Ländern das Angebot unterbreitet, für den gemeinsamen Fonds einen Betrag von bis zu einer Milliarde Euro bereitzustellen, sofern die Länder sich in gleicher Höhe beteiligen.“

Im Klartext: Die eine Milliarde Euro stehen nur, wenn auch die Länder eine Milliarde bereitstellen, womit der Härtefallfonds ein Gesamtvolumen von zwei Milliarden hätte.

Noch vor wenigen Wochen befürchteten Vertreter der von der Rentenüberleitung betroffenen Berufs- und Personengruppen (Runder Tisch) ein Gesamtvolumen von nur 250 Millionen Euro. "Das Glas ist wieder halb voll", zeigt sich Dietmar Polster, Sprecher des Rundes Tisches, sichtlich erleichtert.

Dietmar Polster
Dietmar Polster kämpft seit 2017 am Runden Tisch um das Recht für die betroffenen Rentner. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Was sagen die Bundesländer?

An der Finanzierung des Härtefallfonds sollen sich nicht nur die neuen, sondern alle Bundesländer beteiligen. Denn die zahlenmäßig größten Gruppen, die in den Genuss von Einmalzahlungen kommen, dürften jüdische Zuwanderer und sogenannte Spätaussiedler sein. Gerade diese Zuwanderer und Aussiedler, die bei ihrer Ankunft in Deutschland schon über 40 oder 50 Jahre alt waren, leben heute über ganz Deutschland verteilt und beziehen oft Grundsicherung. (Der Koalitionsvertrag hatte explizit festgelegt, nur für Fälle „nahe“ der Grundsicherung den Härtefallfonds einzurichten.)

Für den Freistaat Bayern, der sich speziell für die jüdischen Zuwanderer einsetzt, erklärt das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, man würde die Verhandlungen zum Härtefallfonds konstruktiv unterstützen.  Derzeit würde die Finanzierungsbeteiligung unter den Ländern abgestimmt, eine Bezifferung der vorgesehenen Einmalzahlung sei noch nicht möglich.

Blockieren ausgerechnet die neuen Länder eine Lösung?

Ganz anders liest sich das bei den neuen Bundesländern. Wir haben alle sechs neuen Bundesländer, einschließlich Berlin, angefragt, ob und wie sie sich an der Finanzierung des Härtefallfonds beteiligen wollen. Immerhin gibt es schon seit Monaten Gespräche zwischen Bund und Ländern in einer Arbeitsgruppe.

Das in dieser Sache für die neuen Bundesländer federführende Land Brandenburg erklärte, dass die neuen Länder sich seit vielen Jahren für die bei der Rentenüberleitung nicht berücksichtigten Gruppen einsetze, man aber keinen finanziellen Spielraum für eine Beteiligung am Härtefallfonds sehe. Konkret heißt es als Begründung: "Rentenrecht ist allerdings Bundesangelegenheit. Deshalb sehen die ostdeutschen Länder den Bund in der Pflicht, die Finanzierung des Härtefallfons sicherzustellen. Auch das haben wir gegenüber der Bundesregierung deutlich gemacht. Diese klaren Beschlüsse lassen keinen Spielraum für eine finanzielle Beteiligung an dem Härtefallfonds."

Wer kann auf Gelder hoffen?

Noch vor wenigen Wochen schätzte der Runde Tisch der Berufs- und Personengruppen ein, dass von ca. 500.000 Betroffenen nur etwa zwei Prozent, also 10.000 Ostdeutsche, auf Geld aus dem Fonds hoffen können.

Würde der Fonds zwei Milliarden Euro umfassen, könnten, so Dietmar Polster, bis zu 50 Prozent der Betroffenen doch auf eine Einmalzahlung hoffen, z.B. von 10.000 Euro. Er hofft dabei, dass der im Koalitionsvertrag verankerte Begriff "nahe der Grundsicherung" von der Politik nicht so eng gesehen wird und auch Betroffene mit einer Bruttorente bis zu 1.300 Euro im Monat berücksichtigt werden. Die vom Runden Tisch genannte Zahl von 50 Prozent bezieht sich allerdings nur auf die Gruppe ostdeutscher Rentner, die sich gegen Ungerechtigkeiten aus der Rentenüberleitung wehren. Wie viele Betroffene es insgesamt gibt, ist völlig unklar.

Konkrete Zahlen gibt es für die Gruppe der jüdischen Zuwanderer. Nach einer Erhebung des Zentralrates der Juden dürften ca. 70.000 Menschen auf Zahlungen aus dem Härtefallfonds hoffen. Allerdings fehlen konkrete Zahlen zu den sogenannten Spätaussiedlern. Seit der Wiedervereinigung kamen etwa zwei Millionen Aussiedler, zumeist Russlanddeutsche, nach Deutschland. Diese haben nach den derzeitigen Plänen jedoch nur Anspruch auf Hilfe, wenn sie bei der Einreise das 50. Lebensjahr überschritten haben. Wie groß dieser Anteil ist und wie viele davon eine Rente "nahe der Grundsicherung beziehen", ist derzeit völlig unbekannt.

Betroffenenvertreter würdigen Bewegungen in den Verhandlungen

So wie die Vertreter vom Runden Tisch um Dietmar Polster sieht auch der Zentralrat der Juden die Bewegungen in den Verhandlungen positiv. Die aktuellen Pläne werden als "erfolgversprechend" eingeschätzt.

Noch im März hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Betroffenen Einmalzahlungen von 2.556,46 Euro in Aussicht gestellt. Für den Verband, der mindestens einen fünfstelligen Betrag, also Einmalzahlungen nicht unter 10.000 Summe forderte, eine viel zu geringe Summe. 

Gegenüber dem MDR erklärt der Zentralrat: "Nach den uns vorliegenden Berechnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ließen sich diese Forderungen erfüllen." Und: "Der Zentralrat der Juden hofft auf eine möglichst baldige und schnelle Einigung. Denn die Betroffenen sind bereits betagt und für viele ist jeder Tag, der ohne eine Einigung verstreicht, ein verlorener Tag."

Wie geht es weiter?

Aktuell beraten die Länder, ob und wie sie sich an dem Härtefallfonds beteiligen. Der Runde Tisch sieht den aktuellen Stand als großen Teilerfolg. "Wir haben erstmalig einen Haushalstitel und damit wird dokumentiert, dass es eine Rentenungerechtigkeit im Osten gibt und das Rentenüberleitungsgesetz von 1991 fehlerhaft ist", so Dietmar Polster. "Wenn die Länder mitmachen, dann soll das Geld noch dieses Jahr in den Topf der Stiftung fließen" – so seine Information aus dem federführenden Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Allerdings: Sollten die neuen Bundesländer sich nicht an der Finanzierung beteiligen und somit die vom Bund geforderten weiteren eine Milliarde Euro der Länder nicht zur Verfügung stehen, könnte auch der Bund sein Angebot zurückziehen. Dann käme es womöglich nur zu einem Mini-Härtefallfonds, der dem Namen nicht gerecht werden würde – mit Mini-Einmalzahlungen knapp über 2.500 Euro für nur ganz wenige Betroffene.

Quelle: MDR Umschau

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 06. April 2021 | 20:15 Uhr

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