Sahra Wagenknecht
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist in ihrer Partei höchst umstritten, aber in der Bevölkerung hoch beliebt. Bildrechte: imago images/Jan Huebner

Die Linke Wagenknecht: Mit meinen Positionen würden mehr Menschen erreicht werden

22. Oktober 2022, 10:00 Uhr

Sahra Wagenknecht polarisiert mit ihren Aussagen innerhalb der Linken, doch laut Umfragen ist sie beliebter als ihre Partei. Dennoch fordern einige Parteimitglieder den Ausschluss der Politikerin – auch weil ihre Positionen zu sehr von der Parteilinie abweichen oder manchen zu nah an Positionen der AfD sind. Im Interview erklärt Wagenknecht, warum sie immer wieder gegen den Strom schwimmt und was aus ihrer Sicht passieren würde, wenn sie Partei-Vorsitzende wäre.

MDR: Es kommt immer wieder der Vorwurf, dass Sie ihrer Partei – der Linken – schaden würden. So wie etwa nach ihrer Rede vor dem Bundestag: Da haben Sie undifferenziert gesagt: Weg mit den Sanktionen. Da schien es, als ob Sie die Beschlüsse der Partei gar nicht interessieren. Ist das so?

Sahra Wagenknecht: "Ich habe gesagt, dass die Wirtschafts-Sanktionen falsch sind. Das betrifft nicht Sanktionen gegen russische Oligarchen. Also gegen die kann niemand etwas haben. Die halte ich auch für sinnvoll. Aber dass der Wirtschaftskrieg gegen Russland inzwischen vor allem uns schadet, der Bevölkerung in Deutschland, der Industrie, der Wirtschaft – ich denke, das ist ganz offenkundig. Und deswegen halte ich es für dringend notwendig, dass wir den von links kritisieren und das nicht etwa der AfD überlassen."

Sie haben bei den Sanktionen aber nicht unterschieden. Es hieß ganz allgemein: Sanktionen weg! 

"Wirtschaftssanktionen, ja! Wirtschaftssanktionen sind Sanktionen gegen Öl, Gas, Kohle. Gegen ganz viele Produkte, die für uns in eine extreme Teuerung umschlagen. Das sind also Sanktionen, die der Bevölkerung schaden! Genau das, was wir eigentlich nach Programmlage in der Linken ablehnen."

Dennoch war der Aufschrei in der Partei groß. Es gab etwa diesen Offenen Brief von mehreren Landtagsabgeordneten. Es gab den Vorwurf: Täter-Opfer-Umkehr. Wie beurteilen Sie diesen?

"Also das ist ein seltsamer Vorwurf. Ich habe in der Rede gesagt, dass der Krieg in der Ukraine ein Verbrechen ist! Der ist von Russland begonnen worden, von niemandem sonst. Aber auf den Krieg haben die EU und auch Deutschland mit einem Wirtschaftskrieg reagiert – und das war ja keine Zwangsläufigkeit. Also auf andere Kriege haben wir nicht mit solchen wirtschaftlichen Sanktionen reagiert."

Nur weil so etwas bislang nicht getan wurde, muss dies jetzt nicht falsch sein…

"Ich halte diese wirtschaftliche Reaktion für falsch, weil sie Russland gar nicht relevant schadet. Ich meine, Gazprom hat Rekordgewinne in diesem Jahr gemacht! Diese Reaktion schadet vor allem uns. Und das ist meine Kritik!"

Diese Reaktion schadet vor allem uns. Und das ist meine Kritik!

Sahra Wagenknecht

Wir haben vor kurzem sehr viele Demos und Proteste zu den Energiepreisen und so weiter besucht. Ihr Name ist dort häufig gefallen und es schien, als ob Sie dort mehr Zuspruch erhalten, als in ihrer eigenen Partei. Welchen Eindruck haben Sie?

"Es gab ja nicht nur diesen Offenen Brief. Es gab ja auch eine Petition, die von Parteimitgliedern gestartet wurde. Die hatte am Ende 12.000 Unterschriften – also deutlich mehr Unterschriften als der Offene Brief gegen mich. Also auch in der Partei ist die Diskussion viel differenzierter, als sie öffentlich dargestellt wird."

Doch Sie erhalten offenbar mehr Zuspruch aus der Bevölkerung…

"Natürlich freue ich mich, wenn ich in der Bevölkerung Zuspruch habe. Ich meine, das Problem der Linken ist ja gerade, dass unser Zuspruch immer weniger geworden ist in den letzten Jahren und sich das dann in sehr bescheidenen Wahlergebnissen niederschlägt."

Ein Mann auf einer Demo hat gegenüber MDR Investigativ gesagt, dass es für ihn im Prinzip nur drei Frauen gebe, die die momentane Situation klären könnten: Sahra Wagenknecht, Frauke Petry und Alice Weidel. Wie fühlen Sie sich in dieser Aufzählung?

"Es mag auch Leute geben, die sagen, sie finden irgendwie Alice Weidel und Christian Lindner gut, weil die zum Beispiel wirtschaftspolitisch ziemlich starke Überschneidungen haben. Also ich finde es einfach ein Problem, wenn man versucht, meine Position dadurch zu diskreditieren, dass man sie in die Nähe der AfD rückt. Nur weil die AfD in bestimmten punktuellen Fragen auch Dinge formuliert, die nicht ganz falsch sind. Also ich meine, wenn die AfD sagt, der Himmel ist blau, werde ich nicht deshalb behaupten, dass er grün ist! Und deswegen ist das einfach eine völlig verquere Debatte!"

In dem Offenen Brief kam ja auch der Vorwurf des "nationalistischen Denkens". Wenn es um die Gründe für die Zerrissenheit der Linken geht, heißt es auch immer wieder: Wagenknecht. Wie stehen Sie dazu?

"Also zumindest diejenigen, die immer wieder sagen,ich soll aus der Partei ausgeschlossen werden, die müssen sich eigentlich fragen, warum sie so wenig Interesse daran haben, dass die Linke beisammenbleibt. Denn wer sagt, ich soll ausgeschlossen werden, fordert ja zum Beispiel die Spaltung der Bundestagsfraktion. Und das Ergebnis ist natürlich, dass die Linke nach außen ein sehr zerstrittenes Bild abgibt und dadurch eben auch immer weniger Menschen erreicht!"

Wer sagt, ich soll ausgeschlossen werden, fordert ja zum Beispiel die Spaltung der Bundestagsfraktion.

Sahra Wagenknecht

Sie befinden sich mit ihren Positionen oft hart an der Grenze der Parteilinie – egal ob beim Thema Migration, Impfung oder Ukraine. Warum ist das so?

"Für mich ist die entscheidende Frage: Haben wir Positionen, die bei den Wählerinnen und Wählern ankommen? Die die Menschen abholen, die sie begeistern können? Die dazu führen, dass Menschen sagen: Okay, das ist unsere Stimme. Die Linke ist wichtig, die wollen wir wählen! Und solche Positionen werden offensichtlich – zumindest von der offiziellen Parteilinie – immer weniger vertreten:  Das zeigen die Wahlergebnisse."

Man hat dennoch den Eindruck, dass Sie fast prinzipiell gegen den Strom stehen. Ist das so?

"Also es ist mir nicht ein Bedürfnis, irgendwie gegen eine bestimmte Richtung zu stehen. Aber es ist schon so, dass ich natürlich vertrete, was ich für richtig halte. Ich glaube schon, dass ein Politiker auch verpflichtet ist, eigene Überzeugung zu haben und die auch zu vertreten, selbst wenn es im Einzelfall auch mal Konflikte in der eigenen Partei gibt."

Die Vorwürfe gehen ja hin und her: Was wäre wenn Sahra Wagenknecht Vorsitzende der Linken-Partei wäre. Wie sähe dann die politische Richtung aus?

"Das ist Spekulation. Also, ich meine schon, dass wir dann mehr Chancen hätten. Es gibt ja auch Umfragen, die das bestätigen. Nach denen scheint es so zu sein, dass wir dann möglicherweise doch auch die Menschen mehr erreichen könnten, die unzufrieden sind, die wütend sind, die sich jetzt alleingelassen fühlen, die überwiegend gar nicht mehr zur Wahl gehen."

Quelle: MDR Investigativ/ mpö

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