Regierungsbefragung Scholz: Entlastung besonders für Geringverdiener und Leistungsberechtigte

07. Juli 2022, 10:47 Uhr

Entlastungen sollen künftig zielgerichteter und auf breitem Konsens erfolgen. In einer Regierungsbefragung im Bundestag erteilte Kanzler Scholz zudem einer Verlängerung von Atomkraftwerken eine Absage. Für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland soll die Zuwanderung erleichtert werden, etwa durch ein Punktesystem.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat versichert, dass die Regierung die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger wegen der starken Preissteigerungen im Blick habe. In einer Fragestunde im Bundestag sagte der SPD-Politiker, die bisherigen Entlastungspakete zeigten, dass die Politik die Herausforderungen für die Menschen kenne. Die 30 Milliarden Euro, die jetzt nach und nach bei den Bürgern ankämen, seien dafür ein deutliches Zeichen.

Man wolle nun mit allen gesellschaftlichen Kräften neue Entlastungsvorschläge entwickeln. Diese werde die Bundesregierung dann zügig umsetzen. Scholz unterstrich, dass man vor allem Geringverdiener und Leistungsempfänger stärker unterstützen wolle. Er verwies dazu unter anderem auf das geplante Bürgergeld.

Im Zusammenhang mit den 9-Euro-Tickets hatte es zuletzt deutliche Kritik gegeben: Die vergünstigten Monatstickets sorgten dafür, dass Jobcenter teils höhere Zuschüsse für Nahverkehrstickets wieder zurückforderten.

Entlastungen sollen auf breitem Konsens basieren

Der Kanzler erteilte zugleich Forderungen des Koalitionspartners FDP eine Absage. Die Liberalen wollen in der Lohn- und Einkommenssteuer die sogenannte Kalte Progression abschaffen. Die Kalte Progression entsteht, wenn das Steuersystem nicht an die Inflation angepasst wird. Bei Lohnerhöhungen können Beschäftigte in einen höheren Steuersatz rutschen und damit netto weniger Geld zur Verfügung haben als vorher.

Scholz mahnte, man solle die Debatte der sogenannten Konzertierten Aktion mit Gewerkschaften und Arbeitgebern überlassen. Daraus könne man dann einzelne Schritte ableiten, "auch steuerlicher Art". Ziel sei ein breiter gesellschaftlicher Konsens. Dagegen müsse man davon wegkommen, dass es "jeden Morgen einen neuen Vorschlag" gebe.

Verbliebene Atomkraftwerke sollen planmäßig vom Netz gehen

Mit Blick auf die Atomkraftwerke in Deutschland sprach sich Scholz gegen eine Verlängerung der Laufzeit aus. Die drei noch arbeitenden Meiler sollten stattdessen im Sommer so viel Strom wie möglich produzieren, damit die Gasverstromung reduziert werden könne. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lehnte unterdessen einen staatlichen Preisdeckel für Gas ab.

Punktesystem für Fachkräfte-Zuwanderung

Angesichts des Fachkräftemangels kündigte der Kanzler weitere Neuerungen in der Migrationspolitik an. So sollen beispielsweise besonders qualifizierte Fachkräfte über ein Punktesystem bereits zur Jobsuche nach Deutschland einreisen dürfen.

Wir werden unseren Wohlstand nur erhalten können, wenn wir die hohe Zahl an Beschäftigten, die wir heute haben, auch in Zukunft sicherstellen können.

Olaf Scholz, SPD Bundeskanzler

Dabei soll das Punktesystem als Indikator dafür gelten, wie wahrscheinlich es ist, dass die Frauen und Männer bald einen Arbeitsplatz finden. "Wir werden unseren Wohlstand nur erhalten können, wenn wir die hohe Zahl an Beschäftigten, die wir heute haben, auch in Zukunft sicherstellen können", sagte Scholz. Entsprechende Gesetzesvorschläge würden Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesinnenminister Nancy Faeser noch in diesem Jahr vorlegen.

Waffen für Ukraine sollen ganze Städte schützen können

Nach Verzögerungen beim geplanten Ringtausch von Waffen zugunsten der Ukraine kündigte der Kanzler einen baldigen Start der Auslieferungen an. Über die Umsetzung werde er die Abgeordneten in "den nächsten Wochen" informieren. Zugleich betonte er, Deutschland liefere bereits in erheblichem Umfang Waffen direkt an die Ukraine. Das werde auch fortgesetzt.

So werde Deutschland "modernste und auch sehr teure Technik" auf den Weg bringen, die ganze Städte gegen Angriffe aus der Luft schützen könne. Für den Ringtausch dagegen hatte Deutschland mehreren osteuropäischen Verbündeten zugesichert, modernisierte Waffen zur Verfügung zu stellen, damit diese eigene Waffen sowjetischer Bauart an die Ukraine liefern können. Mit diesen sind die ukrainischen Soldaten besonders vertraut.

Klare Worte fand Scholz in Richtung AfD: Die Partei habe sich zum Handlanger russischer Interessen gemacht, sagte der Kanzler. Damit reagierte er auf Äußerungen des AfD-Abgeordneten Stephan Köthe, der die Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs als nutzlos kritisiert hatte.

Der Kanzler warf der AfD Realitätsferne vor. Sie nehme nicht zur Kenntnis, dass es in der Ukraine wirklich einen Krieg gebe, dass Russland das Land angegriffen habe und dass dort unglaublich viele Menschen getötet würden.

MDR, dpa, Reuters, AFP (rnm)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 06. Juli 2022 | 15:00 Uhr

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