München 1972 Steinmeier bittet nach Olympia-Attentat um Vergebung

05. September 2022, 17:38 Uhr

In einer historischen Geste hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 50 Jahre nach dem Olympia-Attentat von München die Angehörigen der getöteten israelischen Sportler um Entschuldigung gebeten. Bei dem Attentat während der Olympischen Spiele waren 1972 elf israelische Sportler getötet worden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Angehörigen der Opfer des Olympia-Attentats aus dem Jahr 1972 um Vergebung gebeten. Bei einer Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag sagte Steinmeier: "Ich bitte Sie als Staatsoberhaupt dieses Landes und im Namen der Bundesrepublik Deutschland um Vergebung, um Vergebung für den mangelnden Schutz der israelischen Athleten damals bei den Olympischen Spielen in München und für die mangelnde Aufklärung danach; dafür, dass geschehen konnte, was geschehen ist."

Steinmeier: Fehler auch nach dem Attentat

Begonnen hatte der Gedenkakt mit einer gemeinsamen Kranzniederlegung, bei der Israels Staatspräsident Izchak Herzog und Steinmeier schweigend der Opfer des Attentats gedachten. Das Bemühen, Deutschland im Jahr 1972 als friedfertige, freundliche Demokratie zu zeigen, sei in München tragisch gescheitert, sagte Steinmeier. Das Olympische Dorf sei für die Attentäter "zur internationalen Bühne für Judenhass und Gewalt" geworden. Auch nach dem Attentat seien Fehler gemacht worden. Auf den Anschlag seien Jahre und Jahrzehnte des Schweigens und Verdrängens gefolgt, erklärte der Bundespräsident.

Steinmeier dankte den Angehörigen und dem israelischen Staatspräsidenten Herzog für die Teilnahme an der Veranstaltung. "Ohne Sie alle, ohne die Angehörigen, ohne die Präsenz des Staates Israel war mir ein würdiges Gedenken nicht vorstellbar." Rückblickend führte er aus: "Welch riesiger Vertrauensbeweis war es, nach dem Menschheitsverbrechen der Shoah im Land der Täter an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Unter den Athleten und ihren Trainern waren auch Überlebende der Shoah." Diesem Vertrauen sei Deutschland, das auf einen solchen Anschlag nicht vorbereitet gewesen sei, nicht gerecht geworden.

Elf israelische Sportler getötet

Elf Mitglieder des israelischen Olympiateams und ein deutscher Polizist waren bei dem Anschlag 1972 ums Leben gekommen. Palästinensische Terroristen wollten damit über 200 Gefangene in Israel und die RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof freipressen. Die Attentäter waren am frühen Morgen des 5. September 1972 in die Unterkunft der Sportler eingedrungen, hatten zwei Männer erschossen und neun Geiseln genommen. 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch auf dem Flugplatz in Fürstenfeldbruck mit einem Blutbad. Alle neun Geiseln, der Polizist Anton Fliegerbauer und fünf Attentäter starben.

Die Hinterbliebenen der israelischen Opfer hatten sich erst vor wenigen Tagen mit der Bundesregierung geeinigt. 28 Millionen Euro stehen nun als Entschädigungssumme für das entstandene Leid fest. Davon übernimmt der Bund 22,5 Millionen, der Freistaat Bayern fünf Millionen und die Stadt München 500.000 Euro. Darüber hinaus soll es eine umfangreiche Aufarbeitung geben. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte bereits im Vorfeld der Gedenkfeier erklärt, die Bundesrepublik stelle sich ihrer Verantwortung.

Kommission aus deutschen und israelischen Historikern

Dass 50 Jahre nach dem Attentat immer noch offene Fragen zum Ablauf des Anschlags und der gescheiterten Befreiungsaktion bleiben, ist aus Sicht von Bundesinnenministerin Nancy Faeser nicht hinnehmbar. "Nun muss umfassend geklärt werden, was zu klären ist", sagte die SPD-Politikerin. Es sei "in der Tat beschämend, dass die Aufarbeitung längst nicht erfolgt ist". Deshalb sei es Faeser wichtig, dafür eine unabhängige Kommission aus deutschen und israelischen Historikern einzusetzen.

Israels Staatspräsident Herzog begrüßte die Entschädigung der Hinterbliebenen des Olympia-Attentats 1972 in München. "Dies ist ein wichtiger, gerechter, moralischer Schritt", sagte Herzog. Er dankte Bundespräsident Steinmeier für seine "großen Anstrengungen".

Söder: Wir stehen an der Seite Israels

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bat beim Gedenken die Angehörigen der getöteten israelischen Sportler um Vergebung. "Ich entschuldige mich ausdrücklich im Namen des Freistaats Bayern für die Fehler und die Versäumnisse, die damals gemacht wurden", sagte der CSU-Politiker.

Die bayerische Polizei sei damals auf die Geiselnahme und Befreiung nicht vorbereitet gewesen, sagte Söder weiter. Er gab zugleich ein Versprechen ab, jüdisches Leben in Bayern zu schützen. "Wir stehen an der Seite des Staates Israel."

dpa, AFP, MDR (pad/fef)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 05. September 2022 | 12:54 Uhr

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