TarifforderungenWas ein Lohnplus im öffentlichen Dienst für Kommunen bedeuten würde
Verdi und der Deutsche Beamtenbund fordern 10,5 Prozent oder mindestens 500 Euro mehr Lohn für den öffentlichen Dienst. Bei insgesamt 2,5 Millionen Beschäftigten ist das eine Menge Geld. Wie würden die Kommunen das finanzieren?
- Kommunen kritisieren, dass bei Umsetzung der Tarifforderungen nicht mehr genügend Geld für andere Vorhaben wie zum Beispiel Straßen da sei.
- Hinzu komme der bereits milliardenhohe Investitionsrückstand und Kreditzinsen.
- Andererseits nehmen die Kommunen durch Steueranstiege mehr Geld ein.
Matthias Berger wird grundsätzlich, wenn um die aktuellen Tarifverhandlungen geht. Er habe das Gefühl, dass jeder nur noch an sich denkt und dabei das große Ganze aus dem Blick gerate. Berger ist Oberbürgermeister im sächsischen Grimma.
Geld würde im Haushalt fehlen
Seine Stadt habe knappe 30.000 Einwohner – und daraus resultierend eine Verwaltung mit rund 400 Beschäftigten. Ein Lohnplus von 10,5 Prozent bedeute eine Mehrausgabe von 2,3 Millionen Euro, sagt er. "Das heißt, unser Gesamthaushalt würde sich um vier Prozent insgesamt aufblähen. Und das ist Geld, das zum Schluss woanders fehlt. Um mal eine Zahl zu nennen: Wir haben in den nächsten drei Jahren ungefähr vier Millionen eingeplant im Straßenbau. Das ist schon unglaublich wenig bei so einer Riesenfläche, wie wir sie haben. Und dann wird es eben im Zweifel nur noch die Hälfte sein. Und die Straßen werden weiter verfallen."
An die Bürger seiner Stadt wolle er die Mehrausgaben aber nicht weitergeben, etwa durch Gebührenerhöhungen. Die Belastbarkeit der Menschen sei endlich, sagt Berger.
Kommunen brauchen mehr Investitionen
Die der Kommunen aber auch, sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Und so würden sich anfallende Mehrkosten in vielen Fällen natürlich auf die Höhe der Gebühren auswirken, etwa bei der Müllentsorgung. Lege man den geforderten Mindestbetrag von 500 Euro um, belaufe sich die Forderung der Gewerkschaften auf rund 14 Prozent.
Zusätzliche 16 Milliarden jährlich würde das für die Kommunen bedeuten, sagt Landsberg. Das sei nicht zu stemmen. "Wir haben ja keine besonders gute Wirtschaftslage. Wir haben über 30 Milliarden Kassenkredite – und die Zinsen steigen. Das heißt auch, diese Veranstaltung wird teurer. Hinzu kommt, dass wir einen Investitionsrückstand von 159 Milliarden haben, allein im Bildungsbereich 43 Milliarden. Die Menschen erwarten bessere Schulen, bessere Kindergärten, mehr für den Klimaschutz." Und das müsse ja alles irgendwie finanziert werden, sagt Landsberg.
Langfristige Auswirkungen durch steigende Zinsen
Die Herausforderungen, vor denen die Kommunen stehen, sind nicht von der Hand zu weisen. Das sagt auch René Geißler, Experte für kommunale Finanzen und Professor an der Technischen Hochschule Wildau. Niemand wisse, wie es mit der Konjunktur oder den Energiepreisen weitergeht. Aber "was wir wissen ist, dass die Zinsen gestiegen sind. Das trifft allerdings die Kommunen nicht kurzfristig. Denn die meisten kommunalen Kredite sind langlaufend vereinbart." Das heiße, diese hohen Zinssätze schlagen erst in den nächsten fünf bis sieben Jahren bei den Krediten der Kommunen durch.
Steueranstieg kommt öffentlichen Haushalten zugute
Die Belastungen der Kommunen seien nur eine Seite der Medaille, sagt Geißler. Auf der anderen Seite stehe ein sehr deutlicher Steueranstieg in den öffentlichen Haushalten im vergangenen Jahr. "Die hohen Inflationsraten im Einzelhandel, die wir alle als Bürgerinnen und Bürgern sehen, bedeuten eben auch einen deutlichen Sprung der Umsatzsteuer, die bei Bund, Ländern und auch bei Gemeinden anfällt."
Und das mache sich positiv in den Kassen bemerkbar. Ebenso die Einkommenssteuer, die mit guten Lohnerhöhungen im letzten Jahr weitergelaufen sei. "Und auch die Gewerbesteuer läuft noch immer gut", sagt Geißler.
Die Forderungen der Gewerkschaften seien eine Hausnummer, sagt Geißler. Und wahrscheinlich würden sie sich, sollten sie tatsächlich so umgesetzt werden, wohl negativ auf Sozialleistungen oder Investitionen auswirken. Geißler sagt aber auch: Die Kommunen würden selbst mit gut zehn Prozent höheren Tariflöhnen weiterhin handlungsfähig bleiben.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 28. März 2023 | 06:00 Uhr
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