Braunkohlebagger im Braunkohle Tagebau.
Aufgrund der aktuellen Energiekrise befürworten viele MDRfragt-Teilnehmende einen späteren Kohleausstieg als 2038. Bildrechte: imago images/Rupert Oberhäuser

MDRfragt Energiekrise: Drei Viertel für Aufweichen der Klimaschutzziele

13. Juli 2022, 05:00 Uhr

Wegen der starken Preissteigerungen bleibt derzeit für Klimaschutz wenig Raum, findet der Großteil der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben. Sie fordern, die Klimaschutzziele aufzuweichen. Mehr als die Hälfte wünscht sich zudem, dass auf den Kohleausstieg, der eigentlich bis spätestens 2038 geplant ist, erst einmal verzichtet werden soll. Das sind Ergebnisse der Befragung mit mehr als 26.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Mehr als drei Viertel der Befragungsteilnehmer wünschen sich, dass die aktuellen Klimaschutzziele zugunsten der Energieversorgung sowie zur Vermeidung von Preissteigerungen aufgeweicht werden sollten. Um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, sind sogar 82 Prozent der Ansicht, dass Klimaschutzziele in den Hintergrund treten sollten.

Warum sie die aktuellen Probleme wichtiger als den Klimaschutz empfinden, erklären die MDRfragt-Teilnehmenden in den Kommentaren:

Momentan hat die zunehmende Energiekrise, gepaart mit Preissteigerungen und der Ernährungsunsicherheit Vorrang vor sämtlichen Klimaschutzmaßnahmen, da diese Krisen das Potenzial haben, eine soziale Sprengkraft auszulösen.

David M., 32 Jahre, Leipzig

Ihr könnt den "Klimaschutz" im Ganzen vergessen, wenn die Menschen frieren und hungern müssen! Klimaschutz ist ein Luxusproblem!

Torsten H., 49 Jahre, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

Andere Teilnehmende betonen die Wichtigkeit des Klimaschutzes:

Gerade wenn Umwelt- und Klimaziele vernachlässigt werden, wird das erhebliche und schlimmere Folgen in den anderen Bereichen mit sich ziehen. Deshalb ist Umwelt- und Klimaschutz notwendig für die Sicherung der Energieversorgung und der Ernährungssicherheit zukünftiger Generationen.

Cornelia W., 49 Jahre, Leipzig

Das Klima ist das Thema, dem schon in der Vergangenheit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Deshalb verdient es weiterhin höchste Priorität. Die Kosten bei Nichtbeachtung werden bis in das Unermessliche steigen und zur immer größeren Gefährdung unserer Lebensgrundlage führen.

Bernd J., 78 Jahre, Mittelsachsen

Einige Teilnehmende machen auch Vorschläge, wie die Krisen gemeistert werden können:

Man sollte diese Krise als Chance sehen, Klimaschutz und Energiesicherung zu kombinieren.

Michaela S., 42 Jahre, Magdeburg

Der Bevölkerung muss klar sein: Die fetten Jahre sind vorbei! Die Menschen müssen lernen zu verzichten - zum Wohle unseres Planeten!

Elke S., 66 Jahre, Dresden

Mehr zur Befragung im Video anschauen

Claudia Reiser 3 min
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MDR FERNSEHEN Mi 13.07.2022 19:30Uhr 02:38 min

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Mehr als die Hälfte wünscht sich Rückkehr zur Kohle

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung heißt es, Deutschlands Kohleausstieg solle "möglichst" 2030 erfolgen. Das Kohleausstiegsgesetz sieht ein Ende der Braunkohle spätestens 2038 vor. Doch durch die Energiekrise wird auch über Deutschlands Kohlezukunft wieder neu diskutiert. Mehr als die Hälfte der MDRfragt-Mitglieder, die sich beteiligt haben, sprechen sich dafür aus, dass der Kohleausstiegsplan revidiert wird: Sie wünschen sich entweder einen späteren Ausstieg als 2038 oder sind generell gegen ein Ende der Kohle.

Der Anteil derer, die sich einen späteren bzw. gar keinen Kohleausstieg wünschen, ist im Vergleich zum vergangenen Herbst, als wir diese Frage schon einmal gestellt haben, deutlich gewachsen. Damals sprachen sich 42 Prozent dafür aus.

Ihre Gründe für einen späteren Kohleausstieg nennen einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Kommentaren:

Wir sollten uns ganz und gar auf unsere Kohlevorräte konzentrieren und uns somit unabhängig von anderen Ländern machen.

Matthias A., 54 Jahre, Magdeburg

Bevor die Energie aus erneuerbaren Quellen nicht sichergestellt ist, sollte man überhaupt keine Kohlekraft- und Atomkraftwerke runterfahren bzw. zumachen. Wer weiß, was noch alles auf uns zukommt.

Sascha J., 30 Jahre, Meißen

Flüssiggas und Kohle sind für einen Übergangszeitraum notwendig, denn ich möchte, offen gesagt, auch in den nächsten Wintern eine warme Wohnung haben.

Johannes P., 67 Jahre, Dresden

Andere Teilnehmende begründen aber auch, warum sie gegen einen späteren Ausstieg sind:

Wenn die Kohleverstromung forciert wird, könnte es zu weiteren Abbaggerungen schöner Dörfer kommen, schließlich steht das Leipziger Land auch auf Kohlevorkommen. Soll der Tagebau "Vereinigtes Schlehenhain" noch größer werden und in der Lausitz noch mehr Löcher entstehen?

Arnd V., 48 Jahre, Leipzig

Jetzt muss endlich mal was passieren, 150 Jahre Kohle verbrennen war zwar ertragreich für die Unternehmen, aber keine Glanzleistung für die Denkernation.

Frank M., 57 Jahre, Görlitz

In meinen Augen ist es ein Fehler, die Kohlekraftwerke wieder hoch zu fahren. Jahrelang war die Kohle durch den Schwefelausstoß und die Feinstaubbelastung das größte Gift. Wir als Ex-DDR-Bürger können uns noch gut erinnern, wie es im Winter in den Städten "duftete".

Robert J., 73 Jahre, Eisenach

Großteil dennoch für mehr Einsatz gegen Erderwärmung

Obwohl sich die Mehrheit für das Aufweichen der Klimaschutzziele ausspricht, ist sich ebenfalls ein Großteil der Befragten einig, dass generell mehr gegen die Erderwärmung getan werden müsste.

Zwei Drittel für Ersatz von klimaschädlichen durch klimafreundliche Subventionen

Knapp zwei Drittel der MDRfragt-Teilnehmenden würden es begrüßen, wenn die Bundesregierung klimaschädliche Subventionen (z. B. Dienstwagenprivileg) abschaffen und das freiwerdende Geld stattdessen in klimafreundliche Subventionen (z. B. Stärkung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs) stecken würde. Rund die Hälfte befürwortet zudem, klimaschädliche Subventionen abzuschaffen. Die CO2-Abgabe und generelle Verbote sehen nur wenige als geeignete Instrumente an, um etwas für den Klimaschutz zu tun.

Klimaschutz kommt trotz Corona und Ukraine-Krieg nicht zu kurz

Coronakrise und Ukraine-Krieg haben die politische und gesellschaftliche Diskussion der vergangenen Zeit bestimmt. Eine Vernachlässigung des Klimaschutzes hat in den Augen von mehr als der Hälfte der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer dadurch aber nicht stattgefunden. 37 Prozent sehen das anders.

Mehrheit lehnt Investitionen in Flüssiggas-Terminals ab

Neben der Kohle boomt derzeit ein weiterer fossiler Energieträger: Deutschland investiert Milliarden in Flüssiggas-Terminals. Diese Investitionen lehnt jedoch etwas mehr als die Hälfte der Befragten ab, 42 Prozent finden diesen Weg richtig.

Tempolimit von Mehrheit befürwortet

In Zeiten der Energiekrise wird auch wieder vermehrt über die Einführung eines Tempolimits diskutiert. Bei den MDRfragt-Mitgliedern hätte diese Maßnahme hohen Zuspruch: 60 Prozent würden ein Tempolimit begrüßen, 38 Prozent sprechen sich dagegen aus.

Klimaschutzziele sind in den Augen der meisten nicht mehr erreichbar

71 Prozent der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer glauben nicht daran, dass das 1,5-Grad-Ziel noch erreicht werden kann. Auch das 2-Grad-Ziel halten 59 Prozent nicht mehr für erreichbar.


Über diese Befragung Die Befragung vom 24.06.-27.06.2022 stand unter der Überschrift:
Inflation und Energiekrise – ist da noch Platz für Klimaschutz?

Insgesamt sind bei MDRfragt 61.33 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 27.06., 10 Uhr).

26.528 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 314 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 4.025 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 11.188 Teilnehmende
65+: 11.001 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 13.639 (51 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.454 (24 Prozent)
Thüringen: 6.435 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 11.546 (44 Prozent)
Männlich: 114.925 (56 Prozent)
Divers: 57 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.


Kohlekraftwerk Weisweiler
Bildrechte: IMAGO / Peter Widmann

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 13. Juli 2022 | 21:45 Uhr