Bett mit Erstausstattung
Alleinstehende in einer Flüchtlingsunterkunft bekommen weniger Sozialleistungen vom Staat als alleinstehende Asylbewerber mit eigener Wohnung. Bildrechte: imago/BildFunkMV

Urteil Flüchtlingsheime: Kürzungen für Alleinstehende verfassungswidrig

24. November 2022, 14:22 Uhr

Alleinstehende Asylbewerber, die in einem Flüchtlingsheim leben, bekommen weniger Sozialleistungen als Asylbewerber mit eigener Wohnung. Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts muss das allerdings geändert werden. Die Karlsruher Richter sehen in der Regelung das Gundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verletzt.

Alleinstehenden Asylsuchenden dürfen nicht länger die Sozialleistungen pauschal um zehn Prozent gekürzt werden, weil sie in einem Flüchtlingsheim leben. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Die Richter erklärten, es sei nicht erkennbar, dass in den Flüchtlingsheimen tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erzielt würden oder erzielt werden könnten. Die zum 1. September 2019 eingeführte "Sonderbedarfsstufe" verstoße gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. (Az. 1 BvL 3/21)

Schwarz-Rot sah Einsparmöglichkeiten in Heimen

Die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD war der Ansicht gewesen, dass in den Sammelunterkünften ein Zusammenwirtschaften "erwartet werden" könne. Sie sah Einsparmöglichkeiten etwa beim Essen. Deshalb hatte sie den Bedarfssatz für Alleinstehende in Flüchtlingsheimen pauschal um zehn Prozent gesenkt. Aktuell bekommen Alleinstehende in einer Sammelunterkunft 330 Euro im Monat. Anderen alleinstehenden Asylbewerbern stehen 367 Euro zu.

Viele Bescheide müssen neu berechnet werden

Geklagt hatte ein Mann aus Sri Lanka, der seit 2014 in einer Gemeinschaftsunterkunft in der Nähe von Düsseldorf lebt. Er hatte argumentiert, dass er mit den übrigen Bewohnern nicht gemeinsam koche oder wirtschafte und darum kein Geld spare.

Dem Verfassungsgericht zufolge müssen Leistungsbescheide, die noch nicht bestandskräftig sind, nun rückwirkend ab September 2019 neu berechnet werden. Das ist dann der Fall, wenn jemand Widerspruch eingelegt oder geklagt hat. In allen anderen Fällen ist die Entscheidung für die künftigen Leistungen zu berücksichtigen.

dpa, AFP (aju)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 24. November 2022 | 10:00 Uhr

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