Beate Zschäpe
Beate Zschäpe wurde im Juli 2018 verurteilt, sitzt aber noch in U-Haft. Bildrechte: imago/Sebastian Widmann

Zschäpe noch in U-Haft Urteilsbegründung im NSU-Prozess muss bald kommen

17. April 2020, 09:12 Uhr

Im Juli 2018 hat das Oberlandesgericht München sein Urteil im Prozess zur rechtsextremen Terrorzelle NSU gesprochen. Für Beate Zschäpe stellte es eine besondere Schwere der Schuld fest, verurteilte sie wegen zehnfachen Mordes, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und schwerer Brandstiftung zu einer lebenslangen Haftstrafe. Rechtskräftig ist die aber noch nicht. Zschäpe sitzt weiter in U-Haft, denn die schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus.

Spätestens Mittwoch, am 22. April, muss das Urteil in der Geschäftsstelle des Gerichts "zu den Akten gebracht werden", wie es offiziell heißt. 93 Wochen sind dann seit der mündlichen Urteilsbegründung vergangen.

Mündliche Begründung für Verteidigung zu kurz

Mit dabei war auch Wolfgang Heer, einer der Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe. Er sagt, es gebe noch kein Ende, denn jetzt beginne das Rechtsmittelverfahren: "Wir sind also nach wie vor als Verteidiger bestellt."

Die Mittäterschaft Zschäpes sei rechtlich nicht begründbar, argumentiert Heer. Er und sein Team hatten Revision eingelegt. Die müssen sie begründen – binnen vier Wochen, nachdem wiederum die schriftliche Begründung des Gerichts bei ihnen eingegangen ist.

Zur mündlichen Begründung habe Heer damals direkt gesagt, dass er diese als etwas unbefriedigend empfunden habe und hält auch jetzt daran fest: "Sie war nach meinem Begriff angesichts der enormen Dauer der Hauptverhandlung mit 438 Verhandlungstagen ausgesprochen knapp. Und hat nach meinem Dafürhalten nicht wirklich ihre Funktion erfüllt – nämlich den Angeklagten klarzumachen, weswegen sie verurteilt wurden. Das war inhaltlich doch etwas dürftig", meint Heer.

Streitpunkt André E.

Nebenklage-Anwalt Alexander Hoffmann sieht das anders. Trotzdem nennt auch er die mündliche Begründung "sehr unbefriedigend". Die schriftliche nun habe eine "sehr große Bedeutung".

Wir müssen es endlich schwarz auf weiß haben, um bewerten zu können, was nun die Grundlage für das Urteil des OLG war.

Alexander Hoffmann, Nebenklage-Anwalt im NSU-Prozess

Hoffmann vertritt zwei der 93 Nebenklägerinnen und -kläger, Opfer eines Nagelbombenanschlags in Köln. Für den habe das Gericht neben Zschäpe auch Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos verantwortlich gemacht.

Hoffmann pocht aber auch auf die Rolle des Mitangeklagten André E. Der gelte als vierter Mann im NSU. Das habe die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer ausgeführt und davon sei auch das Gericht überzeugt gewesen. E. sei aber im Wesentlichen freigesprochen worden.

Anwalt Hoffmann meint: "Bei der Urteilsberatung ist dem Gericht aufgefallen, dass damit ganz viele Thesen, die es in seinen Beschlüssen vertreten hat, die auch in der Anklage drin waren, dass nämlich der NSU nur aus drei Personen bestand und kaum Unterstützer hat, sich nicht mehr halten lassen werden." Der Anwalt glaubt, dass es eine politische Entscheidung des Gerichts gewesen sei, das anders zu bewerten und André E. im Wesentlichen freizusprechen.

Gericht weist Vorwurf, politisch zu arbeiten, zurück

Hoffmann befürchtet, dass die Bundesanwaltschaft zu ihrer alten Linie zurückkehren könnte. Sie hatte hinsichtlich André E.s Revision eingelegt – weil, hieß es im Gespräch mit MDR AKTUELL, das mündliche Urteil von ihrem Antrag abgewichen sei. Auch sie muss ihre Revision noch begründen.

Den Vorwurf, politisch zu arbeiten, wies ein Sprecher des Oberlandesgerichts München auf Nachfrage zurück. Der Senat habe den Sachverhalt umfassend und, wie es hieß, "ohne Ansehung der Person" geprüft.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 17. April 2020 | 05:00 Uhr

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