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HintergrundWie viel Abstand soll es sein? Das sind die Regeln für Windräder in den Ländern

11. Juni 2022, 05:00 Uhr

An Windkraftanlagen scheiden sich die Geister: Wer eine betreibt, kann damit gut Geld verdienen und die CO2-Bilanz des Landes verbessern, wer in der Nachbarschaft eines Windrades wohnt, ärgert sich über dessen Lärmpegel und den verstellten Blick auf die Landschaft. Wie viel Abstand muss sein? Über diese Frage wird derzeit in Thüringen gestritten, Sachsen hingegen hat sich vor Kurzem festgelegt.

von Dirk Reinhardt, MDR THÜRINGEN

Die Stromerzeugung aus Windkraft geht der rot-grün-gelben Bundesregierung nicht schnell genug voran. Am 8. Juni hat das von den Grünen geführte Bundesbauministerium Pläne vorgelegt, mit denen der Ausbau der Windenergie beschleunigt werden soll. Der Gesetzentwurf sieht vor allem verpflichtende Flächenziele sowie die Vermeidung einer "Verhinderungsplanung" durch die Länder und deren regionale Planungsgemeinschaften vor.

Bis zum Jahr 2026 sollen bundesweit 1,4 Prozent und bis 2032 zwei Prozent der Gesamtfläche des Landes für die Windenergie genutzt werden. Hierfür sollen die Länder Vorranggebiete festlegen. Dabei sieht der Bund für die einzelnen Länder unterschiedliche Ziele vor. Hier spielen offenbar die jeweilige Größe der Länder eine Rolle wie auch deren geografische Beschaffenheit. So darf Bayern als flächenmäßig größtes Bundesland die Vorgaben unterschreiten: 1,1 Prozent bis 2026 und 1,8 Prozent bis 2032. Für Niedersachsen, dem Windkraftland Nummer eins sind hingegen 1,7 und 2,2 Prozent als Ziele vorgesehen. Für Thüringen und Sachsen-Anhalt sehen die Pläne des Bundes ebenfalls hohe Zielmarken vor: 1,8 beziehungsweise 2,2 Prozent für jedes der beiden Länder. Für Sachsen sind 1,3 und 2,0 Prozent geplant.

Planer kämpfen mit widerstreitenden Interessen

Zuständig für die Ausweisung von Vorrangflächen, auf denen Windenergie-Anlagen gebaut werden dürfen, sind in der Regel die regionalen Planungsgemeinschaften in den einzelnen Bundesländern. Außerhalb dieser Flächen dürfen dann keine Windräder gebaut werden. Die Planungsgemeinschaften haben vielfach mit widerstreitenden Interessen von Investoren auf der einen und Kommunen, Anwohnern, Naturschützern oder Land- und Waldbesitzern auf der anderen Seite zu tun. Streitpunkt ist hier vor allem der Abstand von Windrädern zu Wohnsiedlungen oder auch Wäldern oder Naturschutzgebieten.

Das Baugesetzbuch erlaubt grundsätzlich den Bau von Windkraftanlagen außerhalb von Orten (Privilegierung in Paragraf 35). Es enthält jedoch eine sogenannte Länderöffnungsklausel. Diese ist im Paragraf 249 enthalten und besagt, dass die Bundesländer mit eigenen Gesetzen Mindestabstände von Windkraftanlagen zu Wohngebäuden festlegen dürfen. Ein solcher Mindestabstand darf jedoch höchstens 1.000 Meter betragen.

Streitpunkt Mindestabstandsregel

Sachsens Landtag hat am 1. Juni eine solche Mindestabstandsregel beschlossen, sie ist in der sächsischen Bauordnung verankert und schreibt den Mindestabstand von 1.000 Metern zu Wohngebäuden vor.

Der Abstand zwischen Windrädern und Wohngebieten ist vielerorts Streitthema. Bildrechte: IMAGO / Andreas Gora

In Thüringen wird über einen Gesetzentwurf der CDU diskutiert, der einen Abstand von 1.000 Metern zwischen Siedlungen und Windrädern für bestimmte Umstände regeln sollte. Hier ging es um den Spezialfall, dass Windvorranggebiete aufgehoben sind und deren steuernde Wirkung damit auch. Regelungen zum Repowering waren im Entwurf nicht vorgesehen. Der Entwurf sorgte dieser Tage für heftige politische Debatten - mit dem vorläufigen Ergebnis, dass der Landtag das Thema auf seine Juli-Sitzung verschoben hat. Seit 2016 gilt in Thüringen der "Erlass zur Planung von Vorranggebieten Windenergie" - eine Verwaltungsvorschrift für die regionalen Planungsgremien. Darin werden "harte" und "weiche" Tabuzonen beziehungsweise die Kriterien dafür genannt.

Harte Tabuzonen sind grundsätzlich für Windanlagen ausgeschlossen, hierzu zählen zum Beispiel Naturschutzgebiete, Naturparks, Nationalparks, Biosphärenreservate, auch Siedlungsbereiche mit Wohnnutzung sowie Gewerbe- und Industriegebiete. Weiche Tabuzonen müssen dagegen vom Planungsgremium beziehungsweise der Planungsbehörde im Einzelfall begründet werden. Der Erlass empfiehlt hier beispielsweise Abstände zwischen Wohnbauflächen und Windkraftanlagen - 750 Meter bei Anlagen bis zu 150 Metern Höhe, 1.000 Meter bei größeren Anlagen. Mit anderen Worten: Der Bau einer Windkraftanlage innerhalb eines Wohngebietes (harte Tabuzone) ist grundsätzlich verboten, außerhalb eines Wohngebietes sollte das Windrad mindestens 750 Meter vom Rand des Wohngebietes entfernt stehen. Im seit 2020 gültigen Regionalplan Ostthüringen sind als Konsequenz aus dieser Empfehlung 1.000 Meter als Mindestabstand vorgeschrieben, im seit 2018 gültigen Regionalplan Mittelthüringen sogar 1.250 Meter. In Nord- und Südwestthüringen gelten noch Regionalpläne von 2012, die 750 Meter als Mindestabstand vorschreiben. In beiden Planungsregionen sind neue Wind-Pläne in Arbeit, mit denen der Mindestabstand auf 1.000 Meter erhöht werden soll.

Sachsen-Anhalts Bauordnung schreibt vor, dass sich die Größe der Abstandsfläche aus der größten Höhe der Anlage bemisst. Diese wird errechnet aus der Höhe der Rotorachse zuzüglich Rotorradius. Eine Mindestabstandsregel wie Sachsen hat das Bundesland nicht.

Öffnungsklausel soll aufgeweicht werden

Die jüngsten Pläne des Bundes könnten die Ausnahmeregelung, wie sie in Sachsen beschlossen ist und in Thüringen diskutiert wird, aber ohnehin obsolet machen. Denn das Bundeswirtschaftsministerium will die Öffnungsklausel dahingehend verändern, dass Abstandsregelungen nur dann erlaubt sind, wenn das betreffende Bundesland seine Flächenvorgaben für die Windkraft erreicht. Und für Flächen, die bereits in Landes- oder regionalen Entwicklungsplänen als Windkraft-Vorrangflächen ausgewiesen sind, sollen nach dem Willen des Bundes keine Mindestabstandsregeln möglich sein. Damit soll verhindert werden, dass zwar Flächen für den Bau von Windrädern vorgesehen werden, wegen möglicher Mindestabstandsregeln aber dafür gar nicht genutzt werden können.

Wald ist in Sachsen-Anhalt und Thüringen für Windkraft tabu

Und wie sieht es im Wald aus - dürfen hier Windkraftanlagen errichtet werden? Die Waldgesetze von Sachsen-Anhalt und Thüringen schließen das ausdrücklich aus. Eine Umnutzung von Waldflächen zur Errichtung von Windenergieanlagen ist nicht zulässig, heißt es wortgleich in beiden Gesetzen. Sachsens Waldgesetz enthält eine solche explizite Festlegung nicht. Hier heißt es eher allgemein, dass eine Genehmigung zur Umnutzung von Wald zu untersagen ist, wenn die Erhaltung des Waldes überwiegend im öffentlichen Interesse ist.

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Reaktionen auf die Pläne des Bundes

Sachsen-Anhalts Umweltminister Armin Willingmann (SPD) hält die Pläne des Bundes für sein Bundesland für umsetzbar. Ob das Land das Flächenziel erreicht, werde aber auch davon abhängen, ob das sogenannte Repowering älterer Anlagen möglich sei, die außerhalb von Windkraft-Vorrangebieten stehen. Es könne nicht im Interesse von Bund und Land liegen, zunächst alte Anlagen außerhalb der Vorranggebiete abzubauen, um dann andernorts neue zu bauen. Repowering bedeutet, dass alte Windkraft-Anlagen durch neue, leistungsstärkere ersetzt werden.

Nach Einschätzung des Umweltministeriums in Sachsen würden die im Gesetzentwurf des Bundes formulierten Flächenziele für den Freistaat wegen der jüngst beschlossenen Mindestabstandsregel nicht erreicht. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verteidigt aber die Regel. Man habe damit "einen gesellschaftlichen Frieden erzeugt", so sein Argument.

Verhindern können die Länder etwa über den Bundesrat das geplante Gesetz des Bundes nicht, da es nicht zustimmungspflichtig ist. Das hindere den Bundesrat aber nicht daran, dazu Stellung zu nehmen, hieß es aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

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MDR (dr, dpa, AFP)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR aktuell | 08. Juni 2022 | 19:30 Uhr

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