Baumaterial, Klinkersteine verpackt auf Paletten
Die Bundesregierung will nachhaltigeres und klimafreundliches Bauen von Wohnungen vorantreiben. Bildrechte: IMAGO/Rupert Oberhäuser

Trotz Wohnungsnot und Inflation Bund will nachhaltiger und umweltfreundlicher bauen

20. Februar 2023, 21:25 Uhr

Gebäudebegrünung, Solarpanelen und recycelte Baurohstoffe: Die Bundesregierung will nachhaltigeres und klimafreundliches Bauen von Wohnungen vorantreiben. Eine Studie des Umweltbundesamtes soll dabei einen Leitfaden geben. Doch der akute Wohnraummangel in Deutschland und die Inflation könnten das Vorhaben bremsen. Auch die FDP kritisiert die Pläne des Koalitionspartners.

Torben Lehning
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Urbanisierung, Migration und der Trend zu Singlehaushalten sind nur drei Ursachen, für den akuten Wohnraummangel in Deutschland. Steigende Zinsen und die Inflation treiben gleichzeitig die Baukosten in die Höhe. Allen Widrigkeiten zum Trotz, dürften die Klimaziele beim Bau nicht unter die Räder kommen, fordert das Umweltbundesamt und stellt eine Studie vor, die Klima und umweltgerechtes Bauen skizzieren soll.

Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) fordern dem Wohnraummangel ökologisch zu begegnen. Bestandsschutz und Kreislaufwirtschaft sollen es richten.

Ziele beim Wohnungsbau verfehlt

Die Lage auf dem deutschen Wohnungsmarkt lässt sich wohl am besten mit dem Wort prekär beschreiben. Laut Deutschem Mieterbund fehlen aktuell 700.000 Wohnungen. Das ist der größte Wohnungsmangel seit 20 Jahren. Grund dafür sind nicht nur Migration und Flüchtlinge, sondern auch Wanderungsbewegungen innerhalb Deutschlands, der Trend der Urbanisierung, so wie die zunehmende Zahl von Ein-Personen-Haushalten.

400.000 Wohnungen wollte Bundesbauministerin Geywitz ursprünglich jährlich bauen. Mittlerweile geht die Ministerin davon aus, dieses Ziel erst 2024 oder 2025 zu erreichen. Im vergangenen Jahr wurde das Ziel jedenfalls krachend verfehlt. Am Ende wurden gerade einmal 290.000 neue Wohnungen fertiggestellt. Steigende Rohstoff- und Materialkosten, die Inflation und steigende Zinsen machten der Ampel-Koalition einen Strich durch die Rechnung.

Klimagerechtes und preiswertes Bauen muss kein Gegensatz sein

In der öffentlichen Debatte werden klimagerechtes Bauen und preiswertes Bauen oft als Gegensätze begriffen. Expertinnen und Experten begreifen diese Debatte als Gefahr. All den Widrigkeiten zum Trotz, dürfe die Bundesregierung jetzt nicht den Fehler begehen und lediglich auf günstiges und schnelles Bauen setzen, warnt der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner.

30 bis 35 Prozent der Treibhausgase würden durch die Baubranche entstehen. Die Kosten, die durch die Folgen des Klimawandels entstehen würden, gingen weit über das Maß der Kosten hinaus, die man jetzt in der Baubranche für klimagerechtes- und umweltgerechtes Bauen investieren müsse.

Auch Sanierung bestehender Gebäude enorm wichtig

Neben notwendigen Neubauten sei die Sanierung bestehender Gebäude enorm wichtig, so Messner weiter. Das müsse etwa mit Gebäudebegrünung und Solarpanelen und einer optimalen Wärmedämmung einhergehen. Die Baurohstoffe gelte es dabei so gut wie es gehe zu recyceln.

Dass solche Maßnahmen zu teuer sein könnten, sei Gegenstand der gegenwärtigen Debatte, jedoch überhaupt nicht zielführend, so Messner: "Wir haben während der Finanzkrise, während der Flüchtlingskrise, während der Pandemie, immer gute Gründe gefunden andere Dinge wichtig zu finden, als den Klimaschutz und die Zirkularität. Wir warnen davor wieder auf diesen Verschiebebahnhof zurückzukommen. Das wäre eine Bankrotterklärung für unsere Nachhaltigkeits- und Klimaziele."

Notwendigkeit für anpassungsfähige und klimaresiliente Städte

Unterstützung bekommt Messner von Umweltbundesministerin Steffi Lemke. Damit Städte mit den Veränderungen des Klimawandels klarkämen, müssten Städte der Zukunft mehr Wasser speichern können und grüner werden.

Die Grünen-Politikerin verweist darauf, dass immer noch täglich etwa 54 Hektar an Flächen neu versiegelt werden und damit als landwirtschaftliche Nutzfläche, bei der Biodiversität und als Wasserspeicher verlorengehen. Notwendig seien vielmehr anpassungsfähige und klimaresiliente Städte.

Darüber hinaus sollten gerade urbane Zentren mit enormen Zuzug nicht nur an den Stadträndern immer weiterwachsen. Vielmehr müsse es darum Bestandsbauten energieeffizient zu sanieren und innerstädtische Brachflächen für Neubauten zu nutzen. "Jedes Gebäude und jedes Bauteil, das weiter genutzt wird, muss nicht recycelt werden, es spart Baustoffe, Energiekosten, Abfall- und Deponieraum und dient damit dem Klimaschutz", erklärt Lemke.

Über 1,7 Millionen Wohnungen in Deutschland stehen leer

Tatsächlich könne man mit dichterer Bebauung im städtischen Bereich große Erfolge erzielen, meint der Leiter des Magdeburger Stadtplanungsamtes, Matthias Lerm. So könne man alleine in der Sachsen-Anhalter Landeshauptstadt den Wohnraum im bestehenden Stadtgebiet um ein Fünftel vergrößern. Dies habe nicht nur den Vorteil, dass man keine weiteren Flächen versiegeln müsse. Neuer Wohnraum im innerstädtischen Gebiet sei bereits an die bestehende Infrastruktur angeschlossen – davon könnten Bauplanung sowie Bewohnerinnen und Bewohner profitieren.

Bauministerin Klara Geywitz priorisiert darüber hinaus die Nachnutzung von leerstehendem Wohnraum. 1,7 Millionen Wohnungen in Deutschland stünden leer. Oft handele es sich dabei um städtische Randgebiete, die nicht gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln an den Stadtkern angebunden seien. Hier gäbe es Nachbesserungsbedarf, so Geywitz.

Auf Klimastandards zu verzichten sei schon auf kurze Sicht unrentabel und schade nachfolgenden Generationen. Es brauche eine Neuausrichtung, unter anderem bei der anstehenden kommunalen Wärmeplanung. Geywitz fordert: "Bauen und Klimaschutz müssen immer zusammen und sozial gedacht werden."

FDP warnt vor Überregulierung

Von der Verkehrspolitik bis zur Energiepolitik liegen die Vorstellungen und Ziele von SPD, Grünen und FDP zurzeit häufig weit auseinander. Auto- gegen Bahnverkehr, AKW-Betrieb gegen erneuerbare Energien, die ideologischen Grabenkämpfe der Koalitionäre scheinen die Bundesregierung in vielen Bereichen zu lähmen. In Sachen Baupolitik erklingen moderatere Töne. Die Koalitionspartner versuchen ein einigermaßen geeintes Bild abzugeben.

Die Ziele der Bundesministerinnen Geywitz und Lemke seien generell unterstützenswert, meint der baupolitische Sprecher der Liberalen, Daniel Föst. Es sei ein Fakt, dass die Klimaziele nie im Leben erreicht werden könnten, wenn der bestehende Wohnraum nicht ideal genutzt würde. Auch in puncto Beschleunigung von digitaler Bauplanung verfolge die Ampel eine geeinte Linie.

Fachkräftemangel und hohe Rohstoffpreise: Nachhaltiges Bauen zu ambitioniert?

Die zahlreichen Detailvorgaben im Baurecht sollten jedoch vereinfacht werden, fordert Föst. Beim nachhaltigen Bauen müsse zukünftig der CO2-Verbrauch anstelle des Energieverbrauchs im Mittelpunkt stehen. Wie genau ein Bauherr seine CO2-Bilanz reduziere, ob durch Wärmepumpen, Solarpanele oder Wärmedämmung, dass solle den Bauherren selbst überlassen werden. Dafür brauche man keine weiteren Vorschriften – viel wichtiger sei das klimafreundliche Resultat.

Miteinander und nicht gegeneinander – auch die Umweltministerin betont Gemeinsamkeiten. In Sachen Kreislaufwirtschaft und Recycling arbeite das Umweltbundesministerium eng mit der FDP zusammen, so Lemke. Nicht ganz ohne Augenzwinkern ergänzt Geywitz, dass sich Grüne und SPD gegen eine zusätzliche Besteuerung von Primärrohstoffen wie Kies, Sand und Naturgips im Baugewerbe stellen würden. "Da Frau Lemke und ich soeben eine weitere Steuer abgelehnt haben, dürfte da auch die FDP auf unserer Seite sein", so Geywitz.

Ob die Bundesregierung ihren eigenen Zielen beim Wohnungsbau in Stückzahl wie in klimafreundlicher Qualität hinterherkommt, dürfte am Ende auch maßgeblich daran hängen, wie sich Inflation und Rohstoffkosten entwickeln. Ein zusätzlich limitierender Faktor ist der Fachkräftemangel. Der wird sich auf absehbare Zeit nicht so schnell abmildern, egal ob innerstädtisch oder außerstädtisch, klimagerecht oder nicht gebaut wird.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 20. Februar 2023 | 16:45 Uhr

11 Kommentare

Dorfmensch am 21.02.2023

Obwohl es 1,7 Mio leerstehende Wohnungen gibt, will die AMPEL weiter in den großen Städten bauen. Stärkt doch erstmal die Vororte und den ländlichen Raum und erhaltet die leerstehenden Wohnungen. Alles andere ist doch verantwortungslos. Müssen alle Leute in die großen Städte ziehen, um dann über Hitze und teure Mieten beklagen? Nachhaltig geht m. E. anders.

Atze71 am 21.02.2023

Jeder der baut oder den Willen hat zu sanieren wird versuchen das Beste herauszuholen. Kaum jemand sind die Heiz- und Stromkosten egal. Alleine die statischen Vorgaben in Deutschland sorgen schon dafür das die Wände dick genug sind. Man hatte ja schon so tolle Ideen wie Niedrigenergiehäuser wo man dann eine Zwangslüftung einbauen musste um nicht zu ersticken oder dem Schimmel auf die Beine half. Regulierungswahn und Ökofaschismus in Reinstform. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Es sollen mir mal bitte die Grünenwähler erklären wie 2 Rentner oder Geringverdiener ihr "älteres" , vielleicht geerbtes, Häuschen sanieren sollen? Wenn ich hier im Forum Sprüche wie "Enteignung" höre dann frage ich mich ob diese Leute nicht mal zu den Männern in weißen Kitteln gehen sollten?

Lyn am 21.02.2023

Na, dann kaufen Sie doch ein altes Haus und versuchen Sie, es nach den Vorgaben zu sanieren.
Und dann werden Sie feststellen, dass das praktisch unmöglich ist, abreißen und neubauen ist theoretisch einfacher, und evtl. günstiger wenn praktisch nicht der Behördenweg wäre.
Und wenn Sie dann aufgrund der Vorgaben gescheitert sind, dann lassen Sie sich enteignen, wie Sie selbst es fordern.

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