Jahrelanger RechtsstreitRussische Antonov-Frachter in Leipzig/Halle beschlagnahmt
Weil die EU ihren Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt hat, sitzen schon seit einigen Wochen drei Antonov-Frachtflugzeuge vom Typ An-124 am Flughafen Leipzig/Halle fest. Doch auch wenn das Flugverbot aufgehoben werden sollte, werden die Maschinen zunächst wohl am Boden bleiben. Denn ein Gericht hat die Maschinen offenbar beschlagnahmt. Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen dem ukrainischen Flugzeugbauer Antonov und der russischen Luftaufsichtsbehörde.
- Der Streit zwischen dem ukrainischen Flugzeugbauer und der russischen Fluggesellschaft beschäftigt die Gerichte schon seit mehreren Jahren.
- Unklar ist, wie und vor allem wann die Antnonov-Frachter der Volga-Dnepr am Flughafen Leipzig/Halle beschlagnahmt worden sein sollen.
- Auch andere Flugzeuge der Volga-Dnepr-Gruppe müssen derzeit am Boden bleiben.
Nachdem die EU wegen des Krieges in der Ukraine ein Flugverbot für russische Flugzeuge erteilt hat, müssen auch am Flughafen Leipzig/Halle einige Maschinen am Boden bleiben. Betroffen sind die Frachtmaschinen vom Typ Antonov An-124 der Frachtairline Volga-Dnepr.
Neben dem EU-Flugverbot sollen die Maschinen nun aber auch gerichtlich beschlagnahmt worden sein. Das teilte die Anwaltskanzlei Ilyashev & Partners mit, die den ukrainischen Flugzeugbauer juristisch vertritt. Hintergrund sei ein Rechtsstreit zwischen Antonov und der russischen Luftaufsichtsbehörde. Im Kern geht es dabei darum, dass die russische Luftfahrtbehörde einem Unternehmen der Volga-Dnepr-Gruppe das Recht eingeräumt habe, Nachweise für die Flugtüchtigkeit der Frachtmaschinen, sogenannte airworthiness certificates, auszustellen.
Den Ukrainern zufolge dürfen diese Nachweise aber nur vom Hersteller selbst ausgestellt werden. Die Anwälte werfen Volga-Dnepr außerdem vor, sich bereits seit Jahren auf diese Weise selbst die Flugtüchtigkeit ihrer eigenen Maschinen bescheinigt zu haben. Das russische Vorgehen stelle nicht nur einen gravierenden Verstoß gegen international geltendes Recht dar, sondern gefährde auch den sicheren Betrieb der Flugzeuge.
Antonov habe daher am Gericht des Kiewer Verwaltungsbezirks Sviatoshynskyi Klage eingereicht. Daraufhin seien die An-124 der Volga-Dnepr zur Beweissicherung beschlagnahmt worden.
Volga-Dnepr: Russische Fluggesellschaft am Flughafen Leipzig/HalleVolga-Dnepr ist eine russische Frachtfluggesellschaft. Das Unternehmen ist Teil des russische Volga-Dnepr Konzerns, der am Flughafen Leipzig/Halle auch ein Wartungszentrum für die Großfrachter vom Typ An-124 betreibt. Die Fluggesellschaft ist auf Transporte von übergroßer Luftfracht spezialisiert. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und den darauf folgenden westlichen Sanktionen gegen Russland können die Flugzeuge der Airline derzeit fast nur noch Ziele in Russland anfliegen. Medienberichten zufolge steht das Unternehmen deshalb kurz vor der Insolvenz.
Jahrelanger Streit zwischen Russland und Ukraine
Neu sind diese Vorwürfe nicht. Schon 2019 berichtete das Fachmagazin "Air Cargo News" über den Streit zwischen dem Flugzeughersteller Antonov und dem Unternehmen Volga-Dnepr. Auch damals wurde den russischen Akteuren vorgeworfen, die An-124 ohne Genehmigung zu warten und unlizensierte Ersatzteile zu verbauen. Im Jahr zuvor stieg Volga-Dnepr wegen eines ähnlichen Streits bereits aus dem sogenannten SALIS-Abkommen (Strategic Airlift International Solution) aus. Im Rahmen von SALIS transportierten die An-124 von Volga Dnepr und Antonov Jahre lang Fracht im Auftrag mehrerer NATO- und EU-Nationen. Seit vier Jahren werden diese Flüge ausschließlich von den Ukrainern durchgeführt.
Unklarheit über tatsächliche Vollstreckung
Unklar ist aber, wie genau und seit wann die Flugzeuge beschlagnahmt worden sein sollen. Denn der Fall ist bei dem für Zwangsvollstreckungen am Flughafen Leipzig/Halle zuständigen Amtsgericht Eilenburg derzeit nicht bekannt. Gerichtsprecher Ruben Franzen erklärte MDR SACHSEN-ANHALT, dass die Geschäftsstelle des Gerichts keine Kenntnis über ein solches Verfahren habe. Das bedeute aber nur, dass von Seiten der Volga-Dnepr bislang kein Widerspruch gegen die mögliche Beschlagnahmung eingegangen ist. Aufklärung in den Fall könnte noch die für den Flughafen zuständige Gerichtsvollzieherin geben. Die ist dem Gerichtssprecher zufolge aber derzeit erkrankt und nicht im Dienst.
Auch der Flughafen Leipzig/Halle hat bislang noch keine Kenntnis über die Einzelheiten des Falls. Ein Flughafensprecher erklärte jedoch, dass die russischen Antonovs wegen des EU-Flugverbots den Flughafen in absehbarer Zeit ohnehin nicht verlassen könnten.
Auf Nachfragen von MDR SACHSEN-ANHALT war zunächst weder der Flugzeugbauer Antonov noch die russische Frachtfluglinie Volga-Dnepr bereit, den Fall zu kommentieren.
Weitere Maschine in Kanada beschlagnahmt
Neben den drei in Leipzig/Halle geparkten Maschinen ist dem Fachportal "aerotelegraph" zufolge auch eine in Kanada gestrandete Antonov von einer Beschlagnahmung betroffen. Die acht anderen An-124 der Volga-Dnepr befinden sich dem Flugverfolgungsportal Flightradar24 zufolge derzeit in Russland. Sollten sie das Land verlassen, droht diesen Flugzeugen möglicherweise auch eine Beschlagnahmung. Denn die Anwälte von Antonov haben bereits angekündigt, diese Maschinen in anderen Ländern an die Kette legen zu wollen.
Von dem EU-Flugverbot sind darüber hinaus auch andere Maschinen der Volga-Dnepr-Gruppe betroffen. So musste beispielsweise der DHL-Partner Air Bridge Cargo seine Flüge von und nach Leipzig/Halle bereits einstellen. Auch die deutsche Frachtfluggesellschaft Cargologic Germany, die ihren Sitz am Flughafen Leipzig/Halle hat, muss seit dem 11. März am Boden bleiben. Hintergrund hier ist die russische Staatsbürgerschaft des Cargologic-Mehrheitseigners und Oligarchen Alexey Isaikin, der auch Gesellschafter der Volga-Dnepr-Gruppe ist.
MDR (Thomas Tasler)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. April 2022 | 15:30 Uhr
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