Waffenlieferungen an die Ukraine Panzer, Granaten und AdBlue: Was Deutschland bisher an die ukrainische Armee geliefert hat

29. März 2023, 19:51 Uhr

Deutschland hat seine Kampfpanzer-Lieferung an die Ukraine in die Tat umgesetzt. Vor einigen Tagen seien 18 Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine übergeben worden, teilte Verteidigungsminister Boris Pistorius mit. Gleiches gelte für 40 Marder-Schützenpanzer. Bislang hat Deutschland Waffen, Munition und Ausrüstung im Wert von über zwei Milliarden Euro an die Ukraine geliefert. Bei der Abwicklung der Transporte spielt das Logistikkommando der Bundeswehr in Erfurt eine zentrale Rolle.

"Heute sind die 18 Leopard 2 inklusive Munitions- und Ersatzteilpaketen sowie zwei Bergepanzer Büffel mit ihren in Deutschland ausgebildeten Besatzungen bei der Truppe in der Ukraine angekommen."

Panzerlieferung nach langem Zögern

Die Mitteilung von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vom 27. März klingt fast ein wenig euphorisch. Lange hatte es bis zu diesem Moment gedauert. Monatelang hatte die Bundesregierung gezögert, bis sie den Forderungen aus der Ukraine nach Leopard-Kampfpanzern nachgegeben hatte. Immer wieder hatte Bundeskanzler Olaf Scholz auf eine Paketlösung der Nato gedrängt. Die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, der seit einem Jahr gegen die russischen Aggressoren in ihrem Land kämpfenden ukrainischen Armee Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung zu stellen, gab dann den letzten Impuls für die deutsche Seite. Im Januar kündigte der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an, dass Deutschland aus Bundeswehr-Beständen 14 Leopard-Kampfpanzer der Version A6 liefern werde. Einige Wochen später stockte die Bundesregierung das Paket um weitere vier A6 auf.

Leopards aus Augustdorf

Die rund 70 Tonnen schweren Kampfpanzer, die mit ihrer 120-Millimeter-Kanone Ziele in bis zu 5.000 Metern Entfernung bekämpfen können, stammen aus dem Bestand des Bundeswehr-Panzerbataillons 203 im nordrein-westfälischen Augustdorf. Fotos, die das Bundesverteidigungsministerium zu seiner Pressemitteilung vom 27. März an Journalisten verschickt hat, zeigen die Panzer bei der Verladung irgendwo in Deutschland - vermutlich in Augustdorf. Sie sind augenscheinlich für die Auslieferung noch einmal aufgefrischt worden, auf den Ketten sind neue Polster aus Gummi zu sehen, die deutschen Hoheitsabzeichen und Kennzeichen sind entfernt.

Übergabe "irgendwo in Polen"

Auf welchem Weg die Panzer in die Ukraine gelangt sind, wollen Verteidigungsministerium und Bundeswehr nicht mitteilen. Auch das Logistikkommando der Bundeswehr in Erfurt hält sich dazu bedeckt und verweist an das Ministerium. General Gerald Funke, Chef des Logistikkommandos hatte Anfang März gegenüber Journalisten die zentrale Rolle seines Kommandos bei der Abwicklung von Materialtransporten für die Ukraine bestätigt. Das gelte auch für die Panzerlieferung.

Wo die Panzer an die ukrainische Armee übergeben werden, darüber hüllt man sich offiziell in Schweigen. Die Zeitung "Die Welt" nannte am 21. März das polnische Städtchen Rzeszow in der Nähe der Grenze zur Ukraine als zentralen Übergabeort von Waffen und Material aus dem Westen an die Ukraine. Hier würden "fast alle" westlichen Waffenlieferungen abgewickelt, heißt es in dem Bericht.

Logistikgeneral Funke räumt lediglich ein, der Übergabeort befinde sich "irgendwo in Polen". Wo genau, wolle er nicht sagen, "weil es auch möglicherweise von russischer Seite ein Interesse gibt, dass die Panzer nicht ankommen".

40 Marder-Schützenpanzer

Die 18 Leopard-Panzer haben ihren Empfänger jedenfalls erreicht. Das gilt auch für 40 Marder-Schützenpanzer. Woher die Marder stammen - ob aus Bundeswehr-Beständen oder aus der Industrie - ist nicht ganz klar. Nach Recherchen von MDR THÜRINGEN ist eine mögliche Variante, dass die Bundeswehr ältere Modelle aus ihren Beständen beim Hersteller gegen modernisierte Marder eingetauscht hat. Dabei handelt es sich um Panzer, die eine "Nutzdauerverlängerung" (Bundeswehr-Abkürzung: NDV) erhalten haben, also mit neuen Komponenten wie etwa neuen Triebwerken und dem Panzerabwehrsystem "Mells" ausgestattet worden sind. Unter anderem hat das Panzergrenadierbataillon 371 im sächsischen Marienberg solche modernisierten Panzer erhalten. Im Gegenzug könnten die von der Bundeswehr abgegebenen älteren Fahrzeuge dann vom Hersteller an die Ukraine abgegeben worden sein.

Aus 5.000 Helmen wurden 28.000

Ob die Marder-Abgabe nach diesem Modell gelaufen ist, darüber hüllen sich die Beteiligten in Schweigen. Immerhin: Einen Überblick über die bisherigen und geplanten Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine bietet das Verteidigungsministerium auf seiner Website an. Dort findet sich eine Liste mit dem Material, das schon geliefert oder zugesagt ist. Der Liste ist unter anderem zu entnehmen, dass aus den anfänglichen 5.000 Helmen, deren Lieferung die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im vergangenen Jahr kurz nach dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine für die Verteidiger dort angekündigt hatte (und dafür einigen Spott erntete), mittlerweile 28.000 Gefechtshelme geworden sind.

Viel Munition und schweres Gerät

Die Liste zeigt (Stand: 24. März), dass Deutschland mittlerweile einiges an schwerem Kriegsgerät und dazu noch viel Munition, auch Ausrüstung wie Zelte, Sanitätsmaterial, Ersatzteile für Flugzeuge und Kampfhubschrauber und vieles mehr ins Kriegsgebiet geliefert hat.

Vieles davon stammt aus Industriebeständen, wie beispielsweise 34 Luftabwehrpanzer des Typs "Gepard". Bei der Bundeswehr wurden diese Panzer schon vor Jahren ausgemustert. Hersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) nahm sie zurück und lagerte sie ein - unter anderem in Lagerhallen seines Tochterunternehmens Battle Tank Dismantling GmbH in Wallhausen in Sachsen-Anhalt.

Bezahlt von der Bundesregierung, machte KMW die "Gepards" in seinem Instandsetzungswerk im thüringischen Kölleda und an anderen Standorten wieder fahrtüchtig und lieferte sie nach Schleswig-Holstein, wo sie ihren neuen ukrainischen Besatzungen zum Training auf einem Bundeswehr-Übungsplatz übergeben wurden. Nach Informationen von MDR THÜRINGEN fand auch ein Teil der Ausbildung ukrainischer "Gepard"-Besatzungen in Thüringen statt. Das Unternehmen wollte dies auf Anfrage nicht bestätigen.

Haubitzen und Brückenlegepanzer

Ebenfalls schon seit Monaten sind Panzerhaubitzen 2000 bei der ukrainischen Armee auf dem Kriegsschauplatz im Einsatz. Dabei handelt es sich um selbstfahrende Artilleriegeschütze mit einem Kaliber von 155 Millimetern, die auf Leopard-Panzer-Fahrgestellen montiert sind. Bislang wurden 14 solcher Haubitzen aus Beständen der Bundeswehr und der niederländischen Armee an die Ukraine übergeben. Aus Industriebeständen sollen zudem 18 Radhaubitzen des Typs RCH 155 für die ukrainische Artillerie hinzukommen.

Neben den Kampfpanzern finden sich auf der Liste auch Brückenlegepanzer des Typs "Biber", mit denen das Überqueren von Gewässern und Gräben ermöglicht werden kann - also ein Panzertyp, der sowohl defensiv als auch offensiv eingesetzt werden kann. Bislang sind laut Ministerium sechs der 16 zugesagten "Biber" in die Ukraine gegangen. Die Liste enthält außerdem 15 Bergepanzer aus Industriebeständen, mit denen Panzer oder andere schwere Fahrzeuge vom Gefechtsfeld geschleppt werden können.

Außerdem hat die ukrainische Luftabwehr aus Deutschland bislang fünf Mehrfachraketenwerfer des Typs Mars II sowie ein Luftverteidigungssystem "Iris T SLM" erhalten.

Auch reichlich Munition wurde aus Deutschland in den vergangenen Monaten in die Ukraine geliefert. Die Liste des Verteidigungsministeriums nennt unter anderem 22 Millionen Patronen für Handfeuerwaffen (Gewehre, Pistolen), rund 60.000 Patronen für die "Gepard"-Panzer, 18.500 Artilleriegranaten für die Panzerhaubitzen und 100.000 Handgranaten, außerdem Granaten für kleinere Granatwerfer, Panzerfäuste sowie 14.900 Panzerabwehr-Minen.

Vom Gabelstapler bis zur Ein-Mann-Essensration

Neben Waffen und Munition hat Deutschland auch allerlei "Gebrauchsgüter" geliefert wie Lastkraftwagen, Stromerzeuger, Gabelstapler, Erste-Hilfe-Kits, Tarnnetze, Zelte, Feldheizgeräte, Schlafsäcke, Bekleidung und vieles mehr. Und auch selbst Essen ging an die ukrainische Armee: 405.000 EPa-Rationen. Das sind Kartons, die unter anderem Fertiggerichte, Brotaufstrich und Kaffeepulver enthalten und für die Notversorgung der Soldaten im Gefecht gedacht sind - wenn gerade keine Feldküche in der Nähe ist.

Der Wert der Waffen- und Materiallieferungen aus Deutschland an die Ukraine beläuft sich laut Verteidigungsministerium auf rund 2,7 Milliarden Euro. Diese Summe bezieht sich allerdings nur auf ausfuhrgenehmigungspflichtige Dinge wie Waffen. Der tatsächliche Wert der Lieferungen dürfte also noch um einiges höher sein.

Ohne AdBlue springt der Diesel nicht an

Wohl nicht genehmigungspflichtig ist die Lieferung von AdBlue - einem aus Harnstoff und Wasser bestehenden Zusatz zum Kraftstoff, den Dieselfahrzeuge von westlichen Herstellern benötigen, um die EU-Grenzwerte für den Schadstoff-Ausstoß einzuhalten. Dass diese Lieferung aus Umweltschutzgründen erfolgte, dürfte bezweifelt werden. Jeder Dieselauto-Besitzer weiß: Ohne AdBlue im Tank springt die Kiste nicht an. Die Ukrainer brauchen den Stoff also, um ihre Lkws und Jeeps aus dem Westen auch benutzen zu können.

MDR AKTUELL (dr)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 29. März 2023 | 16:00 Uhr

Mehr aus Deutschland