Bundestagswahl 2021 Christian Lindner – der Kanzlermacher

13. September 2021, 14:07 Uhr

Nur mit einem oder – wahrscheinlicher – mit zwei Koalitionspartnern wird es für Armin Laschet, Olaf Scholz oder Annalena Baerbock möglich sein, ins Kanzleramt einzuziehen. Wie schwierig ein solches Unterfangen ist und wie schnell es scheitern kann, haben nach der Wahl 2017 die Gespräche zwischen Union, FDP und Grünen gezeigt. Einer der Protagonisten damals: FDP-Chef Christian Lindner.

Tim Herden
Bildrechte: ARD Hauptstadtstudio, Steffen Jänicke

Vor vier Jahren schockierte Christian Lindner die deutsche Öffentlichkeit durch den Rückzug aus den Koalitionsverhandlungen mit Union und Grünen. "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren", verkündete er damals und verkalkulierte sich. Das sogenannte Jamaika-Bündnis war zwar gescheitert, aber die Union tat ihm nicht den Gefallen, Angela Merkel abzuräumen, um dann noch einen zweiten Anlauf zu versuchen. Der FDP tat das nicht gut – auch, weil Lindner diesen Ausstieg der Öffentlichkeit nie richtig erklären konnte. Aber die Partei hielt an ihrem Vorsitzenden fest. Damals mangels Alternative. Nun ist er wieder Spitzenkandidat.

Steckbrief Christian Lindner

  • Geboren: 07.01.1979 in Wuppertal
  • 1995 Eintritt in die FDP
  • Abitur in Wermelskirchen; bereits als Schüler in der Unternehmensberatung tätig; später Mitgründer eines Internetunternehmens, das 2001 insolvent ging
  • 1999 – 2006: Studium Politikwissenschaft, Staatsrecht und Philosophie mit Magister-Abschluss in Bonn
  • 2000: jüngster Abgeordneter in der Geschichte des Landtags in Nordrhein-Westfalen
  • 2004 – 2010: FDP-Generalsekretär in Nordrhein-Westfalen
  • 2009 – 2011: Generalsekretär der Bundes-FDP
  • 2012 – 2017: FDP-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen
  • seit 2013: FDP-Bundesvorsitzender
  • seit 2017: FDP-Fraktionsvorsitzender im Bundestag


Christian Lindner in Sozialen Netzwerken: Twitter | Facebook

Konstruktive Oppositionspolitik in der Corona-Krise

Für die Bundestagswahl 2021 heißt nun Lindners Devise, auf alle Fälle zu regieren – mit der Union. Dafür allein reicht es zwar in den Umfragen noch nicht, aber es ist noch Zeit bis zur Wahl. Nicht nur durch die Selbstdemontage der Grünen durch die Fehltritte ihrer Kanzlerkandidatin rückt Lindner immer mehr in die Rolle des zukünftigen Kanzlermachers.

Die Liberalen wurden unter Lindner wieder die bürgerlich-liberale Alternative zur Union der "Mitte", aber auch – mit Blick nach rechts – zur AfD. Dabei spielte ihnen die Corona-Krise in die Hände. Statt auf Fundamentalopposition zu schalten wie die AfD, machte Lindner eine kluge Oppositionspolitik. Er trug zum einen viele Schutzmaßnahmen der Regierung durchaus mit, zum anderen gewann die FDP in der anhaltenden Krise an Ansehen und Zuspruch durch konstruktive Vorschläge gegen den verordneten Total-Lockdown der Kanzlerin. So steht die FDP jetzt in den Umfragen zwischen 10 und 12 Prozent.

Lindners Gegner ist er selbst

Lindners Handicap ist eigentlich nur er selbst. So selbstherrlich er nach der Wahl 2017 aus den Koalitionsgesprächen ausstieg, so ließ er in der Kemmerich-Krise zunächst das richtige politische Gespür vermissen. Die Wahl des FDP-Mannes im Thüringer Landtag mit den Stimmen der AfD bestätigte zu sehr das Bild der machtgierigen Liberalen. Hauptsache regieren. Die Partei musste ihren Chef einholen und ihn zwingen, Kemmerich fallen zu lassen und zum Rücktritt zu zwingen.

Auch im Bundestagswahlkampf muss Christian Lindner aufpassen, nicht zu überziehen. Er redet gern ironisch über die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz, denn so weit ist die FDP in den Umfragen nicht von der SPD entfernt. Gleichzeitig möchte er nicht mit den anderen Oppositionsparteien ohne explizite Kanzlerkandidaten, also Linke und AfD, gleichbehandelt werden. Nur: Erst die Wählerinnen und Wähler fallen im September das Urteil über Lindners zukünftige Rolle.

Partei setzt auf jüngere Politiker, Wahlprogramm auf Traditionelles

Lindner hat in den vergangenen Jahren das Gesicht der Partei in der Öffentlichkeit deutlich verjüngt. Sie wirkt damit auch moderner und möglicherweise für jüngere Wählerschichten auch interessanter. Er bot Nachwuchstalenten wie Konstantin Kuhle, Florian Toncar und Johannes Vogel Raum, sich zu profilieren. Stärker als zu den Zeiten von Rainer Brüderle und Philipp Rösler bekamen Fachpolitiker wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf dem Gebiet der Verteidigung oder Alexander Graf Lambsdorff in der Außenpolitik Raum zur Profilierung. Beim Umgang mit Generalsekretärin Linda Teuteberg ließ er es allerdings an Feingefühl vermissen. Sie war sicher nicht besonders erfolgreich, weil der Wähler den Ausstieg aus den Jamaika-Gesprächen mit Vertrauensentzug bestrafte. Aber ihre Absetzung durch Lindner hatte schon etwas von einem alten Parteipatriarchen.

Programmatisch lässt Lindner einen modernen Ansatz vermissen. Da steht im Wahlprogramm wieder die alte Kamelle von den Steuersenkungen bei einer Rekordverschuldung durch die Corona-Pandemie. Beim Klimaschutz bleibt vieles vage und der Bedeutung des Themas nicht angemessen. Die Infrastruktur soll moderner, das Bildungswesen wieder besser und endlich der Rückstand bei der Digitalisierung aufgeholt werden. Aber es fehlt die Erklärung, wie man alles bezahlen möchte.

Nur mit Lindner kann Laschet Kanzler werden

Damit passt Christian Lindner aber zum Wunschpartner Union und ihrem Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Da es für Schwarz-Gelb wohl nicht reicht, scheint Lindner doch eher zu den Grünen als Dritten im Bunde zu tendieren. In einem derartigen Bündnis könnte er die FDP gerade in der Klimaschutzpolitik als eine Stimme der Vernunft inszenieren. Vielleicht ginge auch ein Bündnis mit Union und SPD. Aber besonders die Sozialdemokraten könnten sich durch ihre innerparteilichen Zwistigkeiten als unsicherer Kantonist erweisen. Auf alle Fälle kann sich Lindner gewiss sein, dass es ohne ihn keinen Kanzler Laschet geben wird. Das ist sein Trumpf im Spiel.

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