EZB in Frankfurt/Main.
Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins überraschend deutlich auf 0,5 Prozent angehoben. Bildrechte: IMAGO

Leitzinserhöhung der EZB Was die Zinswende für Sparer und Häuslebauer bedeutet

22. Juli 2022, 09:57 Uhr

Die Inflationsrate liegt aktuell bei acht Prozent und ist so hoch wie noch nie. Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins am Donnerstag auf 0,5 Prozent angehoben. Für die Baubranche, den Arbeitsmarkt und Menschen, die einen Kredit aufnehmen wollen, haben hohe Leitzinsen allerdings negative Auswirkungen.

Nehmen wir als Beispiel Familie Schmidt: Sie will ein Haus kaufen. Dafür braucht sie einen Kredit und für den muss sie Zinsen zahlen. Die sind in der Regel höher, wenn auch die Leitzinsen höher sind – also wird es teurer für Familie Schmidt. Die Europäische Zentralbank will damit aber gegen die hohe Inflation vorgehen.

Hendrik Buhrs ist Experte bei der Zeitschrift Finanztip und rechnet damit, dass die Leitzinsen von 0 auf 0,25 Prozent steigen: "Ich glaube nicht, dass es einen geringeren Schritt gibt, weil dieses Viertel-Prozentpunkt eigentlich schon das Minimum ist, was man für einen sanften Einstieg in die Zinswende, wie die EZB es vorhat, auch gebrauchen kann. Andere Zentralbanken, die natürlich auch andere Rahmenbedingungen haben wie in den USA oder die britische Zentralbank, sind ein bisschen forscher zu Werk gegangen." Die EZB ziehe jetzt Schritt für Schritt nach.

Auswirkungen auf die Baubranche

Folgen hat das vor allem für die Baubranche. Burkhard Siebert ist Geschäftsführer beim Bauindustrieverband Hessen-Thüringen und sagt: Ein deutliches Anheben der Leitzinsen sei wichtig, um die Inflation einzudämmen. Wirtschaftlich tue es seiner Branche aber weh: "Es gibt Privatinvestoren, die Abstand nehmen von ihren Bauvorhaben. Familien, die sich selbst ein Einfamilienhaus bauen wollten, nehmen von ihrem Bauvorhaben Abstand, weil zum einen die Zinsbelastung stärker wird und die Materialpreise infolge des Ukraine-Krieges deutlich gestiegen sind. Deshalb ist das Bauen einfach teurer geworden und da reden wir von Mehrkosten in der Höhe von 20 bis 30 Prozent."

Marco Langhof ist ähnlicher Meinung. Er ist Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt und meint: Es sei wichtig, die Leitzinsen deutlich zu erhöhen – aber natürlich zeige sich das auch auf dem Arbeitsmarkt: "Die Preissteigerung führt dazu, dass sich die Leute von ihrem sauer verdienten Geld weniger kaufen können und sagen: Mit dem Geld komme ich nicht mehr aus. Ergo gibt es Verhandlungen und natürlich versuchen die Arbeitgeber auch ihren Arbeitnehmern genug Geld zu zahlen, damit die mit ihrem Leben klarkommen. Natürlich ist auch die Frage: Muss die Inflation mit Lohnerhöhungen nachgeführt werden?"

Aber auch mit mehr Lohn bleibt die Frage: Wie in der nächsten Zeit reagieren? Unterm Strich, sagt Andreas Behn von der Verbraucherzentrale Thüringen: Ein Anheben der Leitzinsen ist gut für Sparer, aber schlecht für Leute, die einen Kredit aufnehmen wollen. Einen Tipp hat er für Menschen mit einem Dispokredit – die also ihr Konto kurzfristig zu einem festen Betrag überziehen: "Die sollten überlegen, ob sie den Dispokredit tatsächlich in Anspruch nehmen müssen oder sich vielleicht durch günstigere Konsumentenkredite Geld besorgen können. Oder diesen teureren Dispokredit in irgendeiner Weise ablösen."

Heißt: Statt das Konto zu überziehen, lieber einen Konsumentenkredit aufnehmen. Der ist – wie der Name schon sagt – für Konsumgüter gedacht, also wenn man ein neues Auto kaufen will. Da könnte es dem Geldbeutel aber in Zukunft wieder wehtun: an der Zapfsäule beim Tanken.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 21. Juli 2022 | 06:00 Uhr

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