Globus mit kleinen Figuren
3,8 Millionen Deutsche arbeiten derzeit im Ausland. Am beliebtesten sind dabei Stellen in Österreich und der Schweiz. Bildrechte: imago images/Westend61

Schweiz und Österreich beliebteste Ziele Hunderttausende deutsche Fachkräfte wandern aus – kommen aber auch wieder

19. Dezember 2022, 16:08 Uhr

Knapp eine Viertelmillion Deutsche sind allein 2021 ausgewandert. Der größte Anteil davon sind Männer und Frauen im arbeitsfähigen Alter. Auch die drei mitteldeutschen Länder Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben Menschen ans Ausland verloren. Jedoch waren das mit Blick auf die süddeutschen Bundesländern und den Stadtstaaten vergleichsmäßig wenig.

Abwanderung von der Politik nur selten diskutiert

Zum Thema "Migration" drehen sich die politischen Debatten hierzulande derzeit hauptsächlich um die Einwanderung nach Deutschland. Die Abwanderung steht nur selten im Fokus. Dabei ist sie ein wichtiger Bestandteil der deutschen Migrationsbewegungen.

Deutschland weist eine international vergleichsweise mobile Bevölkerung auf. In der OECD, einem Zusammenschluss der 38 führenden Industrienationen weltweit, leben außerhalb Deutschlands 3,8 Millionen Deutsche. Mit einer Auswanderungsrate von 5,1 Prozent liegt Deutschland auf Platz drei im internationalen Vergleich. Nur Briten und Polen sind noch williger, ihre Heimat zu verlassen.

Mehrheit der Auswanderer sind Akademiker

Aber wer sind die Menschen, die Deutschland verlassen? In der Mehrheit gehen hoch qualifizierte Fachkräfte: Fast drei Viertel von ihnen haben ein Studium abgeschlossen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB).

Finanzielle Vorteile liegen bei den Gründen für eine Abwanderung klar auf Platz eins. So hat eine Befragung aus dem Jahr 2019 ergeben, dass der Netto-Jahreslohn im ersten Auslandsjahr um durchschnittlich 1.186 Euro deutlich angestiegen ist.

Burj Khalifa von oben 22 min
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Ostdeutsche wenig auswanderungswillig

Bevorzugte Auswandererziele der Deutschen sind  nach Zahlen des Statistischen Bundesamts die Schweiz und Österreich. Länder also, in denen die Sprachbarriere für deutsche Arbeitskräfte niedrig ist und die kulturellen Unterschiede gering sind. Außerdem handelt es sich um direkte Nachbarländer Deutschlands.

"Nahezu alle deutschen Bundesländer haben Wanderungsverluste, mit Ausnahme von Niedersachsen. Relativ hoch sind die deutschen Verluste in Bayern und Baden-Württemberg, was mit der Nähe zu Österreich und der Schweiz zusammenhängt", erklärt Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. "Am höchsten sind sie in den Stadtstaaten, was mit der Sozialstruktur zusammenhängen wird. Gering sind sie in den ostdeutschen Flächenländern", erklärt er weiter. Das dürfte auch an den Nachbarländern Polen und Tschechien liegen, die für die meisten Auswanderer als nicht attraktiv gelten.

Wanderungsstatistik bei deutschen Staatsbürgern 2021 – nach Bundesländern
Bundesland Auswanderer Rückkehrer Saldo
Baden-Württemberg 36872 25277 -11595
Bayern 37676 23574 -14102
Berlin 16321 12341 -3980
Brandenburg 5625 4694 -931
Bremen 3467 2120 -1347
Hamburg 7472 5395 -2077
Hessen 20304 14264 -6040
Mecklenburg-Vorpommern 2970 2554 -416
Niedersachsen 19114 21479 +2365
Nordrhein-Westfalen 57088 40111 -16977
Rheinland-Pfalz 12612 9666 -2946
Saarland 3296 2618 -678
Sachsen 8122 6616 -1506
Sachsen-Anhalt 4715 3879 -836
Schleswig-Holstein 8102 5747 -2355
Thüringen 4073 3315 -758
      © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022
Karl Brenke, Wissenschaftlicher Referent im DIW
Karl Brenke ist wissenschaftlicher Referent im DIW Bildrechte: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.

Relativ hoch sind die deutschen Verluste in Bayern und Baden-Württemberg, was mit der Nähe zu Österreich und der Schweiz zusammenhängt. Gering sind sie in den ostdeutschen Flächenländern.

Karl Brenke, wissenschaftlicher Referent beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)-

Viele kehren zurück: Kein "German Brain Drain" zu befürchten

Von einem "German Brain Drain", also einem Verlust einer sehr großen Überzahl von gebildeten deutschen Fachkräften im Vergleich zur Zuwanderung, kann man aber nicht sprechen. Denn viele Deutsche verabschieden sich nicht für immer von ihrer Heimat.

Das Wanderungsgeschehen unterscheide sich grundlegend von dem vor 100 Jahren. "Damals haben die meist jungen Leute ihre Koffer gepackt, fuhren über den Atlantik und kamen kaum mehr zurück", sagt Karl Brenke der MDR Wirtschaftsredaktion. "Viele junge Leute studieren heute im Ausland und kommen dann wieder. Oder Arbeitskräfte suchen sich im Ausland einen Job – auch um nach einiger Zeit zurückzukommen", fügt er hinzu.

Der Fachbegriff für die derzeitigen Migrationsbewegungen lautet daher "temporäre oder zirkuläre Wanderungen". Den fast 250.000 Weggezogenen, zu denen auch Kinder, Rentner und Saisonauswanderer (etwa Skilehrer im Winter, Surfing-Lehrer im Sommer) gehören, stehen immerhin über 180.000 deutsche Zurückkehrer gegenüber.

Wanderungsstatistik bei deutschen Staatsbürgern 2021 – nach Altersklassen
Alter Auswanderer Rückkehrer Saldo
0-19 42912 35291 -7621
20-30 59644 42474 -17170
30-40 57691 43203 -14488
40-50 33897 26176 -7721
50-60 25966 20228 -5738
über 60 27719 16278 -11441
Insgesamt 247829 183650 -64179
      © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 10. Oktober 2022 | 10:00 Uhr

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