Berufsstart Ausbildung gesucht: Berufe mit höchsten Einkommen und besten Jobchancen

28. Juni 2022, 07:40 Uhr

Wo können junge Fachkräfte am meisten verdienen? Welche Top-Jobs sind begehrt und wo gibt es viele offene Stellen? Welche "grünen" Berufe schützen Klima und Umwelt?

Job-Ranking: Wo gibt es die höchsten Gehälter?

Junge Erwachsene sind oft überrascht von den guten Verdienstchancen in einigen Ausbildungsberufen. Denn die Berufe, in denen man die höchsten Gehälter kassieren kann, sind nicht unbedingt die bekanntesten.

“Der Metall- und Elektrobereich ist besonders lukrativ, aber auch Berufe in der Chemie- und Pharmaindustrie." Helen Hickmann analysiert die aktuellsten Entgeltdaten für das Institut der deutschen Wirtschaft. "Auch Handwerksberufe bieten sehr gute Verdienstmöglichkeiten, zum Beispiel im Bauhandwerk. Hier kommt es natürlich darauf an, was regional besonders gefragt ist."

Ein Grund für überdurchschnittliche Gehälter sind massive Personalnöte in der jeweiligen Branche. So verzeichnet der Beruf mit dem höchsten Gehalt seit Jahren einen deutlichen Engpass: die "Technische Produktionsplanung und -steuerung". Unter den lukrativsten Top-10-Berufen finden sich aber auch solche, bei denen keine Fachkräftelücke besteht, wie in der Energie- und Kraftwerkstechnik oder in der Hüttentechnik.

Mehr als 4.000 Euro brutto im Monat können junge Fachkräfte in der Luft- und Raumfahrttechnik, im Versicherungs- und Finanzdienstwesen, sowie im Brandschutz einstreichen. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Bruttogehalt Berufstätiger unter 30 liegt bei 2.900 Euro im Monat.

Der Metall- und Elektrobereich ist besonders lukrativ, aber auch Berufe in der Chemie- und Pharmaindustrie.

Helen Hickmann, Institut der deutschen Wirtschaft

Berufswahl mit Kopf und Herz

Doch wonach wählen unter 30-Jährige ihren künftigen Job aus? Folgen sie ihrer Berufung oder geht's ums große Geld? Die Gründe, sich für einen Beruf zu entscheiden, sind so vielfältig, wie die jungen Menschen selbst. "Jugendliche suchen einen Beruf, in dem sie ihre eigenen Interessen ausleben können. Das, was sie ganz persönlich interessiert, ist ihnen auf jeden Fall wichtiger als nur das Gehalt", beschreibt Helen Hickmann vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die Motivation junger Fachkräfte. "Viele Umfragen zeigen auch, dass Jugendliche Wert auf gute Arbeitsmarkperspektiven legen. Zum Beispiel wie gut die Chancen für eine spätere Anstellung nach der Ausbildung stehen. Sie suchen eine gewisse Sicherheit."

Jugendliche suchen einen Beruf, in dem sie ihre eigenen Interessen ausleben können.

Helen Hickmann, Institut der deutschen Wirtschaft

Beliebte Ausbildungsberufe: Arm aber sexy?

Einige Ausbildungsplätze sind sehr begehrt, obwohl es viel Konkurrenz gibt und man vielleicht vergleichsweise wenig verdient. Das zeigt der Blick auf die Top-10-Berufe, in denen junge Menschen im Rennen um eine Ausbildung in ihrem Wunschberuf zuletzt leer ausgingen.

Beliebte Ausbildungsberufe trotz geringem Lohn
Bei der Berufswahl wird nicht nur auf das Geld geschaut, auch Interessen spielen oft eine große Rolle. (Quelle Grafikdaten: Institut der deutschen Wirtschaft) Bildrechte: MDR.DE

"Da haben wir den Klassiker, Friseurberufe und auch Kosmetiker. Diese Berufe sind ganz, ganz unten vom Gehalt angeordnet und doch gab es 9.500 Bewerber*innen für Friseurberufe im letzten Jahr und 1.500 im Bereich Kosmetik", resümiert Wirtschaftsforscherin Helen Hickmann. "Diese Ausbildungsberufe sind sehr beliebt, obwohl man damit sicher nicht reich wird." Das gilt auch für die Tierpflege. "Das ist ein kleiner Beruf, in dem in absoluten Zahlen nicht so viele Menschen arbeiten wie in anderen Bereichen. Aber wenn man sich das Verhältnis anschaut, bleiben dort relativ viele Bewerber und Bewerberinnen ohne Ausbildungsplatz."

Bei den meisten beliebten Ausbildungsberufen, in denen die Nachfrage höher ist als das Angebot, liegt das monatliche Gehalt unter 2.500 Euro brutto. In der Pferdewirtschaft, im Bereich Fotografie und in der Systemgastronomie muss nach der Ausbildung sogar mit weniger als 2.000 Euro gerechnet werden.

Fachkräftemangel auf Rekordniveau

Die Chancen für junge Bewerber und Bewerberinnen sind so gut wie nie. Fachkräfte werden händeringend gesucht. Weit über 500.000 offene Stellen in Deutschland können nicht besetzt werden. Ein Rekordwert, heißt es im aktuellen Report des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA).

Die Fachkräftelücke verdoppelte sich im Lauf des vergangenen Jahres sogar. Dieser Trend zeigt sich auch in Mitteldeutschland – besonders deutlich in Sachsen. Der Freistaat verzeichnet 2021 einen Rekordwert von über 25.000 fehlenden Arbeitskräften. In Sachsen-Anhalt liegt die Fachkräftelücke mit unter 12.000 nur knapp unter dem Rekordjahr 2019. In Thüringen klafft eine Lücke von knapp 14.000 Fachkräften.

Unbesetzte Ausbildungsstellen
In nur zehn Jahren hat sich der Anteil der unbesetzten Stellen mehr als verdoppelt. (Quelle Grafikdaten: BA, 2021) Bildrechte: MDR.DE

Das Problem beginnt schon bei der Ausbildung. Fast 40 Prozent aller Ausbildungsplätze in Deutschland bleiben unbesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Welche Ursachen hat dieser Trend und wie kann man ihm begegnen?

Berufe mit den meisten offenen Stellen

Aktuell gibt es 281 Engpass-Berufe. In diesen Jobs können mindestens 100 offene Stellen nicht passend besetzt werden. "Spitzenreiter sind die Altenpflege und das Handwerk. Im Handwerk sind das zum Beispiel die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, aber auch die Bauelektrik im Bauhandwerk. Bei Erziehern gibt es große Engpässe, gefolgt von den IT-Berufen", analysiert IW-Economistin Helen Hickmann.

Der Mangel zieht sich durch alle Qualifikationen: Die meisten Fachkräfte mit Berufsausbildung fehlen in der Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege. An Spezialistinnen und Spezialisten mit Fortbildung oder Bachelor mangelt es vor allem in der Kinderbetreuung, -erziehung sowie der Physiotherapie. Die meisten Expertinnen und Experten mit Master oder Diplom fehlen im Bereich Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Informatik.

FACHKRÄFTELÜCKEN IN AUSGEWÄHLTEN BERUFSSPARTEN
Die größte Fachkräftelücke zeigt sich hier im Bereich Soziales und Ausbildung. (Quelle Grafikdaten: Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung am Institut der deutschen Wirtschaft KOFA, 2022) Bildrechte: MDR.DE

Top-5-Engpassberufe in Mitteldeutschland

Die größte Fachkräftelücke in ganz Mitteldeutschland (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) verzeichnet das Institut der deutschen Wirtschaft in der Altenpflege. Am schlimmsten ist der Mangel in Sachsen. Dort gab es 2021 nur für neun Prozent der Stellen passend qualifizierte Arbeitslose. In Freistaat fehlen auch überdurchschnittlich viele Berufskraftfahrerinnen und -fahrer im LKW- und Güterverkehr.

Extrem ist die Situation auch in Berufen der Bauplanung und -überwachung, vor allem in Sachsen-Anhalt. Dort gab es nur für fünf Prozent der Stellen passend qualifizierte Arbeitslose. In Thüringen sind Jobs für Informatik-Expertinnen und Experten besonders schwer zu besetzen.


Fachkräftelücke: bezeichnet die Menge der nachgefragten, aber nicht vorhandenen Fachkräfte. Sie beziffert die offenen Stellen, für die es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt.

Engpassrelation: ist ein Maß für die Intensität des Fachkräftemangels:
Wie viel Arbeitslose gibt es je 100 offene Stellen? Je kleiner der Wert, desto intensiver ist der Fachkräftemangel. Dabei indizieren Werte unter 100 einen Fachkräftemangel.

Regionale Fachkräftelücken in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

Im Vergleich der mitteldeutschen Bundesländer fehlen in Sachsen besonders viele Fachkräfte. 2021 konnten 43 % der offenen Stellen nicht passend besetzt werden. Über 25.000 Fachkräfte fehlen. Besonders angespannt ist die Situation in den Arbeitsagenturbezirken Plauen und Riesa.

In Sachsen-Anhalt fällt ein besonders starkes Gefälle zwischen den Regionen auf. Im Raum Weißenfels und Halberstadt ist es besonders schwierig, offene Stellen zu besetzen – in Halle und Bernburg hingegen leichter.

Ursachen für Fachkräftelücke und Engpassberufe

Die Gründe sind komplex, beschreibt Helen Hickmann vom Institut der deutschen Wirtschaft: "zum einen natürlich die demografischen Entwicklungen, dass viele Arbeitskräfte in Rente gehen. Hinzu kommt eine gestiegene Studierneigung."

Viele Schulabgängerinnen und Schulabgänger wollen studieren und keine Ausbildung machen. Dies wird zum Problem, weil immer weniger junge Menschen eine duale Ausbildung machen. "Wenn immer mehr Leute an die Uni gehen, fehlen sie dann natürlich auf dem Ausbildungsmarkt. Der Bedarf an Fachkräften steigt viel schneller als der Nachwuchs auf den Markt kommt."

Das belegen auch die aktuellsten Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Die Nachfrage hat den tiefsten Stand seit der Wende erreicht.

Montage einer Solaranlage auf einem Hausdach
Dachdecker als Klimaschützer: Mit einer Weiterbildung in "Solartechnik" wird aus einem klassischen ein grüner Handwerksberuf. Bildrechte: IMAGO / Rolf Poss

Ausbildung goes green: Grüne Jobs mit Zukunft

In so genannten grünen Berufen wächst die Nachfrage in den letzten Jahren so schnell, dass die Ausbildung nicht hinterherkommt. Wer also soll die Windräder und Photovoltaik-Anlagen der Zukunft bauen? "Da wurde zu lange nichts gemacht und jetzt fällt auf, wie dringend diese Fachleute gebraucht werden. Die Umsetzung von politischen Klimazielen wird bei einem so großen Fachkräftemangel schwierig werden", moniert Wirtschaftsforscherin Helen Hickmann.

Eigentlich gäbe es keine absolut grünen Berufe, sondern eher grüne Tätigkeiten. Ein Dachdecker zum Beispiel könne mit einer Weiterbildung Photovoltaikanlagen installieren. Für die Transformation spielen Berufe des Bauhandwerks eine wichtige Rolle: Gebäudesanierung, Gebäudetechnik, Bauelektrik, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. "Da haben wir auf jeden Fall sehr große Fachkräftelücken, die dem Klimaziel und der Energiewende im Weg stehen – auch in der Zukunft", prognostiziert IW-Wirtschaftsforscherin Helen Hickmann.

Hauptberufliche Feuerwehrfrau Anne Zwingenberger sitzt im Einsatzfahrzeug
Traumjob: Feuerwehrleute genießen in der Bevölkerung das höchste Ansehen unter den Berufen. Bildrechte: MDR/Julia Pfauter

Job-Prestige-Rankings und unbekannte Berufe

In Deutschland gibt es über 300 Ausbildungsberufe, doch nur wenige davon sind bekannt. Prestige-Rankings zeigen, welche Berufe am begehrtesten sind: Feuerwehrmann landet auf Platz eins bei der Umfrage des Beamtenbundes dbb. "Berufswünsche von Jugendlichen konzentrieren sich auf einen sehr kleinen Teil der tatsächlich möglichen Ausbildungsberufe. Da muss in der Berufsorientierung angesetzt werden, dass man nicht nur die fünf Berufe kennt, die in der Familie vertreten sind und die man mitbekommt."

Vergleichsweise unbekannt ist zum Beispiel der Beruf des Kältetechnikers. An Bedeutung gewinnt auch der neue Schwerpunkt "Energietechnik an Dach und Wand" für Dachdecker oder "System- und Hochvolttechnik" für Kfz-Mechatroniker.

Mehr Berufsorientierung und Ausbildungsmarketing dringend nötig

“Berufliche Ausbildung muss attraktiver und sichtbarer werden“, fordert Helen Hickmann. Auch im Handwerk könne man gut verdienen und Karriere machen. Eine diverse Berufsorientierung sei dabei extrem wichtig. "Da muss viel mehr gemacht werden, um Jugendlichen die große Bandbreite der Berufe vor Augen zu führen. Wir sagen immer: Praxis, Praxis, Praxis!" Es brauche so viel Praktika wie möglich in allen Schulformen.

Auch Berufswahltests seien ein effektives neues Format zur Berufsorientierung. Dabei können Achtklässler in rund fünf Stunden ihre Stärken und Schwächen testen und verschiedenste Berufe kennenlernen. "Da geht man mit der ganzen Klasse hin und probiert sich zum Beispiel im Coding aus oder macht etwas Handwerkliches. Fragebögen helfen herauszufinden, welche Berufe in Frage kommen könnten."

Solche Projekte machen auch nachhaltige Berufe und grüne Tätigkeiten sichtbarer. Die Motivation junger Arbeitskräfte sei hoch, in diesem Bereich aktiv zu werden, so Hickmann. Doch viele Berufsbilder seien einfach noch zu unbekannt. “Der Kampf gegen den Klimawandel und für den Wandel zu erneuerbaren Energien und Lebensweisen ist vielen jungen Leuten heute sehr wichtig. Sie wünschen sich, etwas Sinnvolles zu machen. Doch bei grünen Berufen denkt kaum einer gleich an den Gebäudetechniker, Elektriker oder Dachdecker." Das gleiche gelte für die Fachkraft für Abwassertechnik. Dieser Bereich der Ver- und Entsorgung spielt eine wichtige Rolle für die Energiewende, aber das sei noch nicht in den Köpfen verankert.

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Bildrechte: MDR

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 28. Juni 2022 | 20:15 Uhr

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