Bundesverfassungsgericht Lohn für Gefangene: Was ist ihre Arbeit wert?
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Wer hinter Gittern ist, soll auch arbeiten – zumindest in den meisten Bundesländern. Dafür aber gibt es aber nur sehr wenig Geld, weshalb sich das Bundesverfassungsgericht jetzt mit der Vergütung von Gefangenenarbeit beschäftigen muss.

- Gewerkschaft Strafvollzug: Arbeit in JVA fördert soziale Kompetenz.
- Grünen-Politiker Striegel: Arbeitende Gefangene sollten fairen Lohn erhalten.
- Unternehmen reden ungern über das Thema
Manuel Matzke ist dritter Sachverständiger bei einer mündlichen Anhörung, in der sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Lohn für Gefangenenarbeit beschäftigt. Er gehört zur Gefangenen-Gewerkschaft, die 2014 in der JVA Tegel in Berlin gegründet wurde. Der Lohn für Gefangene ist niedrig, sagt Matzke:
Weit, weit unter dem Mindestlohn. Also ich sage mal so, wir haben hier im Monat Verdienste von 100 bis 250 Euro.
Da habe sich ein Billiglohnsektor entwickelt, sagt Matzke; und das könne so nicht bleiben, denn für die meisten Firmen gehe es um Profite:
Sie haben hier die Möglichkeit, ohne soziale Abgaben Menschen zur Arbeit zu verpflichten, gerade dort wo wir eine Arbeitspflicht haben.
Das funktioniere natürlich nicht, meint Matzke: Da schaffe man "eine kleine Arbeiterarmee, auf die ich immer zugreifen kann, gerade wenn ich noch eine Arbeitspflicht habe".
Bediensteter: Arbeit fördert soziale Kompetenzen
Dass die Arbeit für die Gefangenen und auch für die Bediensteten im Strafvollzug wichtig ist, betont Mario Pinkert. Er ist Vorsitzender der Gewerkschaft Strafvollzug in Sachsen-Anhalt, kümmert sich um die Anliegen der Bediensteten und arbeitet selbst im Gefängnis. Die Arbeit dort beuge immerhin dem "Gefängnisskoller" vor, meint er:
Also für uns ist die Gefangenenarbeit wirklich das Wichtigste. Sie fördert die Sozialkompetenz der Gefangenen – berufliche Sachen, die vielleicht durch soziale Umstände eingeschlafen sind.
Diese Fertigkeiten könne man fördern, sagt Pinkert dazu. Wer etwa Schlosser gelernt habe, werde in der Schlosserei eingesetzt und könne dort seine Kenntnisse wieder auffrischen.
Striegel: Lohn für Gefangene muss sich am Mindestlohn orientieren
Auch der innenpolitische Sprecher der oppositionellen Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, erwartet die Verhandlung in Karlsruhe mit Spannung:
Wenn Gefangene arbeiten, sollten sie das zu einem fairen Lohn tun. Das muss sich aus meiner Sicht zumindest am Mindestlohn orientieren.
Die bisherigen Sätze seien viel zu niedrig, sagt Striegel. Sie seien dem Ziel einer Resozialisierung einerseits, aber auch denen der Beteiligung an den Kosten der Haft und der angestrebten Wiedergutmachung der Gefangenen gegenüber Opfer von Straftaten nicht angemessen.
Gewerkschaft: Viele Firmen lassen in Gefängnissen produzieren
Sachsen-Anhalts Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) wollte sich vor der Verhandlung nicht äußern. Generell ist das Thema eines, dass verschwiegen behandelt werde, meint Gefangenen-Gewerkschafter Manuel Matzke:
Vielen Firmen ist es auch sehr unrecht, das bekannt wird, dass sie im Vollzug produzieren lassen.
Grund ist laut Matzke, dass "ein Zwang der Arbeit gegeben ist und dass das eine Ausbeutung ist, die hier stattfindet". Nach Medienberichten lassen unter anderem Miele sowie die Autohersteller VW und BMW auch in Gefängnissen produzieren. Nach der Verhandlung am Mittwoch soll es am Freitag in Karlsruhe weitergehen. Ein Urteil wird aber erst in einigen Monaten erwartet.
Quelle: MDR AKTUELL (ksc)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 27. April 2022 | 07:52 Uhr