Mobilität Nächster Verkehrsverbund verbietet E-Tretroller in Bus und Bahn
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29. Juli 2024, 10:38 Uhr
Ab 1. August verbietet auch der Verkehrsverbund Mittelsachsen die Mitnahme von E-Tretrollern in Bussen und Straßenbahnen. Grund: Der Akku könnte in Brand geraten und stelle so ein Sicherheitsrisiko dar. E-Bikes dürfen weiterhin mitfahren. Wieso wird hier ein Unterschied gemacht?
Mitnahme-Verbot ab 1. August im Verkehrsverbund Mittelsachsen
Die Brandgefahr von Lithium-Ionen-Akkus in Elektro-Fahrzeugen wird immer wieder als Sicherheitsrisko im Straßenverkehr diskutiert. Immer mehr Verkehrsverbände verbieten derzeit deswegen auch die Mitnahme von E-Tretrollern, mitunter auch E-Scooter genannt, in Bussen und Straßenbahnen.
Ab 1. August müssen die Elektro-Kleinstfahrzeuge, die seit Juni 2019 in Deutschland auf Straßen in Deutschland zugelassen sind, auch im Verkehrsverbund Mittelsachsen in Chemnitz draußen bleiben. Nur noch gestattet ist die Mitnahme dann dort im sogenannten "Chemnitzer Modell", einer Straßenbahn, die Chemnitz über Eisenbahnschienen mit dem Umland verbindet.
Gut zu wissen In Regionalzügen und S-Bahnen übrigens werden E-Roller gleichberechtigt zu E-Bikes mitgenommen – sogar kostenlos, wenn man sie zusammenklappt.
Begründung: Sicherheitsrisiko Lithium-Ionen-Akku
Nicht mitgenommen werden dürfen E-Tretroller in Mitteldeutschland bereits etwa in Bussen und Straßenbahnen im gesamten Verkehrsnetz in Thüringen, im Südharz, in Leipzig und Halle. Begründet wird das mit einer potentiellen Brandgefahr, die von den Batterien der E-Tretroller ausgehe.
Die Verbote folgen einer Empfehlung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) vom Februar dieses Jahres. "Grund dafür ist der niedrige Sicherheitsstandard der verbauten Lithium-Ionen-Akkus und damit verbunden ein erhöhtes Brand- und Explosionsrisiko sowie die gesundheitsschädliche Rauchgasfreisetzung", begründet dies der VDV und beruft sich auf Gutachten der STUVAtec. "Ausreichend spezifische Normen und Sicherheitsstandards" fehlten, heißt es beim VDV weiter. Bislang ist dabei deutschlandweit keine einzige Batterie eines E-Tretrollers in einem öffentlichen Verkehrsmittel in Brand geraten.
Auch E-Bikes haben Akkus, dürfen aber überall mitfahren
E-Bikes, die ebenfalls mit Akkus ausgestattet sind, stehen nicht zur Debatte. Sie dürfen in der Regel bislang in Bussen und Bahnen mitfahren. "Nicht betroffen sind gemäß der Gutachten E-Fahrräder, E-Rollstühle und E-Seniorenmobile, da sie bereits deutlich höhere normative Anforderungen an die Sicherheit der Batterien erfüllen", begründet der VDV sein Urteil. Für E-Tretroller müssten noch welche erarbeitet werden. Dabei durchlaufen auch E-Roller umfangreiche technische Kontrollen durch das Kraftfahrtbundesamt und unabhängige Prüforganisationen, wie dem TÜV.
Sind E-Roller also gefährlicher als Pedelecs, die auch E-Bikes genannt werden? "E-Tretroller sind genauso gefährlich oder ungefährlich wie die Pedelecs. Hintergrund dieser Aussage ist, dass beide Verkehrsmittel die gleichen Prüfgrundlagen erfüllen müssen und beide Verkehrsmittel ein sogenanntes CE-Kennzeichen tragen müssen", erklärt Frank Schneider vom TÜV-Verband e.V. gegenüber dem MDR-Magazin Umschau.
Stichwort Umweltfreundlichkeit "E-Scooter sind nur dann umweltfreundlich, wenn sie Auto- oder Motorrad-Fahrten ersetzen und keine weiteren zusätzlichen Fahrten mit kraftstoffbetriebenen Fahrzeugen stattfinden. Wird der E-Scooter anstatt der eigenen Füße oder des Fahrrades benutzt, ist das schlecht für Umwelt, Klima und Gesundheit", schätzt das Umweltbundesamt die Umweltfreundlichkeit von E-Scootern ein.
TÜV-Verband kritisiert Mitnahme-Verbot-Empfehlung des VDV
Während Pedelecs mit dem CE-Kennzeichen ohne weitere Prüfungen auf deutschen Straßen gefahren werden dürfen, muss jeder E-Tretroller zusätzliche Zertifikate erlangen: "wie sie zum Beispiel ein Traktor, eine forst-und landwirtschaftliche Maschine oder ein Motorrad erlangen muss. Auch das kann in Deutschland und in Europa erst auf die Straße kommen, wenn es eine Betriebserlaubnis erhält. Dieses Verfahren hat man in Deutschland etabliert, um auch E-Tretroller im Straßenverkehr sicher betreiben zu können", erklärt Schneider.
"Die in Deutschland zugelassenen E-Scooter verfügen über ein hohes Sicherheits- und Brandschutzniveau, das mit dem von Pedelecs bzw. E-Bikes vergleichbar ist. Zu dieser Einschätzung kommt eine Expertengruppe der im TÜV-Verband organisierten TÜV-Unternehmen", erklärt der TÜV-Verband auf seiner Homepage und kritisierte damit Ende April öffentlich die Mitnahme-Verbot-Empfehlung des VDV. Zu der Einschätzung des TÜV-Verbandes hätten Prüfungen geführt, die "auf Grundlage umfassender gesetzlicher und normativer Anforderungen" erfolgt seien. E-Scooter haben den Experten zufolge ein vergleichbares Sicherheitsniveau wie Pedelecs. Mit der nötigen Betriebserlaubnis für Fahrer von E-Scootern sei zudem eine zusätzliche Sicherheitsebene eingezogen.
Beratungen im Verkehrsministerium
Das Bundesverkehrsministerium überarbeitet derzeit die Elektrokleinstfahrzeugeverordnung. Die Novellierung soll in Kürze den Sachverständigen zur Prüfung vorgelegt und baldmöglichst verabschiedet werden. Ziel ist eine Angleichung der Prüfauflagen für Akkus von Pedelecs und E-Tretrollern. Das könnte dann vielleicht auch dazu führen, dass der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen von seiner Verbotsempfehlung abrückt und E-Roller zur Mitnahme in Bussen und Straßenbahnen wieder zunehmend erlaubt werden.
Nach Ansicht des Referenten im Fachbereich Fahrzeug und Mobilität des TÜV-Verbands e.V., Frank Schneider, stehe im Raum "dass der Hersteller im Rahmen der Batterieprüfung auch sogenannte Quetschtests [stichprobenartig] durchführen muss, also Prüfungen bei denen die Batterie tatsächlich mechanisch zerstört wird." Durch ein solches Verfahren lässt sich feststellen, ob das Batterie-Management-System des Akkus fehlerfrei funktioniert und eine Explosion durch Kurzschlüsse verhindert.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 23. Juli 2024 | 20:15 Uhr