NachhaltigkeitRecyclingwirtschaft setzt auf teures chemisches Recycling
Plastik ist ein ideales Verpackungsmaterial. Doch einmal benutzt, wird Plastik zu einem teuren Problem für die Umwelt. Recycling Abhilfe schaffen, doch das sogenannte mechanische Recycling hat seine Grenzen – technisch und hygienisch. Zum Beispiel dürfen Lebensmittel nicht in recyceltem Plastik verpackt werden. In der Branche setzt man deshalb zusätzlich auf chemisches Recycling. Was ist das? Und kann man dadurch verhindern, dass neue Plastikverpackungen aus Rohöl hergestellt werden?
- Chemisches Recycling bietet viele Vorteile.
- Der Nabu jedoch kritisiert das Verfahren wegen seines hohen Energieverbrauchs.
- Auch das Umweltbundesamt hat Bedenken und einen Alternativvorschlag.
Eine der wichtigsten Frage beim Recycling von Kunststoffen ist, wie sortenrein sich die verschiedenen Kunststoffarten sortieren lassen. Je höher die Reinheit, desto leichter lassen sich die Kunststoffe wiederverwenden. Bei Einwegpfandflaschen funktioniere das zum Beispiel sehr gut, sagt Richard von Goetze. Er arbeitet beim Abfalldienstleistungs- und Recyclingunternehmen Interzero: "Das sind hochqualitative Ströme aus einem Kunststoff. Die können perfekt ins mechanische Recycling gehen und dann können sich die mechanischen Recycler noch Gedanken darüber machen, ob sie beispielsweise noch farbliche Flaschen von klaren Flaschen trennen."
Vorteile von chemischem Recycling
Von Goetze beschäftigt sich bei Interzero unter anderem mit chemischem Recycling. Der große Unterschied zum mechanischen Recycling: Die Kunststoffe werden nicht einfach gewaschen, geschreddert und geschmolzen. Beim chemischen Recycling werden die Kunststoffstrukturen in der Regel "aufgebrochen". Das kann dafür sorgen, dass Kunststoffe, die sonst verbrannt wurden, doch noch genutzt werden können. Ein Beispiel sind Verpackungen für Lebensmittel, bei denen verschiedene Kunststoffe mehrschichtig kombiniert und nicht wasserlöslich verklebt werden. Bisher sind die mechanisch kaum zu trennen und werden aussortiert.
Goetze zufolge steht chemisches Recycling in Deutschland noch am Anfang. Aber seine Firma Interzero sieht darin großes Potenzial. Ein Verfahren etwa "schmilzt Kunststoffe auf und kreiert ein Öl". Das könne dann bei chemischen Firmen als Ersatz für Naphta – das kommt aus dem Rohöl – eingesetzt werden. So müsse für neuen Kunststoff kein fossiler Brennstoff eingesetzt werden. Bis 2026 will Interzero in großem Stil chemisches Recycling betreiben.
Nabu kritisiert hohen Energieverbrauch
Doch an dem Verfahren – oder besser an den Verfahren, denn eigentlich ist chemisches Recycling ein Sammelbegriff – gibt es auch Kritik. Zum einen brauche es für chemisches Recycling sehr viel Energie, kritisiert der Nabu, zum anderen blieben bei den Verfahren häufig Rückstände zurück, welche weiter behandelt und deponiert werden müssen. Unklar ist auch, wie die Ökobilanz ist und ob sich das ganze finanziell lohnt, solange Rohöl vergleichsweise billig ist.
Skeptisch ist auch Gerhard Kotschik vom Umweltbundesamt. Er teilt viele der Bedenken des Naturschutzbunds und plädiert dafür, früher, also bei den Verpackungsherstellern, anzusetzen und schlicht Verpackungen zu vermeiden, die nicht mechanisch recycelt werden können: "Wenn eine Verpackung schwarz eingefärbt ist, können die Sensoren nicht erkennen, was für ein Kunststoff das ist. Diese Kunststoffe können nicht in ein Recycling gehen, sondern landen bei den Sortierresten und werden in der Regel dann energetisch verwertet." Als Beispiel nennt Kotschik schwarze Shampoo-Flaschen. Problematisch sei es auch, wenn Verpackungen, die eigentlich recycelt werden könnten, im Restmüll landen. Auch dann würden sie nicht wiederverwendet.
Selbst wenn chemisches Recycling sich rechnet und in ein paar Jahren im großen Stil umgesetzt wird, wird es auch in Zukunft wichtig sein, dass Verpackungen leichter recycelt werden können. Denn dann sind die besonders aufwendigen chemischen Verfahren erst gar nicht notwendig.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 08. August 2023 | 08:20 Uhr
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