Erbschaftssteuer Formular
Durch ein Steuerschlupfloch können Millionenerben die Erbschaftssteuer umgehen. Bildrechte: picture alliance / Zoonar | Stockfotos-MG

Steuerschlupfloch Warum zahlen einige Millionenerben keine Erbschaftssteuer?

10. Januar 2025, 14:09 Uhr

Durch die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung kann es vorkommen, dass Millionenerben von der Steuerbehörde als bedürftig eingestuft werden und sie keine Erbschaftssteuer zahlen müssen. Die Regelung gilt ab einem Erbe von mehr als 26 Millionen Euro. Ein Erbe, der nur Betriebsvermögen hat, beispielsweise ein Unternehmen, und kein Vermögen, ist davon befreit. Kritiker sehen darin ein Steuerschlupfloch. MDR-AKTUELL-Hörer Volker Bloch möchte wissen, warum es diese Regelung gibt.

Antje Tillmann sitzt für die CDU im Bundestag. 2016 hat die finanzpolitische Sprecherin für eine Reform der Erbschaftssteuer gestimmt. Ihre Fraktion habe das Gesetz damals vor allem für mittelständische Betriebe verabschiedet, sagt Tillmann. "Zum Beispiel eine Schreinerei mit fünf Mitarbeitern, die an einen Sohn vererbt wird, der Verwaltungsfachangestellter ist und mit Schreinerei nichts zu tun hat. Wenn diese kleine Schreinerei kein Barvermögen hat, dann hätte dieser Verwaltungsmitarbeiter die Erbschaftssteuer aus seinem Privatvermögen zahlen müssen." In vielen Fällen wäre das dann nicht geschehen, sagt Tillmann.

Deshalb habe man Betriebsvermögen begünstigt. Auch für noch größere Betriebe mit einem Vermögen von mehr als 26 Millionen Euro. "Nehmen wir ein Schiffshebewerk. 100 Arbeitsplätze. Da wollten wir verhindern, dass dieses Schiffshebewerk veräußert wird und 100 Arbeitsplätze wegfallen", erklärt Tillmann.

Missbrauch der Regelung

Allerdings räumt sie ein, dass die Regelung auch missbraucht wird. Wird ein Erbe oder eine Schenkung zu einem bestimmten Stichtag übertragen und sind die Privatkonten des Erben oder Beschenkten zu diesem Zeitpunkt leer, muss er die Erbschaftssteuer nicht zahlen.

Ein Beispiel: 2020 schenkte Friede Springer, die Witwe des Medienunternehmers Axel Springer, dem Springer-Verlagschef Matthias Döpfner eine Unternehmensbeteiligung von einer Milliarde Euro. Weil Döpfner zum Zeitpunkt der Schenkung die Steuer wohl nicht vollumfänglich bezahlen konnte, sei diese erheblich reduziert worden.

CDU-Politikerin Tillmann schlägt vor, Fristen einzuführen, sodass in solchen Fällen das verschenkte oder vererbte Vermögen auch als Privatvermögen gilt. Gänzlich abschaffen will sie die Verschonungsbedarfsprüfung aber nicht.

Superreiche werden begünstigt

Anders denkt darüber Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin der Grünen. Ihr Vorschlag: ein Zahlungsaufschub für Menschen, die die Erbschaftssteuer nicht aus dem Privatvermögen zahlen können. "Wenn man diese Zahlungen über einen langen Zeitraum stundet, auch berücksichtigt, wenn Gewinne im Unternehmen bleiben, dass man die Zahlung dann nochmal aufs nächste Jahr schieben kann. Dann ist kein einziger Arbeitsplatz gefährdet und es gibt noch einen Anreiz dafür, ins Unternehmen zu investieren."

Ein Vorschlag, den auch Julia Jirmann unterstützt. Sie ist Referentin für Steuerrecht beim Netzwerk für Steuergerechtigkeit. "Wir sehen in der Auswertung der Statistik, dass die effektiven Steuerzahlungen für ganz große Vermögen niedrig sind. Im letzten Jahr haben 26 Erben einen Steuererlass beantragt und einen Steuererlass über vier Milliarden Euro insgesamt erhalten und effektiv nur 0,1 Prozent Steuern gezahlt."

Superreiche würden in Deutschland vom Steuersystem begünstigt, während andere die Last tragen müssten.

Anmerkung der Redaktion In einer früheren Version vom 8. Januar 2025 hieß es: "Weil Döpfner zum Zeitpunkt der Schenkung die Steuer nicht zahlen konnte, wurde er davon verschont." Diese Darstellung war unzutreffend und wurde deshalb geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 08. Januar 2025 | 06:23 Uhr

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