Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Antrieb mit LNG statt DieselSchiffe mit Erdgasantrieb: Wie klimaneutral ist so eine Kreuzfahrt?

25. Juli 2022, 10:54 Uhr

Hunderte Kreuzfahrtschiffe mit Diesel- oder Schwerölantrieben sind auf den Weltmeeren unterwegs. Sie gelten als große Umweltsünder. In Frankreich ist nun ein neuer Ozeanriese gebaut worden – mit Flüssiggas als Antrieb! Gelingt so die Wende zur klimaneutralen Kreuzschifffahrt?

von Nadine Scheer, Michael Kästner, MDR-Wirtschaftsredaktion

Volumen des Erdgases durch Verflüssigung um das 600-Fache verringert

22 Decks hoch und 333 Meter lang: Damit beeindruckt die "World Europa" – das neueste Kreuzfahrtschiff der Werft "Chantiers de l'Atlantique" in der französischen Hafenstadt St. Nazaire. Der eigentliche Clou ist aber: Die World Europa ist erst der sechste Luxusliner weltweit, der mit LNG angetrieben wird. LNG steht für "Liquified Natural Gas", also verflüssigtes Erdgas. Um es flüssig zu machen, wird es heruntergekühlt auf -163 Grad Celsius. Das Volumen des Gases wird dadurch um das 600-Fache verringert, was Transport und Lagerung erleichtert. Auf den Schiffen wird es dann in Gastanks gespeichert.

Vorteile und Herausforderungen von verflüssigtem Erdgas (LNG)

Bei der MSC-Reederei, die das Schiff in Auftrag gegeben hat, ist man auf den neuen Antrieb stolz, sagt Linden Coppell, die Werft-Beauftragte für Nachhaltigkeit: "LNG ist auf jeden Fall der sauberste Treibstoff, der momentan für die maritime Industrie und sicherlich für die Kreuzfahrtindustrie verfügbar ist", sagt sie zur MDR Umschau. "Es hat bedeutend weniger Schwefel und Stickstoffdioxide als Diesel oder Schweröl."

LNG ist auf jeden Fall der sauberste Treibstoff, der momentan für die maritime Industrie und sicherlich für die Kreuzfahrtindustrie verfügbar ist.

Linden Coppell, Nachhaltigkeitsbeauftragte MSC-Reederei

Allerdings stellte es die Schiffsbauer um Henry Doyer auch vor Herausforderungen: "Zuerst mussten wir Platz finden, um das LNG zu lagern. Wir brauchten ein extra Erwärmungssystem und ein extra Leitungssystem, um LNG wieder gasförmig zu machen und zu den dual-fuel Maschinen zu bringen." Dual Fuel meint: Die meisten LNG-Schiffe sind hybrid. Falls das Gas also ausgeht, können die Schiffsmotoren auf Diesel umsteigen.

Experte: "LNG nur ein bisschen klimafreundlicher als konventionelles Schweröl"

LNG wird von der Branche als besonders umweltfreundlich und emissionsarm gehandelt. Der Ausstoß von gesundheitsschädlichem Feinstaub würde drastisch reduziert, klimaschädliches CO2 um bis zu 25 Prozent verringert. Aber reicht das, um aus den als Umweltsünder bekannt gewordenen Kreuzfahrtriesen umweltverträgliche Schiffe zu machen? Nein, so das Ergebnis einer Studie des Fraunhofer-Instituts im Auftrag des Bundesumweltministeriums, die die Klimafreundlichkeit von LNG bewertet hat. Immer wieder komme es zu unsichtbaren, klimaschädlichen Methangasentweichungen, die bei laufenden Gasmotoren auftreten können. "LNG ist nur ein bisschen klimafreundlicher als konventionelles Schweröl, mit bis zu zehn oder 15 Prozent Minderung von Treibhausgasemissionen. Das ist aber bei Weitem nicht genug", sagt Jonathan Köhler, vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI.

Immerhin verursache die internationale Seefahrt drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Sie trägt damit mindestens so viel zum weltweiten Ausstoß bei, wie alle jährlichen Emissionen in Deutschland zusammengenommen. Die globale Schifffahrt müsse in den nächsten Jahrzehnten also ihre Emissionen massiv senken, sagt der Brite Jonathan Köhler. Mit LNG alleine gelinge das nicht.

LNG als Übergangstechnologie

Von rund 400 Kreuzfahrtschiffen weltweit gibt es derzeit nur sechs mit LNG-Antrieb, 24 weitere sollen bald folgen. Die restlichen Schiffe werden herkömmlich angetrieben – mit Diesel oder Schweröl. Unschwer ist das erkennbar am Ruß aus den Schornsteinen. Die Mitglieder des Kreuzfahrtlobbyverbandes CLIA haben sich deshalb verpflichtet, die CO2-Emissionen ihrer globalen Flotte bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren. Bis 2050 strebt die Branche eine CO2-freie Schifffahrt an.

"LNG ist eine der probaten Methoden für die nächsten Jahre, auch wenn es eine Übergangstechnologie ist", schätzt Helge Grammerstorf von der CLIA Deutschland ein: Weitere Methoden sind ja schon in der Entwicklung, das heißt: Wir werden über Batterien sprechen, die wir noch in diesem Jahr auf den Schiffen sehen werden. Wir werden über Brennstoffzellen sprechen, die wir sehr bald auf den Schiffen sehen werden, zur Stromerzeugung. Alles das ist im Moment im Werden."

LNG ist eine der probaten Methoden für die nächsten Jahre, auch wenn es eine Übergangstechnologie ist.

Helge Grammerstorf, CLIA Deutschland

Kritik von Umweltverbänden

Deutsche Umweltverbände sehen den LNG-Antrieb der Luxusliner viel kritischer, als die Kreuzfahrtlobby. Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt vom BUND Sachsen sagte zur Umschau: "LNG ist Greenwashing in jeder Hinsicht. LNG ist fossiler Brennstoff. Klimaschutz und auch Frieden in Europa ist angesichts von Kriegen nur ohne fossile Brennstoffe möglich. Und LNG ist ineffizient und macht alles nur noch schlimmer."

LNG ist ineffizient und macht alles nur noch schlimmer.

Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, BUND Sachsen

Weitere Ideen für die Zukunft

Über die LNG-Technik hinaus muss die Kreuzfahrt-Industrie noch viele weitere Schritte in Richtung Nachhaltigkeit gehen, dessen ist man sich auch bei der MSC-Reederei bewusst. Synthetisches LNG sei denkbar, aber noch Zukunftsmusik, sagt Linden Coppell. Außerdem habe die World Europa probeweise eine Festoxid-Brennstoffzelle an Bord, um zu testen, ob das für die Zukunft funktioniert. Und es gebe noch weitere Ideen: "Wasserstoff ist sicherlich etwas, was wir beobachten in der Industrie. Was eine Lösung für uns sein könnte. Wir schauen noch nach einer Technologie, die Wasserstoff unterstützt."

MDR Wirtschaftsredaktion

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Umschau | 26. Juli 2022 | 20:15 Uhr

Mehr aus Wirtschaft

Mehr aus Deutschland