Reaktionen Diskussion um Bevorzugung bei Gasknappheit

13. Juli 2022, 15:07 Uhr

Wenn das Gas knapp werden sollte, wird die Bundesnetzagentur zum Verteiler. Die muss sich an eine festgelegte Priorisierung halten, nach der Privathaushalte geschützt sind. Außerdem werden Einrichtungen wie Krankenhäuser bevorzugt. Wenn wirklich zu wenig Gas da sein sollte, sind Unternehmen die ersten, bei denen Gas rationiert oder abgeschaltet wird. Dafür gibt es Kritik aus Mitteldeutschland.

Im Notfallplan Gas ist eindeutig geregelt: Privathaushalte werden bei einer möglichen Gasknappheit bevorzugt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stellt diese Priorisierung nun aber infrage: "Niemand soll frieren, aber dass private Haushalte auch ihren Anteil leisten und dass eine dauerhafte oder langfristige Unterbrechung von industrieller Produktion massive Folgen auch für die Gesamtwirtschaft hat, für die Menschen im Land, für die Versorgungssituation, das denke ich, ist inzwischen auch erkannt."

Auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze kritisiert die aktuelle Reihenfolge im Notfallplan Gas. Er erklärt, dass die Priorisierung aus einer Zeit komme, in der davon ausgegangen worden sei, dass beispielsweise durch ein technisches Problem Gas nur für einige Tage knapp sei. Das sei jetzt aber anders: "Wir müssen aber im Zweifelsfall damit rechnen, dass es einen längeren Zeitraum betrifft, wo wir das Gas nicht in genügender Menge zur Verfügung stehen haben", sagt Schulze.

Es sei wichtig, private Haushalte zu schützen. Aber das helfe auch nicht, wenn die Wirtschaft kollabiere: "Es ist nicht so, dass jedes Unternehmen pauschal sagen kann, wir reduzieren mal unseren Gasverbrauch um 30, 40 oder 50 Prozent. Ich nenne mal das Thema Glasproduktion. Wir haben in Sachsen-Anhalt ein Drittel der Flachglasproduktion in ganz Deutschland. Da kann man den Ofen nicht einfach runterfahren, dann hätte man einen wirtschaftlichen Totalschaden in diesen Unternehmen", sagt Schulze.

Viele Branchen mit Anspruch auf Versorgung

Die Sorge vor einem Produktionsstopp besteht am Chemiestandort Leuna aktuell nicht. Ob nun Privathaushalte oder die Industrie bevorzugt werden sollten – der Geschäftsführer von InfraLeuna, Christof Günther, stellt sich diese Frage noch gar nicht: "Ich gehe nicht davon aus, dass das eine Diskussion ist, die wirklich praxisrelevant werden wird, weil vor dem Hintergrund der hohen Preise der Erdgasbedarf weiter sinkt und sich der Industriebedarf reduziert. Sodass am Ende nicht die Frage der Zuteilung – wer wird hier bevorzugt, wer wird benachteiligt – relevant ist, sondern die Frage: Kann das Erdgas überhaupt noch bezahlt werden?"

Die Chemieindustrie bilde die Basis der industriellen Wertschöpfungsketten. Falls es doch zu einer Priorisierung kommen muss, fordert Günther deshalb, dass Leuna möglichst lange versorgt wird. Doch diesen Anspruch haben auch andere Branchen. Südzucker mit Sitz in Zeitz teilt etwa schriftlich mit: "Als Lebens- und Futtermittelproduzent zählen wir uns zur kritischen Infrastruktur und setzen uns dafür ein, dass wir bei einer möglichen Gasverknappung prioritär versorgt werden."

Sorge vor Ungewissheit

Beim sächsischen Teigwarenhersteller in Riesa gibt es Verständnis dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber der Industrie bevorzugt werden. Geschäftsführer Mike Hennig gehe nicht davon aus, dass er seine Produktion stoppen muss. Dennoch bereite ihm die aktuelle Situation Sorgen: "Völlige Angst habe ich nicht, aber natürlich machen wir uns große Sorgen, weil sich diese Thematik für uns in den Vormärkten, den Energiemärkten und dann auch in den Rohstoffmärkten niederschlägt und wir in eine völlig ungewisse Zukunft tapsen."

Auch andere Unternehmen in Mitteldeutschland sind bezogen auf die Gaskrise noch gelassen. Von Volkswagen heißt es auf Anfrage von MDR AKTUELL, die Gasversorgung der Werke sei sichergestellt. Man beobachte die Situation und Auswirkungen auf das eigene Geschäft jedoch genau.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 13. Juli 2022 | 06:00 Uhr

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