Ein roter Stromstecker liegt auf einer Jahresabrechung für Strom
Nicht nur die Gaspreise stiegen zuletzt rasant, sondern auch die Strompreise. Denn beide Preise sind aneinander gekoppelt. Bildrechte: picture alliance/dpa

Interview mit Energieexperte Warum der Strompreis plötzlich fällt

01. September 2022, 18:45 Uhr

An den Gas- und Strommärkten hat sich die Lage am Donnerstag trotz der Lieferunterbrechung durch die Gas-Pipeline Nord Stream 1 wieder etwas entspannt. Beim Strompreis kostete eine Megawattstunde rund elf Prozent weniger. Als Grund führt Energieberater Tobias Federico im Interview mit MDR AKTUELL gut gefüllte Gasspeicher an.

Die Gas- und Strompreise sind zuletzt wieder gefallen. Man liest, jetzt habe sich das Erpressungspotenzial des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Luft aufgelöst. Sind Sie auch so optimistisch?

Tobias Federico: Durchaus, allerdings würde ich einschränkend sagen, nur für diesen Winter. Nächstes Jahr sieht es wieder ein bisschen anders aus. Aber in der Tat brauchen wir das russische Erdgas nicht mehr, um sehr wahrscheinlich gut durch diesen Winter zu kommen.

Welche Rolle spielt dann aktuell noch der Ukraine-Krieg für die Energiemärkte?

Er spielt immer noch eine sehr dominante Rolle. Wir haben ja einen kompletten Umbruch in unseren Bezugsverträgen, insbesondere in unseren Erdgas-Bezugsverträgen. Wir suchen alternative Lieferanten, wir investieren in neue Verladeterminals, wir fahren Produktionen hoch, um russisches Erdgas zu ersetzen. Und das geschieht alles wegen des Ukraine-Krieges. Das ist der dominante Faktor – auch für die nächsten Jahre.

Wie es jetzt zu dieser plötzlichen Entspannung am Energiemarkt gekommen?

Die Schnelligkeit der Entspannung kam eher etwas unerwartet. Dass der Markt überhitzt war, war absehbar. Wir reden intern von Panikpreisen, das sind Preise, die nicht mehr fundamental erklärbar sind. Es bedarf, um diese Preisblase zum Platzen zu bringen, bestimmter, fundamentaler Ereignisse, die als sehr wichtig angesehen werden.

In diesem Fall war es unserer Meinung nach die Aussage von Wirtschaftsminister Robert Habeck, dass wir inzwischen sehr gut gefüllte Erdgasspeicher haben. Wir haben dieses Ziel viel früher erreicht, sodass wir doch recht entspannt, aber nicht ganz sorgenfrei, in den Winter gehen können.

Was hat der Strompreis mit dem Gaspreis zu tun? Wenn die Gaspreise in Deutschland steigen, steigen auch die Strompreise. Grund: Der Strompreis richtet sich nach dem teuersten Kraftwerk aus. Das sind zurzeit wegen der hohen Gaspreise die Gaskraftwerke. Die Kopplung von Strom- und Gaspreisen ist umstritten.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff fordert, die Mechanismen der Leipziger Strombörse auszuschalten. Er sagte, Wettbewerb bei einem so beschränkten Gut funktioniere nicht in diesen Krisen und Kriegszeiten. Inwiefern wirken sich solche Forderungen auf den Energiemarkt aus?

Es existiert derzeit die Sorge, dass das komplette Marktdesign sich ändern wird. Doch es ist gar nicht so einfach, das Marktdesign zu ändern. Es ist nicht perfekt, aber eigentlich das effizienteste, das wir gerade haben. Jedoch kommen in besonderen Situationen fast alle Systeme an ihre Grenzen. Das haben wir in der Coronakrise gemerkt und das merken wir jetzt auch in dieser Energiekrise. Man kann derzeit in der Tat nicht viel anderes machen, als die Extrempreise durch eine Ankündigung aufzuheben. Ich glaube auch nicht ernsthaft, dass wir dieses Marktdesign ändern werden.

Wie optimistisch blicken Sie auf den Herbst und Winter?

Im Moment ist es so, dass durch die gut gefüllten Gasspeicher die Wahrscheinlichkeit einer Mangellage deutlich gesunken ist. Wir werden das Zwischenziel, die Gasspeicher zu 85 Prozent zu befüllen, das wir für 1. Oktober angepeilt haben, wahrscheinlich bereits nächste Woche erreichen.

Das zweite Ziel sind 95 Prozent bis zum 1. November zu erreichen. Vielleicht gelingt uns das auch schon in diesem Monat. Es kommt nun ein bisschen darauf an, wie kalt oder warm der Winter wird. Und wir werden auch nicht ohne Einsparungen auskommen. Jetzt sind die Haushalte gefragt, in der Heizperiode tatsächlich weniger zu heizen oder die Raumtemperaturen herunterzufahren. Aber die große Anspannung, die wir vor Wochen hatten, die ist definitiv vorbei. Die Kuh ist noch nicht vom Eis, aber sie ist mittlerweile nahe des Ufers, wo sie dann auch wieder laufen kann.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 01. September 2022 | 15:17 Uhr

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