ArbeitsmarktWarum Bürgergeld-Empfänger die Fachkräftelücke nicht schließen können
Die Zahl der offenen Stellen in Deutschland ist zuletzt zwar leicht gesunken. Dennoch fehlen in vielen Branchen Fachkräfte, weshalb zahlreiche Arbeitsplätze unbesetzt bleiben. Gleichzeitig beziehen derzeit rund 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld, darunter mehr als 1,5 Millionen Arbeitslose. MDR AKTUELL-Hörer Marc Specht fragt sich, warum diesen Menschen offenbar kein passendes Jobangebot gemacht werden kann und ob diese nicht die Fachkräftelücke schließen könnten.
- Es gibt viele Gründe, weshalb Menschen Bürgergeld empfangen. Nur einer davon ist Arbeitslosigkeit.
- Arbeitslose Menschen können nicht jede beliebige Tätigkeit ausüben, das gilt auch für so genannte Helferjobs.
- Gerade bei Langzeitarbeitslosen muss die Arbeitsagentur teils behutsam und geduldig vorgehen.
Macht die Arbeitsagentur ihren Job nicht richtig? Bei so vielen arbeitslosen Menschen in Deutschland muss es doch möglich sein, die zahlreichen offenen Stellen zu besetzen. So könnte man die Frage unseres Hörers, zugegeben etwas gemein, zuspitzen. Doch die Frage muss erlaubt sein: Was sind das für Menschen, die Bürgergeld bekommen, erwerbsfähig sind und trotzdem nicht arbeiten?
Nur ein Teil der Bürgergeldempfänger ist arbeitslos
Zuallererst muss festgehalten werden, dass dies bei Weitem nicht auf alle rund 5,5 Millionen Bürgergeld-Empfänger zutrifft, wie Frank Vollgold erklärt. Der Pressesprecher der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit sagt:
"Von der großen Zahl der 5,5 Millionen ist etwa jeder Vierte ein Kind." Außerdem arbeite jeder Fünfte derjenigen, die grundsätzlich erwerbsfähig sind, in einem Minijob oder als Teilzeit- bzw. Vollzeitbeschäftigter. "Das sind dann die Aufstocker", sagt Vollgold. "Und das macht dann die 5,5 Millionen relativ klein oder kleiner."
Von den Übrigen sei außerdem nur jeder Zweite tatsächlich arbeitslos. "Und die anderen befinden sich im Moment in Weiterbildungsmaßnahmen, besuchen eine Schule, studieren oder machen eine Ausbildung, betreuen Kinder, pflegen Familienangehörige oder sind länger krank geschrieben." Unterm Strich bleiben bundesweit knapp 1,6 Millionen Menschen, die verfügbar sind und arbeiten könnten, es aber aus welchen Gründen auch immer nicht tun.
Jobs und Arbeitslose müssen zusammenpassen
Die Idee unseres Hörers lautet nun, diesen Arbeitslosen ganz einfache Jobs zu geben, zum Beispiel an einer Ladenkasse oder in einer Reinigung. Die Arbeitsagentur spricht in diesem Zusammenhang von Helferjobs. So einfach ist es allerdings nicht.
Zum einen ist der Bedarf an Helferjobs nicht derart hoch. So sind vier von fünf offenen Stellen laut Arbeitsagentur für Fachkräfte gedacht.
Zum anderen müsse ein Job auch auf einen Arbeitslosen passen, selbst wenn die Arbeit sehr einfach sei, sagt Thomas Fahlbusch von der Industrie- und Handelskammer Erfurt: "Das ist der Knackpunkt, ob der Mensch die Bedingungen akzeptiert, die von der Wirtschaft geboten werden. Also eine junge Mutter wird nicht in den Schichtdienst gehen können." Da müsse man dann überlegen, wie man das regeln könne.
Geduldiges Vorgehen der Arbeitsagentur erforderlich
Außerdem gibt es noch ein weiteres Problem, das selten laut ausgesprochen wird. Es gibt eben auch Menschen, die selbst einfachste Jobs nicht ausüben können, wie etwa Essen ausbringen oder einen Platz fegen. Hier muss die Arbeitsagentur sehr behutsam und geduldig vorgehen, meint Frank Vollgold von der Arbeitsagentur Sachsen.
Teils geht es laut Vollgold zum Beispiel darum, überhaupt Tagesstrukturen zu schaffen. Etwa bei Menschen, die "sehr, sehr lange raus sind". In solchen Fällen liege der Fokus möglicherweise zunächst nicht darauf, eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. "Sondern man möchte den Menschen über Teilhabe erstmal wieder eine Struktur im Alltag schaffen."
Die Wirtschaft habe sich daher darauf eingestellt, dass es ohne Zuwanderung nicht geht, sagt Thomas Fahlbusch von der IHK Erfurt. Ein Gastronom beispielsweise, der in Deutschland keine Kellnerin findet, werde sich eben im Ausland umschauen. Zu groß sei der Fachkräftemangel und der Druck, jetzt zu handeln.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 22. November 2023 | 06:21 Uhr