GPS und ILS Teure Landesysteme an Flughäfen in Mitteldeutschland weiter in Betrieb

07. September 2022, 05:00 Uhr

Ob Nebel oder Dunkelheit: Flugzeuge können heute unter fast allen Bedingungen sicher landen. Moderne Navigationssysteme an Flughäfen machen das möglich. Doch ihr Betrieb ist teuer. Deutlich kostengünstiger ist die Navigation mit GPS-Systemen. Doch nicht alle mitteldeutschen Flughäfen wollen sich ausschließlich auf dieses satellitengestützte System verlassen.

Als die Luftfahrt noch in den Kinderschuhen steckte, mussten sich die Piloten entlang von Flüssen, Gebirgszügen und Straßen ihren Weg suchen. Ein Finger stets auf der Karte, um die Orientierung bloß nicht zu verlieren. Gerade bei schlechter Sicht hätte das schnell fatale Folgen gehabt. Um auch nachts fliegen zu können, wurden kurz darauf die sogenannten Flugstreckenfeuer eingerichtet. Mit großen Scheinwerfern wurde den Piloten gezeigt, wo sie entlang fliegen mussten, um an ihr Ziel zu kommen.

Aus diesen Flugstreckenfeuer wurden ein paar Jahre später die sogenannten Funkfeuer. Auch sie zeigten den Piloten den Weg, allerdings nicht mit großen Scheinwerfern am Boden, sondern in Form von Funksignalen die auf kleinen Instrumenten im Cockpit angezeigt werden – es war die Geburtsstunde des Instrumentenflugs.

Aufsetzen, ohne die Landebahn zu sehen

Über die Jahre wurde die Technik verbessert und arbeitet heute deutlich zuverlässiger und genauer. Inzwischen können moderne Flugzeuge auch bei dichtestem Nebel eine Landung durchführen. Möglich macht das ein sogenanntes Instrumentenlandesystem (ILS). Das ILS ist ein bodenbasiertes System, das den Piloten bei der Landung unterstützt, indem zwei Leitstrahlen Kurs und Gleitwinkel für die Landung festlegen. Der Pilot muss mitunter noch nicht einmal mehr die Landebahn sehen, um sicher aufsetzen zu können.

Allerdings hat ILS einen hohen Preis: Je genauer es arbeiten soll, desto intensiver muss das auch kontrolliert werden. Soll heißen, das System muss regelmäßig gewartet und mit Messflügen eingerichtet werden, um solche Landungen in schlechter Sicht auch zu ermöglichen.

Ich halte für kleine Flugplätze das GPS-Verfahren für viel, viel sinnvoller was die Kosten und Effektivität und auch die Handelbarkeit angeht.

Henner Dörnenburg Geschäftsführer Flugplatz Magdeburg

Die Kosten hierfür sind aber enorm, erklärt Henner Dörnenburg, der Geschäftsführer des Magdeburger Flugplatzes: "Beim ILS-Verfahren ist es so, dass Sie Investitionskosten in der Größenordnung von vielleicht einer Million haben und pro Jahr auch um die 100.000 Euro Betriebskosten einrechnen müssen." Aus diesem Grund habe man sich in Magdeburg auch gegen ein ILS-Verfahren entschieden: "Als wir den Flugplatz Anfang 2009 als Pächter übernommen hatten, gab es noch ein bodengestütztes NDB/DME-Verfahren. Das ist ein ungerichteter Anflug mit einem Entfernungsmesser. Später wurde dann das Ganze umgewandelt auf ein Anflugverfahren auf Basis des Global Positioning System (GPS), also ein rein satellitenbasiertes Anflugverfahren."

Seitdem halten sich Dörnenburg zufolge die Ausgaben in Grenzen. So fallen für einen Zeitraum von fünf Jahren lediglich Kosten in Höhe von 20.000 Euro an, um die Vermessungsflüge durchführen zu lassen. Im Vergleich zum ILS also nur ein Bruchteil. Weitere große Kosten würden nicht anfallen, erklärt Dörnenburg. Für den Magdeburger Flughafenchef ist deshalb klar, dass auch andere Airports auf ein solches satellitengestütztes Verfahren umschwenken sollten: "Ich halte für kleine Flugplätze das GPS-Verfahren für viel, viel sinnvoller was die Kosten und Effektivität und auch die Handelbarkeit angeht."

Auch GPS hat Nachteile

Zu dieser Einschätzung sind auch viele Betreiber kleinere Flughäfen in den USA gekommen. In den vergangenen Jahren haben viele von ihnen ihre bodengestützten Anflugverfahren aufgegeben und setzen inzwischen ausschließlich auf das satellitengestützte GPS – ein Trend, der in Europa und Deutschland bislang noch ausgeblieben ist.

Das könnte an den Nachteilen des GPS liegen, räumt Dörnenburg ein: "Bei einem ILS kann die Entscheidungshöhe (Anm. d. Red.: Höhe in der ein Pilot sich für die Landung oder das Durchstarten entscheiden muss, wenn er die Landebahn nicht sehen kann) niedriger sein. Bei einem einfachen ILS-Verfahren liegt diese Höhe derzeit bei etwa 60 Metern. Das ist schon relativ wenig und da sind sie schon sehr nah bei der Landebahn dran, wenn sie einen entsprechenden Anflug machen." Die Entscheidungshöhe für das in Magdeburg genutzte GPS-Verfahren liegt zwar nur bei etwa 90 Metern. Für Dörnenburg ist das aber kein Problem: "Also für 99 Prozent der Anflüge reicht das vollkommen aus."

Leipzig/Halle kann immer angeflogen werden

Zumindest in Mitteldeutschland scheinen aber nicht alle Flughäfen ausschließlich auf dieses Verfahren umschwenken zu wollen. Zwar können die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden schon jetzt mit einem GPS-gestützten Verfahren angeflogen werden. Zumindest Leipzig/Halle will aber auch weiterhin das bodengestützte ILS-Landesystem einsetzen. Flughafensprecher Uwe Schuhart zufolge verfügt der größte Airport in Mitteldeutschland über ein ILS-System, das Flugzeuge auch automatisch landen lassen kann. Der Airport kann dadurch quasi immer angeflogen werden – unabhängig von den Sichtverhältnissen.

Die Bedeutung dieses ILS-Systems für den Flughafen Leipzig/Halle liegt auf der Hand. Der Airport, der vor allem als Drehkreuz von DHL eine zentrale Rolle im weltweiten Luftfrachtverkehr spielt, ist darauf angewiesen, stets angeflogen werden zu können. Für Logistiker ist die Allwettertauglichkeit des Flughafens schließlich eines der wichtigsten Argumente, ihre Fracht in Leipzig/Halle umzuschlagen.

Millionen werden am Flughafen Erfurt-Weimar investiert

Aber auch der deutlich kleinere Flughafen Erfurt-Weimar verfügt inzwischen über beide Systeme. Flughafensprecher Hans-Holm Bühl zufolge will man aber auch hier nicht auf das herkömmliche ILS verzichten. Derzeit wird das in die Jahre gekommene System sogar erneuert – eine Millioneninvestition, die aber nötig sei, meint Bühl: "Nur so können wir gewährleisten, dass Erfurt-Weimar von allen Flugzeugen auch bei widrigen Verhältnissen angeflogen werden kann." Für Linienflüge sei das ein wichtige Voraussetzung, findet Bühl.

Anders verhält es sich am Ostthüringer Flughafen Altenburg-Nobitz. Auch hier hoben einst Linienflüge ab – doch die verlustreiche Zusammenarbeit mit dem Billigflieger Ryanair hat in Altenburg für ein Umdenken gesorgt. Weshalb sich die Flughafenleitung auch nicht mehr um neue Linienflüge bemühen wolle, erklärte Flughafenchef Frank Hartmann. Nichtsdestotrotz verfügt auch dieser Flughafen über ein bodengestütztes ILS. Hartmann zufolge schlägt dieses mit Betriebskosten von jährlich etwas über 20.000 Euro zu Buche. Das wäre deutlich weniger, als andere Airports für die Instandhaltung und Prüfung ihrer Systeme zahlen. Warum gerade in Altenburg diese Kosten aber so viel niedriger sein sollen, konnte der Flughafenchef nicht erklären.

Gleichzeitig verfügt Altenburg-Nobitz parallel zu dem bodengestützten ILS-Verfahren auch über das neue satellitengestützte GPS-Landeverfahren. Die wichtigen Entscheidungshöhen sind hier vergleichbar mit denen des ILS. Bei beiden Verfahren müssen sich Piloten in einer Höhe zwischen 80 und 100 Metern – je nach Größe ihres Flugzeugs – über der Landebahn für eine Landung oder ein Durchstarten entscheiden. Doch ob man deshalb auf das ILS-System verzichten kann, wollte Hartmann nicht beantworten: "Das werde ich nicht mehr zu entscheiden haben. Ob dann in Zukunft ein System überflüssig wird, das vermag ich nicht zu sagen. Das ist keine Sache, die mich heute drückt."

Die MDR-Anfrage sei für Hartmann aber Anlass gewesen, sich mit der Thematik nun genauer zu beschäftigen: "Deswegen werde ich mich in Zukunft da nochmal mit meinen Leuten genau zusammensetzen." Um über eine Abschaffung des ILS-Systems nachzudenken, bedarf es Hartmann zufolge aber zunächst einer Veränderungsnotwendigkeit. Diese sei in Altenburg-Nobitz bislang aber nicht gegeben.

Bund der Steuerzahler: System zu teuer

Wolfgang Oehring, Landesvorsitzender vom Bund der Steuerzahler in Thüringen, sieht das etwas anders. Zwar habe er Verständnis für den Einsatz eines ILS-Systems, wenn ein enormes Sicherheitsbedürfnis bestehe, beispielsweise an Flughäfen mit viel Flugverkehr: "Das ist aber in Altenburg nicht gegeben. Und deswegen ist es uns unverständlich, dass so ein teures System noch zum Einsatz kommt."

Es ist uns unverständlich, dass so ein teures System noch zum Einsatz kommt.

Wolfgang Oehring Bund der Steuerzahler in Thüringen

Die Kritik Oehrings ist vor allem deshalb so deutlich, weil der Flughafen auch zu einem großen Teil von Steuergeldern mitgetragen wird. Das Landratsamt im Altenburger Land teilte mit, dass der Landkreis den Flughafen jährlich mit 250.000 bis 300.000 Euro unterstütze. Darüber hinaus seien in den Flugplatz in den zurückliegenden sechs Jahren fast zwei Millionen Euro in Umbau- und Sanierungsarbeiten investiert worden. Die Gelder dafür stammten dem Landkreis zufolge aus Bundes- und Landesfördermitteln.

Angesichts dieser Zahlen plädiert der Landesvorsitzende des Bunds der Steuerzahler auch für eine Kooperation Altenburgs mit den Flughäfen Leipzig/Halle und Erfurt-Weimar: "Das ist ja von der Entfernung her beherrschbar. Ich denke, da kann man Lösungen finden, wenn man das möchte. Darüber sollte man auf alle Fälle nachdenken, um dort Effekte, die sich aus Leipzig und aus Erfurt ergeben, nutzen zu können."

Uwe Melzer, der Landrat des Altenburger Lands, sieht das anders: "Seit langem ist der Flugplatz ein Standortfaktor für Industrieansiedelungen. Auch deshalb wird der Airport in den kommenden Jahren nicht an Bedeutung verlieren." Ob sich Melzer in Zukunft für einen Verzicht auf das vergleichsweise teure ILS-System einsetzen will, ließ er jedoch offen.

MDR (Thomas Tasler, Luca Deutschländer)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN – Das Radio | 08. Juli 2022 | 11:30 Uhr

11 Kommentare

martin am 08.09.2022

@quantix oder @MDR-Redaktion: Können Sie eine Quelle oder entsprechende Hinweise für die "volkswirtschaftliche Rentabilität" des Flughafen nachreichen? Die Aussage überrascht mich.

Quantix am 07.09.2022

Der Flughafen Leipzig ist irrelevant für den ICE-Verkehr, da viel zu klein. Wer sich auskennt, der weiß, dass sich Leipzig erst ab 23 Uhr füllt, und zwar mit Frachtmaschinen.
Außerdem wohnen - nach meinem bescheidenen Kenntnisstand - die Minderheit der Fluggäste des Erfurter Flughafens im Hauptbahnhofsgebäude. Ergo ist eine halbe Stunde Erfurt- Lej vollkommener Quatsch.
Zuletzt ist der Flughafen Erfurt-Weimar volkswirtschaftlich rentabel. Warum sollte ein Flughafen geschlossen werden, der über die geschaffenen Arbeitsplätze mehr Steuern schafft, als er selbst braucht?

martin am 07.09.2022

Was gern übersehen wird: Das GPS System ist ursprünglich für die US Armee entwickelt worden. Und im Kleingedruckten steht, dass es für nicht-militärische Nutzer jederzeit abgeschaltet werden kann.

Gut, in dem Fall mag man argumentieren: Wenn im Auto das Navi nicht mehr funktioniert, finden viele Menschen auch den Flughafen nicht mehr und es ist egal, ob die Piloten eine Instrumentenlandung machen können. Stimmt auch irgendwie.

Mehr aus Wirtschaft

Nachrichten

Gefahrenzeichen Arbeiten an Gasleitungen an einer Baustelle 2 min
Bildrechte: imago images/Mario Hösel
2 min 22.04.2024 | 11:34 Uhr

MDR AKTUELL Sa 20.04.2024 05:25Uhr 01:45 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/audio-2618282.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Mehr aus Deutschland

Nachrichten

Die Akkropolis auf einem Hügel mit rotem Himmel. 1 min
Eine feine Schicht aus Sahara-Sand und -Staub hat sich in Athen und anderen Teilen Griechenlands über Stadt und Land gelegt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 24.04.2024 | 17:12 Uhr

Eine feine Schicht aus Sahara-Sand und -Staub hat sich in Athen und anderen Teilen Griechenlands über Stadt und Land gelegt. Doch das rötlich schimmernde Naturschauspiel hat seine Nachteile.

Mi 24.04.2024 16:29Uhr 00:34 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/video-griechenland-athen-saharastaub-roter-himmel-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video