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PersonalmangelSommerferien: An vielen Flughäfen droht es eng zu werden

08. Juli 2022, 10:26 Uhr

An vielen deutschen Flughäfen herrscht derzeit Chaos. Fluggäste, die stundenlang auf Kontrollen warten, liegen gebliebenes Gepäck und immer wieder fallen Flüge aus. Denn die Nachfrage nach Flugreisen ist nach zwei Jahren Corona-Pandemie zwar sprunghaft angestiegen. Flughäfen und Airlines haben jedoch noch nicht wieder genug Personal, um dem Ansturm gerecht zu werden. Wo es in den kommenden Wochen besonders eng wird und was Flugreisende wissen müssen.

Schon an den Pfingstfeiertagen haben Urlauber die Probleme in der Luftfahrtbranche direkt zu spüren bekommen. Europaweit fielen Flüge aus und tausende Passagiere waren im Ausland gestrandet. Wessen Flug regulär ging, stand vor der Kofferabgabe oder Sicherheitskontrolle oft in einer mehrere hundert Meter langen Warteschlange. Seitdem hat sich die Situation an den meisten deutschen Airports kaum verbessert. Kurz vor Ferienbeginn in den meisten Bundesländern droht vielerorts erneut ein Reisechaos.

Flughafenverband: Zweieinhalb Stunden vor Abflug am Flughafen sein

Der deutsche Flughafenverband ADV rät Flugreisenden angesichts der zu erwartenden Verzögerungen bei der Abfertigung mindestens zweieinhalb Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein, wenn möglich schon am Vorabend einzuchecken und mit möglichst wenig Handgepäck zu reisen. Doch die Flughäfen in Deutschland sind nicht alle in gleichem Maße von den Ausfällen betroffen.

Als Faustregel gilt, je kleiner der Flughafen, desto größer die Chance, dass man ohne Probleme in den Urlaub kommt.

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Lage an den Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden

Wer direkt von Leipzig/Halle oder Dresden aus in den Urlaub fliegt, muss sich keine Sorgen machen. "Personalengpässe beim Abfertigungs- und Servicepersonal, die an den anderen Airports zu teilweise stundenlangen Wartezeiten geführt haben, die gibt es aktuell weder in Dresden noch in Leipzig/Halle", erklärte ein Sprecher der Mitteldeutschen Flughafen auf Nachfrage. Damit gäbe es bisher auch keine nennenswerten Auswirkungen auf die Abfertigungsdauer.

Der Grund: Hier sei während der Pandemie niemand entlassen worden. Auch für die kommenden Wochen erwarte man keine langen Warteschlangen, da die Personalsituation aktuell stabil sei.

Lage am Flughafen Erfurt-Weimar

Ausfälle, Verspätungen und lange Wartezeiten gibt es auch am Flughafen der Landeshauptstadt von Thüringen nicht. Ein Flughafensprecher erklärte, man verzeichne zwar wieder mehr Flugbewegungen, allerdings sei die Abfertigung der Flüge kein Problem, da man personaltechnisch sehr gut aufgestellt sei.

Lage am Flughafen Berlin Brandenburg (BER)

Der Hauptstadt-Airport bereitet sich auf einen großen Ansturm von Reisenden vor. Während der Sommerferien rechnet die Flughafengesellschaft mit bis zu drei Millionen Passagieren. Das sind etwa eine Million Menschen mehr als in den Sommerferien des vergangenen Jahres. Zwar habe sich der Flughafen in den letzten Wochen und Monaten bestmöglich vorbereitet. Zudem gebe es aktuell keine kurzfristigen Krankmeldungen, die für Engpässensorgen, teilte eine Sprecherin des Flughafens mit. Trotzdem werde es punktuell zu Wartezeiten und Verzögerungen kommen.

Die Pilotenvereinigung Cockpit rechnet hingegen mit einer erheblichen Geduldsprobe für viele Reisende auch am BER. Wie andere Flughäfen in Deutschland dürfte auch der BER große Probleme damit haben, die Vielzahl an Urlaubern zu bewältigen, sagte Cockpit-Vorstand Matthias Baier im Inforadio des RBB.

Lage am Flughafen Hamburg

Auch am Hamburger Flughafen müssen sich Passagiere auf Wartezeiten einstellen, kündigte Airportchef Michael Eggenschwiler an. Es fehle an vielen Stellen an Personal. Einer Flughafensprecherin zufolge kommt es vor allem in den Morgenstunden zu längeren Wartezeiten. Trotz der engen Personalsituation der Firmen am Flughafen habe man zuletzt aber noch einmal Personal aufstocken können. Vor den Sicherheitskontrollen betrug die Wartezeit am frühen Donnerstagmorgen laut Bundespolizei anderthalb Stunden.

Um dem Ansturm in den kommenden Tagen zu begegnen, hat der Airport in Fuhlsbüttel früher geöffnet. Freitags sind ab 3:15 Uhr die Türen offen, die Sicherheitskontrollen finden ab 3:30 Uhr statt.

Von möglichen Annullierungen sind auch in Hamburg vor allem Kurzstreckenflüge betroffen. Bildrechte: imago/Rüdiger Wölk

Lage am Flughafen Hannover

Lange Warteschlangen beim Einchecken gibt es auch am Flughafen Hannover. Zuletzt hatte aber ein Koffer-Chaos in Hannover für Schlagzeilen gesorgt. Hunderte Koffer hatten sich am Flughafen Hannover-Langenhagen aneinandergereiht.

Dabei steht vor allem der Dienstleister AHS in der Kritik, der sich am Flughafen Hannover um einen großen Teil der Abfertigung kümmert. Derzeit werde pro Tag die fünffache Menge an Gepäck verloren gemeldet, schreibt AHS in einer Stellungnahme. Passagiere und ihr eingechecktes Gepäck kämen oft nicht zeitgleich an. Der Dienstleister sieht eine Ursache in zu knapp bemessenen Umsteigezeiten.

Lage am Flughafen Frankfurt/Main

Am größten deutschen Airport fallen derzeit besonders viele Flüge aus. Allein die Lufthansa hat bis August bereits mehrere hundert Flüge gestrichen. Es ist möglich, dass noch weitere Flüge gestrichen werden müssen.

Außerdem gibt es einem Sprecher des Flughafens zufolge eine relativ hohe Unpünktlichkeit und insbesondere beim Gepäck lange Wartezeiten. Derzeit werde die Verladung abgehender Flugzeuge sowie das Gepäck von Transit-Passagieren priorisiert. Wer in Frankfurt seine Reise beende, müsse daher auch schon mal zwei Stunden auf die Koffer warten.

Lage am Flughafen Nürnberg

Der fränkische Airport war zuletzt an den Pfingstfeiertagen bundesweit negativ in die Schlagzeilen geraten. Damals waren 1.700 Gepäckstücke liegen geblieben. Schuld waren eine Technikpanne, die Personalsituation und Änderungen im Flugplan. Der Flughafen bezeichnete die Probleme als eine "Verkettung von Umständen".

Die Personalsituation sei nach wie vor angespannt. Seit Dezember laufe aber die größte Rekrutierungskampagne in der Geschichte des Flughafens. Allein im Juni und Juli werden 50 neue Kräfte erwartet, so der Sprecher. Damit sei dann die Personalsituation wieder auf Vor-Corona-Niveau.

Was passiert, wenn mein Flug annulliert wird?

Die Fluggesellschaft muss einen Ersatzflug anbieten. Die angebotene Umbuchung können betroffene Fluggäste entweder annehmen oder ihr Geld zurückverlangen. Das Umbuchen geht in der Regel recht einfach bei den Fluggesellschaften selbst.

Sollte die Fluggesellschaft keinen geeigneten Alternativflug anbieten, dürfen Fluggäste auch selbst nach einem geeigneten Angebot suchen. Simone Meisel von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt rät aber, solche Flüge erst nach schriftlicher Rücksprache (beispielsweise per Mail) mit der Fluggesellschaft zu buchen: "In der Regel sind diese Hotlines ausgelagert auf Dienstleister. An einen einzelnen Anruf wird sich am Ende niemand erinnern können. Hier ist es wichtig, den direkten Kontakt mit der Fluggesellschaft oder dem Reiseveranstalter auch zu dokumentieren, um dann im Falle eines Rechtsstreites auch den Nachweis führen zu können."

Wenn die Airline die Forderung zurückweist oder innerhalb von zwei Monaten nicht darauf reagiert, können sich Fluggäste an Schlichtungsstellen wenden. Zuständig ist laut Verbraucherzentrale entweder die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr oder die Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz. Die Schlichtungsstellen sind kostenfrei. 

Verpasst man einen Flug wegen Verzögerungen an der Sicherheitskontrolle, ist es Experten zufolge aber nicht so leicht, Ansprüche auf Entschädigung geltend zu machen. Nach Angaben der Verbraucherzentrale fällt das in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei.

Was passiert, wenn ich wegen Flugverspätungen oder Annullierung erst zu spät aus dem Urlaub komme?

Wer wegen Flugverspätungen oder Annullierung zu spät aus dem Urlaub zurückkommt und nicht pünktlich zur Arbeit erscheint, hat grundsätzlich keinen Lohnanspruch. Simone Meisel von der Verbraucherzentrale empfiehlt in diesem Falle, sich schnellstmöglich mit dem Arbeitgeber in Verbindung zu setzen: "Ob man jetzt den Urlaub verlängert oder man eine unbezahlte Freistellung erhält – hier bin ich tatsächlich auf das Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen."

Simone Meisel von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt rät, alles schriftlich festzuhalten. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Aber auch hier gilt wieder, alles schriftlich festzuhalten, um dann bei der Airline oder dem Reiseveranstalter entsprechende Ausgleichszahlungen oder Schadenersatzansprüche geltend machen zu können." Zwar hätten Fluggäste grundsätzlich Ansprüche, es gebe aber auch zahlreiche Ausnahmen, gibt Meisel zu bedenken: "Das muss dann am Ende immer im Einzelfall geprüft werden. Hier sollte man sich tatsächlich immer Rechtsrat einholen."

Personalmangel sorgt für Krise – Kein Ende in Sicht

Die gesamte Luftfahrtbranche in Europa leidet aktuell unter Personalmangel – von der Passagierkontrolle über die Flugzeugabfertigung bis hin zu den Flugbegleitern. Es fehlen Mitarbeitende, die sich in der Pandemie andere Jobs gesucht haben. Schon vor Wochen warnte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vor den Problemen – viel ändern konnte er bislang aber auch noch nicht.

Zwar hat die Bundesregierung ein beschleunigtes Verwaltungsverfahren angekündigt, sodass Hilfskräfte aus der Türkei an den Flughäfen bei der Gepäckabfertigung einspringen können. Die Branche hofft so ab August bis zu 2.000 zusätzliche Arbeitskräfte einsetzen zu können. Experten befürchten aber, dass sie für das Feriengeschäft vieler Flughäfen zu spät kommen und zu wenige seien. Denn dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge fehlen derzeit über 7.000 Beschäftigte. Zudem starten in vielen Bundesländern schon in den nächsten Tagen die Schulferien.

Über den AutorThomas Tasler arbeitet seit Juni 2019 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Bevor der gebürtige Südthüringer nach Magdeburg kam, hat er in Leipzig bei MDR AKTUELL und mephisto 97.6 Station gemacht. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Luftfahrt und ist bei diesem Thema Ansprechpartner Nummer eins im Funkhaus.

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MDR (Thomas Tasler)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 07. Juli 2022 | 07:45 Uhr

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