Hörer machen Programm Gaspreis-Paradox - warum Kunden heute mehr bezahlen müssen

20. Juli 2022, 14:18 Uhr

Fachleute erwarten einen Preisanstieg, bei dem Endverbraucher bald das Dreifache für Gas zahlen müssen. MDR AKTUELL-Hörer Steffen Wahrn fragt, ob das wirklich begründet ist. In einer Preistabelle aus den USA sieht er, dass die Weltmarktpreise für Gas in der Finanzkrise 2008 viel höher gewesen waren als heutzutage. Dennoch zahlten Verbraucher weniger als heute. Wie kann es zu den aktuellen Preisen kommen?

Wer einen Blick in die Geschichte und Entwicklung der Gaspreise nehmen will, der landet online schnell bei den US-amerikanischen Preisen, denn die dortige Energiebehörde veröffentlicht die Daten bis zurück in die Neunzigerjahre. Das sei spannend, führe aber auch zu Missverständnissen, sagt der Gasmarkt-Experte Heiko Lohmann: "Genau diese Preise finde ich wieder, wenn ich mir die US-amerikanischen Preise anschaue. Das sind Marktpreise, die waren damals so hoch, wie der Hörer es schreibt, und mittlerweile sind sie deutlich niedriger."

Auf Deutschland trifft das allerdings nicht zu. Hier hat sich der Gaspreis über die Jahre anders entwickelt. Eine Orientierung biete hier die Statistik des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Lohmann sagt: "Das Preisniveau, was wir aktuell haben, hat es historisch in Deutschland zumindest so noch nie gegeben."

In Deutschland sieht es im Vergleich von 2008 (dem Jahr der Finanzkrise) zu 2022 so aus: "Nach diesem statistischen Preis lag er damals so zwischen 22 und 30 Euro pro Megawattstunde. Das hängt jeweils vom Monat ab und jetzt ist er bei über 60 Euro pro Megawattstunde." Das ist der sogenannte Grenzübergangspreis – also der Preis, der Gas kostet, wenn es über die Grenze nach Deutschland kommt, erklärt Gasmarkt-Experte Lohmann.

Im Gegensatz dazu sind die Preise in den USA deutlich günstiger, weil das Land selbst viel und billig produziert – unter anderem durch Fracking. So kommen die Zahlen zustande, auf die sich unser MDR AKTUELL-Hörer Steffen Wahrn bezieht.

Preisschwankungen durch Liberalisierung und Verknappung

Generell sollte man bei Weltmarkt-Preisvergleichen mit bedenken: Welchen Einfluss hätten die hohen Preise auf die Gasversorger in Deutschland und damit auf die Verbraucher, rät der Verivox Gas-Experte Lundquist Neubauer: "2008 war es so, dass ein Großteil der Gasversorger einfach feste Lieferverträge über bestimmte Abnahmemengen hatte. Solche hohen Schwankungen, wie sie es am Weltmarkt gab, spielten dann eher eine untergeordnete Rolle oder hatten mehr oder weniger gar keinen Einfluss."

Das sieht heute anders aus. Der Gasmarkt habe sich liberalisiert und viele neue Versorger beschafften sich das Gas am Weltmarkt, etwa an der Gasbörse, erklärt Neubauer. Preisschwankungen treffen sie also viel härter. Hinzu kommt, dass derzeit Gazprom-Verträge nicht einhält und Gas gedrosselt wird. Hier findet eine Verknappung statt: "Und das reduziert einerseits die Mengen, die geliefert werden, aber treibt eben auch nochmal die Preise am Weltmarkt nach oben. Insofern ist der Einfluss, den die hohen Preise heute auf den Versorger haben, und damit auch auf den Verbraucher, viel höher als damals 2008", erklärt Neubauer.

Verivox-Gasexperte Neubauer glaubt nicht, dass sich derzeit deutsche Gasversorger die Taschen vollmachten. Immerhin stünden selbst sehr Große kurz vor der Insolvenz. Man könne argumentieren, dass der Staat über die Mehrwertsteuereinnahmen mitverdiene, sagt Heiko Lohmann. Eindeutige Profiteure seien aber klar die internationalen Gas-Produzenten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 20. Juli 2022 | 06:00 Uhr

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