Chemieanlage
In der Chemie-Industrie werden Notstromaggregate in vielen Bereichen bereits eingesetzt. Bildrechte: IMAGO / YAY Images

Vorschlag der Bundesregierung Drohender Gasmangel: Notstromaggregate helfen der Industrie nicht weiter

09. Juli 2022, 08:28 Uhr

Was, wenn Moskau den Gashahn tatsächlich zudreht? Auszuschließen ist das nicht, sagt die Bundesnetzagentur. Und so rät die Bundesregierung Unternehmen, im Falle einer Mangellage bei Gas und Strom zum Kauf von Notstromaggregaten. In der Industrie ist man zumindest irritiert, jedenfalls dort, wo es ohne Gas eben nicht geht.

Gas ist in Deutschland nicht nur wichtig, wenn es um das Heizen der Wohnung geht. Gas macht hierzulande auch rund 15 Prozent vom Energiemix aus. Dass man Firmen aber zu Notstromaggregaten rät, sollten Gaslieferungen ausbleiben, findet der Energie-Experte Heiko Lohmann zumindest seltsam. Überall da, wo die Industrie Prozesswärme einsetze, und das sei der Haupteinsatzbereich, könne sie das nach seinem Kenntnisstand nicht mit Notstromaggregaten ersetzen.

Prozesswärme wird benötigt, um Materialien beispielsweise zu schmelzen, zu härten oder zu verformen. Also etwa in der Metall- oder Glasindustrie. Für Heiko Lohmann wäre es nahe liegender gewesen, zu gucken, ob es auf dem Gelände noch einen Öltank gibt: "Das ist im industriellen Bereich eher das Gegebene, dass man dann in bestimmten Bereichen Öl statt Gas einsetzt. Notstromaggregate finde ich im Bereich der Gasversorgung tatsächlich etwas erstaunlich, um ehrlich zu sein.“

Chemie-Industrie ist auf Gas angewiesen

So sieht man das auch in der Chemie-Industrie. Zwar würden in vielen Bereichen schon jetzt Notstromaggregate eingesetzt, sagt Fabian Hoppe, Sprecher des Verbands der Chemischen Industrie Nordost. Das liege aber in erster Linie daran, dass die hochsensiblen Produktionsanlagen eine konstante Energieversorgung bräuchten. Eine Gas-Mangellage könnten sie aber nicht ansatzweise ausgleichen.

Die Firmen der Branche hätten in den vergangenen Monaten viel unternommen, um ihren Gasverbrauch zu reduzieren, sagt Hoppe: "Jedoch sehen unsere Unternehmen die kurzfristigen Einsparmöglichkeiten absolut ausgereizt, und weitere Umstellungen sind technisch anspruchsvoll, benötigen teils auch entsprechende Genehmigungen und sind auch gar nicht von heute auf morgen machbar." Und ganz wichtig zu sagen sei auch, dass Gas in der Chemieindustrie nicht nur ein Energieträger sei, sondern auch ein ganz wichtiger Rohstoff.

Notstromaggregate nutzlos für Stickstoffwerke

Etwa für die Stickstoffwerke Piesteritz in Sachsen-Anhalt, die neben Düngemittel auch AdBlue herstellen, das den Schadstoffausstoß von Dieselautos verringert. Notstromaggregate würden die Probleme durch ausbleibendes Gas nicht beheben, sagt Unternehmenssprecher Christopher Profitlich. Zwar hätten sie dann Strom, aber sie könnten nichts herstellen, da ihnen der Rohstoff fehle. Damit helfe ihnen diese Aufforderung nichts. Heißt: Ohne Gas gehe mittel- und selbst langfristig nichts.

Auch Autoindustrie auf Gas angewiesen

Das geht vielen Unternehmen der Automobilindustrie nicht anders. Teile, die mit Gieß- und Schmelzprozessen hergestellt werden würden, seien auf Gas angewiesen, sagt Rico Chmelik, Geschäftsführer der Branchenvereinigung Automotive Thüringen. Das könnten zum Beispiel Aluminiumteile sein, das könnten Metallteile sein, also auch Teile für die Stabilität einer Karosserie zum Beispiel. Ohne Gas könne eine Schmelzung nicht erfolgen. "Man kann vieles fordern und vorschlagen. Aber ich habe Zweifel, dass Notstromaggregate den Energiebedarf, etwa einer Aluminiumgießerei, abdecken können", sagt Rico Chmelik.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 08. Juli 2022 | 07:08 Uhr

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