Hörer machen Programm Kann Geothermie Kraftwerke ersetzen?

08. Juni 2022, 08:51 Uhr

Eine alternative Form der Energiegewinnung ist die Geothermie. Damit kann Energie aus der Erde gewonnen werden. MDR AKTUELL-Hörer Jörg Kupey fragt, ob man damit Elektroenergie in großem Stil gewinnen kann und ob so große Kraftwerke abgelöst werden könnten?

Wer Energie aus der Erde haben will, muss bohren – wie hier im sächsischen Freiberg. Mit schwerem Gerät geht es hinab ins Erdreich, bis in etwa 100 Meter Tiefe. Damit man für die Zukunft gleich die Geologie der Region miterfasst, arbeitet die Bohrfirma von Wolfdietrich Homilius eng mit der Technischen Universität Freiberg zusammen: "Wir bohren im Auftrag der TU Bergakademie Freiberg, um einen Geothermie-Atlas für Sachsen auszuarbeiten, in verschiedenen Gesteinen. Ob das jetzt im Einfamilienbereich ist oder auch Sanierung, man kann dann die genaue Bohrtiefe festlegen, die für die Sonde notwendig ist, um genau dieses Haus mit Geothermie zu versorgen."

Mit so einer Erdwärmesonde in relativ geringer Tiefe, Heizung und Warmwasser auf Temperatur zu bringen, funktioniert laut Homilius ohne große Probleme. Tausende solcher Anlagen gehen aktuell jährlich neu ans Netz: "Im Haus drinnen ist eine Wärmepumpe. Das ist im Prinzip nichts anderes als ein umgekehrter Kühlschrank. Hier wird eine Doppel-U-Rohrsonde eingelassen, die im Bohrloch die Sonde umschließt, um die Wärme aus dem Gestein in die durchspülte Sonde zu kriegen", erklärt Homilius.    

So wird das Wasser unterirdisch erwärmt, eine Bohrung reicht und das funktioniert im Prinzip an jedem Standort. Aber eben nur in diesen eher kleinen Dimensionen erklärt Matthias Reich vom Institut für Bohrtechnik und Fluidbergbau der TU Freiberg. Wesentlich schwieriger wird es, wenn ganze Wohnsiedlungen oder gar große Kraftwerke betrieben werden sollen. "Dann brauchen wir mindestens zwei Bohrungen und die müssen Kilometer tief in die Erde runtergeführt werden. Die müssen im Prinzip so weit auseinander sein, dass die kalte Bohrung nicht die warme Bohrung beeinflusst. Deswegen muss das Wasser irgendwelche Fließwege finden, um von der einen zur anderen Bohrung fließen zu können, damit sich der Kreislauf schließt", sagt Reich.

Kaum Energieerzeugung durch Geothermie in Sachsen möglich

Um diese sogenannte Tiefengeothermie effizient und vor allem kostengünstig zu nutzen, sagt Reich, sei in unserer Region ein großes Problem. Denn in Deutschland gebe es nur wenige Gegenden, in denen die Wasserwegsamkeiten in passender Tiefe seien. "Und bei uns im Freistaat Sachsen ist das leider fast überhaupt nicht der Fall. Deswegen ist die Antwort sehr betrüblich, aber hier bei uns in Sachsen werden wir wohl mit Geothermie in absehbarer Zeit keine elektrische Energie erzeugen können", sagt Reich.

Ähnlich betrüblich sieht es in Thüringen und Sachsen-Anhalt aus. Nur in Teilen Bayerns und Norddeutschlands funktioniert das regional besser und wird auch schon genutzt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise fordern nun vier Geothermie-Verbände, das Potenzial in Zukunft noch besser auszuschöpfen. Immerhin: Bundesweit sind derzeit bereits 42 Tiefengeothermie-Anlagen in Betrieb und mehr als 440 Tausend oberflächennahe Erdwärme-Systeme. Mit 1,3 Terawattstunden klimaneutraler Wärme pro Jahr trägt die Technologie laut der Verbände schon jetzt zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen bei.

Viele Bohrungen für Geothermie-Atlas

In Freiberg konzentrieren sie sich deshalb auf Wärmepumpen für möglichst viele kleine Objekte. Helfen soll dabei der Geothermie-Atlas der TU Freiberg. "Damit die Häuslebauer noch weniger Risiko zu tragen haben, versuchen wir mit unserem Spezialbohrgerät einen Atlas für die Region zu erstellen. Das heißt, wir sammeln Daten aus möglichst vielen Bohrungen hier im ganzen Gebiet rund um Freiberg und werten die aus. Dann sehen wir, wo mit möglichst geringen Kosten eine Geothermie-Heizung anzulegen ist oder nicht", sagt Reich.

Und mit jeder Bohrung wächst der Atlas und es wird noch einfacher, sich für eine umweltfreundliche Wärmegewinnung zu entscheiden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 08. Juni 2022 | 06:23 Uhr

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