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Künstliche IntelligenzWie Mensch und Maschine gemeinsam Kunst schaffen

30. September 2024, 05:00 Uhr

Ob mit Pinsel, Tastatur, Klaviatur oder Kamera: Kunst ist ein kreativer Schaffensprozess. Und immer häufiger gesellt sich zum kreativen Kopf auch Künstliche Intelligenz. Wie verändert KI die Kunst?

Tristan Schulze positioniert sich vor einem Tablet in seinem Arbeitszimmer im Leipziger Zentrum und macht ein Selfie von sich. Hier in seiner Butze – wie er das kleine Zimmer liebevoll nennt – entsteht ein Großteil seiner Kunst. Und das mit Hilfe von KI, also Künstlicher Intelligenz. Er erklärt uns, was jetzt mit dem Selfie passiert.

"Ich habe ein Foto von mir gemacht, das ist gepromptet mit Koalas im Weltall." Prompts sind Befehle, die in das entsprechende Programm eingegeben werden. Mit ihnen kann Tristan Schulze bestimmen, was im Bild zu sehen sein soll. Die KI überarbeitet das Foto mit den Vorgaben aus dem Prompt: "Ich sage dem System: Wie kreativ darf die KI sein?"

Kreativitätslevel von 20 bis 70 Prozent

Das Kreativitätslevel reicht von 20 Prozent – kaum wahrnehmbar – bis hin zu 70 Prozent – weit entfernt von dem Originalbild. Übersetzt heißt das: Man kann bestimmen, wie stark darf die KI das Bild verändern. Der 42-Jährige hat mit dieser Technik eine Fotokabine kreiert, die bereits vielfach ausgestellt und ausprobiert wurde, mit der jeder selbst sein verrücktes Porträt gestalten kann.

Es ist nur eine von vielen Techniken, wie Tristan Schulze in seiner Kunst KI nutzt. Mit einem von ihm entwickelten 3D-Avatar kann jeder in digitale Outfits schlüpfen. Mit Hilfe einer Kamera und KI. Er wedelt mit den Armen und erklärt, wie es funktioniert: "Meine Körpermaße werden vermessen und ich bekomme einen künstlichen Körper." Auf einem Bildschirm entsteht ein digitaler Avatar, der immer wieder neue Outfits trägt. Mit KI wird so das Publikum Teil der Kunst-Installation und gestaltet sie mit.

Wie Dalìs Kunst durch KI in Bewegung kommt

Auch im Leipziger Kunstkraftwerk – einem Museum für digitale Kunst – kommt KI zum Einsatz. Dort läuft gerade eine Ausstellung zu Salvador Dali, der schon zu Lebzeiten als Surrealist und Visionär galt. Der berühmte spanische Künstler erschuf mit seiner Kunst Traumwelten und mit Hilfe von KI kommen seine Motive jetzt in Bewegung.

KI-Werkstatt

Markus Löffler, einer der Initiatoren des Leipziger Kunstkraftwerks, ist fasziniert von dem Ergebnis: "Da sieht man plötzlich Uhren, aus denen Elefanten herauskommen, oder brennende Giraffen sich mit anderen seiner Motive vermischen."

Mit KI entstünden neue Möglichkeiten der Visualisierung und neue Sehgewohnheiten. Künstliche Intelligenz habe die Kunst bereits jetzt verändert und Löffler geht davon aus, dass KI die Kunst weiter beeinflussen und bereichern werde. "Es wird Chancen und Risiken geben, gute Kunst und schlechte Kunst". Dafür müssten geeignete Kriterien entwickelt werden. "Wir sollten das auf keinen Fall einfach ablehnen."

Musizieren mit KI

Auch in der Musikszene wird mit KI experimentiert. Im "Hybrid Music Lab" der Hochschule für Musik in Dresden komponiert und forscht die gebürtige Griechin Artemi-Maria Gioti mit und an künstlicher Intelligenz.

Wer eingängige Popmusik erwartet, ist bei ihr an der falschen Adresse: "Bei meinem Stück 'Bias 2 für Klavier und interaktives Musiksystem' kann der Pianist oder die Pianistin frei zwischen sieben Klangfarben wechseln. Und dabei versucht ein KI-Algorithmus zu lernen, wie Musiker zwischen diesen Klangmaterialien wechseln. Und er schlägt Klangmaterial vor, basierend auf dem, was er aus vergangenen Aufführungen des Stückes gelernt hat."

So verändere sich das Stück nach jeder Vorstellung durch jede Vorstellung. Co-kreativ nennt Gioti das. Die vorher aufwendig trainierte KI trägt ihren Teil zur Entstehung des Stückes bei. "Und was ich dabei faszinierend finde, ist, wie das den Begriff der Komposition ändert, weil meine Aufgabe als Komponistin nicht darin besteht, eine feste Partitur zu schreiben, sondern die Regeln für diese Interaktion zu definieren."

KI: ein Akteur mit sehr kleinem Innovationspotential

Die KI sei dabei ein Akteur, eingebettet in einem größeren Mensch-Maschine-Netzwerk, sagt Gioti. Wirklich Neues schaffen könne dieser Akteur aber nicht. KI habe nur ein sehr kleines Innovationspotenzial.

Klartext über KI

Knappe 150 Kilometer von Dresden entfernt sitzt Julian Stahl an einem Konferenztisch in Halle. Dort hat die Kulturstiftung des Bundes ihren Sitz. Stahl ist verantwortlich für das Förderprogramm "Kunst und KI", das die Stiftung in diesem Jahr aufgelegt hat. Auf der einen Seite experimentierten im Moment sehr viele mit KI, blieben jedoch "ein Stückweit noch sehr an der Oberfläche", sagt Stahl.

Förderprogramm für Kunst und KI

Stahl sagt auch, es gebe gar nicht so viele Künstlerinnen und Künstler oder auch Institutionen, sprich Museen oder Theater, "die sich in größeren Produktionen damit auseinandersetzen. Das heißt, wir haben da Bedarf gesehen, das zu fördern und zu schauen, was ist da eigentlich möglich?".

In den kommenden vier Jahren will Stahls Programm mindestens zehn Kulturinstitutionen und Künstlergruppen dabei unterstützen, das ästhetische Potenzial von KI-Technologien auszuloten. Bis zu 3,7 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Dass er damit fördern könnte, dass die KI Künstler irgendwann überflüssig macht, das glaubt Stahl aber nicht. "Es ist für mich eher die Frage, wie arbeiten Künstler*innen mit KI? Und ich glaube, es gibt schon bestimmte Elemente von Kunst, die sich nicht errechnen lassen."

Tristan Schulze bei seiner Arbeit mit KI. Bildrechte: MDR

Auch Komponistin und Forscherin Artemi-Maria Gioti sieht in der künstlichen Intelligenz mehr eine Chance als eine Bedrohung. Menschliches Innovationspotenzial lasse sich eben nicht so leicht simulieren. "Ich bin der Meinung, dass das Potenzial von KI nicht darin liegt, Musik zu komponieren, sondern neue, kreative Möglichkeiten zu eröffnen und musikalisches Denken zu prägen."

Klar ist: mit KI können Dinge realisiert werden, die bisher ausschließlich in künstlerischer Hand von Menschen lagen. Deswegen wird weiter diskutiert, welche Rolle KI in der Kunst – sei es im Bereich digitale Kunst oder beim Schaffen von Musik – einnehmen kann.

Ich glaube, dass gerade viele Leute Angst haben und dass das auch berechtigt ist. Aber das wird aufhören.

Tristan Schulze | Leipziger Künstler

Tristan Schulze sieht in der KI keine Bedrohung: "Ich glaube, dass gerade viele Leute Angst haben und dass das auch berechtigt ist." Aber das werde aufhören. Denn wer sich intensiv mit dem Thema beschäftige, der verstehe, was man alles verändern könne und wo auch die Grenzen von KI lägen. "Man darf es nur nicht aus der Hand geben. Es irgendwelchen großen Konzernen zu überlassen, ist keine gute Idee."

Schulze plädiert für das Nutzen von Open-Source-Programmen, die allen zur Verfügung stünden, stellt viele seiner Modelle und Arbeiten online zur Verfügung. Damit könnten andere sie weiternutzen und daraus lernen.

KI: Werkzeug und Dialogpartner

Für Schulze ist KI ein zentrales Werkzeug, um Geschichten zu erzählen. Dabei kommt er mit ihr in einen teils überraschenden Dialog. "Weil der Algorithmus so gestrickt ist, dass Zufälle eine Rolle spielen." Die KI werde ein Dialogpartner, so Schulze. "Du hast eine Vorstellung von dem, was du machen willst. Und dann plötzlich kommt was raus, womit du nicht gerechnet hast und du merkst: Das fehlt an meiner Idee oder so wollte ich es nicht."

Tristan Schulze sieht in der KI keine Bedrohung. Bildrechte: MDR

Ab dem kommenden Semester tritt Tristan Schulze eine Professur an: "Gestaltung mit Künstlicher Intelligenz" an der Hochschule für Gestaltung in Mainz. Aber sein Zuhause bleibt Leipzig. Wo er neue Kunst erschafft – gemeinsam mit KI.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL TV | 30. September 2024 | 21:45 Uhr

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