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KlagenHaben deutsche Gashändler Anspruch auf Schadenersatz von Gazprom?

16. September 2022, 05:00 Uhr

Seit mehreren Tagen liefert der russische Energieriese Gazprom kein Gas mehr nach Deutschland. Für die deutschen Erdgashändler wie Uniper oder das Leipziger Unternehmen VNG wird das immer mehr zum Problem. Denn sie müssen für ihre Kunden das bereits versprochene Gas nun anderweitig beschaffen – zu enorm hohen Preisen. Da stellt sich die Frage, ob die deutschen Großhändler nicht Anspruch auf Schadenersatz hätten. Kann man Gazprom verklagen?

Bei Deutschlands größtem Erdgas-Importeur Uniper wälzen Juristen bereits die Akten. Nach Medienberichten prüft das Unternehmen, den russischen Lieferanten Gazprom auf Milliarden an Schadenersatz zu verklagen – wegen ausbleibender Lieferungen. Auch andere Gas-Importeure dächten über eine Klage nach, sagt Charlie Grüneberg vom Branchenverband Zukunft Gas. "Wir gehen fest davon aus, dass die deutschen Unternehmen versuchen werden, ihr Recht hier durchzusetzen. Nicht nur um Geld des deutschen Steuerzahlers zurückzuholen, sondern aus ureigenem Interesse. Verträge, die man eingeht, sollten auch eingehalten werden."

Prozess gegen Gazprom auch wegen Gas-Umlage wichtig

Doch sind Klagen gegen Gazprom überhaupt aussichtsreich? Darauf komme es nicht unbedingt an, sagt der Gasmarkt-Experte Heiko Lohmann. Die deutschen Importeure seien verpflichtet, Klagen zu prüfen: "Jeder, der nicht die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft, um zu seinem Geld zu kommen, macht sich im Grunde genommen gegenüber seinen Eigentümern strafbar. Und dann hat man mir erzählt, dass bei der sogenannten Gas-Umlage, mit der ja die Unternehmen gegenüber dem Staat den Ausfall geltend machen können, von den Unternehmen gefordert wird, auch nachzuweisen, dass sie sich darum bemühen, gegenüber Gazprom Forderungen geltend zu machen."

Wie mögliche Prozesse gegen Gazprom verlaufen könnten

Der russische Staatskonzern dürfte in den kommenden Monaten also Anwaltspost aus Deutschland bekommen. Doch er hat vorgesorgt. Bislang machte Gazprom für alle Lieferunterbrechungen höhere Gewalt geltend. Mal fehlte angeblich eine Turbine aus Deutschland, mal war eine andere defekt.

Ob das wirklich gestimmt hat, könnte final vor Schiedsgerichten entschieden werden. Auf die einige man sich in der Regel schon mit dem Liefervertrag, sagt der Hallesche Wirtschaftsprofessor Christian Tietje. Es würde ihn überraschen, wenn das in den Verträgen mit Gazprom anders sei. "Man müsste ein solches Verfahren initiieren, beispielsweise in Stockholm. Es ist davon auszugehen, dass die russische Seite nicht erscheinen wird. Dann müsste das Verfahren einseitig durchgeführt werden. Es müssten Zeugen gehört werden. Das wäre natürlich alles sehr kompliziert."

Verurteilung von Gazprom durchaus denkbar

Und es dürfte Jahre dauern, sagt Tietje. Trotzdem sei eine Verurteilung Gazproms denkbar: "Solche internationalen Schiedsurteile sind vollstreckungsfähig. Und zwar international. Das heißt, sie könnten mit einem solchen internationalen Schiedsspruch zum Beispiel nach New York gehen, gesetzt den Fall: Gazprom hat dort Vermögen, ein Bankkonto beispielsweise. Und dann könnten sie theoretisch dieses Bankkonto pfänden lassen, mit dem internationalen Schiedsspruch, den sie als deutsches Unternehmen erstritten haben, beispielsweise in Stockholm."

Der Wirtschaftsprofessor macht allerdings Einschränkungen. Wahrscheinlich habe Gazprom hohe Vermögenswerte im Ausland längst beiseite geschafft. Gut möglich auch, dass sich der Schaden der ausbleibenden Gas-Lieferungen durch die Vermögenswerte gar nicht decken ließe.

Gasmarkt-Experte Lohmann zieht deswegen ein durchwachsenes Fazit zu möglichen Prozessen gegen Gazprom: "Das ist alles sehr kompliziert und dauert Jahre. Ganz ehrlich: Ob da wirklich was dabei rumkommt, ich habe da so gewisse Zweifel. Aber versuchen muss man es auf jeden Fall."

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 16. September 2022 | 06:00 Uhr

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