Blüte einer Senfpflanze
Die Senfpflanze ist ein Kreuzblütler und bedarf ähnlicher Saat- und Erntetechnik wie Raps. Bildrechte: Colourbox.de

Folge durch Krieg in der Ukraine Anbau von Senfpflanzen und Sonnenblumen nimmt zu

19. Juli 2022, 17:41 Uhr

Der Krieg in der Ukraine hat Lebensmittelketten weltweit zum Erliegen gebracht. Auch Sonnenblumenöl und Senf sind knapp geworden. Landwirte in Mitteldeutschland bauen vermehrt Sonnenblumen und Senfpflanzen an.

Senfkörner durch Krieg in der Ukraine knapp

Mehr als die Hälfte der Senfkörner-Importe kamen 2020 aus Russland, mehr als ein Viertel aus der Ukraine und etwas über zehn Prozent aus Kanada. Seit dem Krieg in der Ukraine sind viele Lieferketten abgebrochen. Einheimische Bauern haben reagiert und bauen vermehrt Senfpflanzen an – so auch Landwirt Sebastian Mahler von der Agrar GmbH Ziegelheim.

"Natürlich ist das eine Chance für alle", erklärt er. Die Warenwege würden kürzer, der durch immer steigende Energiekosten teurer werdende Transport zudem günstiger. Einen großen Pluspunkt gebe es wegen des regionalen Standorts auch für Konsumenten. "Wo Altenburger Senf drauf steht, ist dann auch Senf aus dem Altenburger Land drin", so Mahler, der die Altenburger Senf-Manufaktur beliefert.

Altenburger Senf kann durch regionalen Anbau Lieferlücken schließen

Nur wenige Kilometer entfernt vom Feld der Agrar GmbH Ziegelheim liegt die Altenburger Senf-Manufaktur. Jahrelang hatte das Unternehmen Senfkörner aus Russland bezogen. Doch schon Anfang des Jahres blieben die Lieferungen aus. Durch vorhandene Restbestände konnte die Produktion zunächst fortgeführt werden. Julia Jungbeck Ucar, Chefin der Altenburger Senf-Manufaktur, wandte sich noch im März an Sebastian Mahler. Sie fragte an, ob er die Lücke in der Senfkörnerlieferkette für sie schließen und mehr als die von ihm zunächst geplanten sieben Hektar Senfpflanzen anbauen könnte.

Landwirt Mahler wagte das Experiment und bestellte 30 Hektar: "Es gab zwar noch keine Erfahrungen mit dem Anbau mit Senf. Der Senf als Kreuzblütler ist aber durchaus vergleichbar mit dem anderen Kreuzblütler, den wir im Anbau haben, das ist Raps. Daher waren die technischen Grundlagen alle schon im Betrieb da – die Aussaat- und die Erntetechnik. Wir können den Anbau stemmen und freuen uns auf die Ernte."

Wir können den Anbau stemmen und freuen uns auf die Ernte.

Sebastian Mahler, Landwirt

Ernte von 100 Tonnen Senfkörnern in der Region geplant

Bis zu 100 Tonnen Senfkörner sollen in diesem Spätsommer in der Region für die Altenburger Senf-Manufaktur geerntet werden. So viel wie noch nie zuvor. Sebastian Mahler ist mit dem bisherigen Ergebnis auf seinem Acker zufrieden: "Die Pflanzen stehen vernünftig, es sind schöne Senfkörner in den Pflanzen und wenn jetzt  noch die notwendige Sonne gibt, für den Abreifeprozess, dann denke ich, werden wir hier ordentlich ernten können."

Um auf Nummer sicher zu gehen, hat Julia Jungbeck-Ucar noch einige andere regionale Agrarbetriebe ins Boot geholt. Alle zusammen sollen dann die 100 Tonnen, die sie für ihre Senfproduktion benötigt, liefern. Damit ist der Senf dann tatsächlich zu 100 Prozent ein Altenburger. "Wir können uns glücklich schätzen, dass uns die Bauern so sehr unterstützen. Es wurde zwar bereits Senf angebaut, aber natürlich nicht in der Masse", sagt die Chefin der Altenburger Senf-Manufaktur.

78 Prozent der Sonnenblumenkerne 2021 aus der Ukraine und Russland importiert

Mit dem Krieg in der Ukraine war auch Sonnenblumenöl knapp und damit teurer geworden. Zur Gewinnung des "goldenen Saftes" werden Sonnenblumen benötigt. Die weltweit wichtigsten Exportländer waren dabei die Ukraine mit 51 und Russland mit 27 Prozent. Deutschland hat seinen Bedarf bislang selber nur zu sechs Prozent aus eigener Landwirtschaft abgedeckt und ist zu 94 Prozent von Importen abhängig.

Sonnenblumen wachsen auf 300 Hektar in Bad Lauchstädt

Derzeit wachsen in Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt auf 300 Hektar Sonnenblumen, die auf ihre Ernte warten. Landwirt Bernhard von Reiche hat sich bereits im letzten Jahr für den eigenen Anbau entschieden. Davon profitiert er jetzt. Sein mittelständischer Familienbetrieb, der 100 Kilometer entfernt im thüringischen Gierstädt liegt, produziert Bioprodukte. Dazu gehören Suppen und Aufstriche aller Art. Überall steckt das gerade knappe Sonnenblumenöl drin.

Weil sie nicht auf Lieferungen aus der Ukraine oder Russland angewiesen sind, kann die Produktion ohne Unterbrechungen weiterlaufen. "Jetzt in der Krise bringt es den großen Vorteil, dass wir eine ständige Verfügbarkeit haben. Das ist bei anderen Produzenten nicht immer so, weil wir im Moment die große Knappheit beim Öl haben", sagt der Landwirt.

Jetzt in der Krise bringt es den großen Vorteil, dass wir eine ständige Verfügbarkeit haben.

Bernhard von Reiche, Landwirt

Der eigene Anbau der Sonnenblumen bringt sogar einen finanziellen Vorteil: Wenn er das Sonnenblumenöl zu den aktuellen Preisen importieren müsste, würde er etwa ein Drittel mehr zahlen, als er es nun mit den eigenen Sonnenblumen tut. Damit er sich auch künftig von Importen unabhängig macht, lässt er sich auch von Landwirten in der Region rund 40 Prozent der Sonnenblumenkerne zuliefern, die er für seine Produktion benötigt.

Energiepreise verteuern Produktion weiter

Während die Kosten für den Transport durch regionalen Anbau gesenkt werden können, verteuern steigende Energiepreise und höhere Lohnkosten hierzulande zunehmend die Produktion. Das könnte auch der Verbraucher zu spüren bekommen, sagt Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock: "Die Kunden müssen über eine erhöhte Zahlungsbereitschaft die Mehrkosten eventuell decken".

Die Altenburger Senf-Manufaktur will künftig unabhängig von Russland ihren Senf produzieren. Absehbar sei, dass die Preise steigen. Das liege an den "insgesamt gestiegenen Kosten", betont Unternehmens-Chefin Julia Jungbeck Ucar. Allein die Energiepreise seien um das Neunfache gestiegen. Gläser für die Abfüllung seien Mangelware. "Glasindustrien produzieren gar nicht mehr, weil die Energiekosten zu hoch sind."

MDR-Wirtschaftsredaktion

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 19. Juli 2022 | 20:15 Uhr

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