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LandwirtschaftWegen hoher Temperaturen: Obstbauern in Mitteldeutschland sorgen sich um ihre Bäume

13. November 2022, 14:14 Uhr

Die Tagestemperaturen lagen im Oktober deutlich über dem jahreszeitlichen Mittel. Die Auswirkungen spüren auch die Obstbauern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Zwar droht bis jetzt noch kein vorzeitiger Austrieb, doch bei fehlender Winterruhe und Schädlingsbefall fürchten Obstbauern erhebliche Auswirkungen auf die nächste Ernte.

von MDR THÜRINGEN

Trotz des bislang überwiegend milden Spätherbstes bleiben die meisten Obstbauern in Sachsen noch gelassen: Viele Bäume, die wegen der Trockenheit im Sommer im Sparmodus waren, hätten mit den Niederschlägen ab Ende August die Photosynthese nochmals angeschoben und Kraft gesammelt.

Da die meisten Obstbäume noch Laub tragen, drohe bislang noch kein neuer Austrieb mit Blüte im Winter, sagte Udo Jentzsch, Geschäftsführer des Landesverbands "Sächsisches Obst". Nun komme es darauf an, dass die Gehölze gut über den Winter kommen.

Zeitpunkt des Austriebs wichtig

Auch das sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hat auf seinen Versuchsflächen festgestellt, dass die Obstbäume trotz milder Herbsttemperaturen und Herbstniederschlägen in der Regel nicht wieder ausgetrieben haben. "Das ist wichtig, da sonst die Gefahr von Pilzinfektionen gegeben wäre und es zu weiteren negativen Effekten - zum Beispiel weniger Wurzelwachstum - kommen könnte", erklärte Christian Kröling, Leiter des Referates Obst-, Gemüse- und Weinbau.

Die milden Temperaturen wirkten sich noch positiv auf das Feinwurzelwachstum und die Entwicklung der Blütenknospen der Bäume aus. Die schon jetzt "angelegten" Blütenknospen bildeten mehr Zellen aus und speicherten mehr Stärke ein, was die Fruchtqualität in allen Obstarten erhöhe. Damit könnten die Früchte im nächsten Jahr größer werden.

Auswirkungen der Temperaturen ungewiss

Üblicherweise haben Bäume Anfang November längst alle Blätter abgeworfen. Obstbauer Michael Görnitz aus dem sächsischen Brockwitz meint, dass die Blätter jetzt für die Bäume nur wenig bringen, da neben den Temperaturen auch die Tageslänge die Bäume "steuere". Auch eine gute Holzreife sei wichtig. "Danach brauchen wir einen richtigen Winter, damit die Obstbäume eine Ruhezeit durchmachen können."

Das aktuelle Wetter sei für November ungewöhlich, damit habe man keine Erfahrungen, erklärt Joachim Lissner vom Landesverband Gartenbau Thüringen. Deshalb wisse man auch nicht, welche Auswirkungen die Temperaturen auf die Ernte im nächsten Jahr haben können.

Höhere Temperaturen begünstigen Schädlinge

Auf niedrigere Temperaturen hofft auch Axel Swoboda vom Obstbau Kindelbrück in Thüringen, da ein kalter Winter nicht nur den Bäumen helfe, sondern auch gut gegen Schädlinge wie Mäuse oder Blutläuse sei. Diese bereiten auch anderen Thüringer Ostbauern Sorgen. Die höheren Temperaturen begünstigten, dass sich der Schädling in den Plantagen vermehre, sagt Lars Triebe vom Obstgut Triebe in Schöngleina. Dazu kommt der fehlende Regen, ergänzt eine Mitarbeiterin vom Obsthof Geier in Lumpzig.

Typisches Novemberwetter für "Winterschlaf" nötig

Winterruhe in der Natur - weit gefehlt. Die Obstbauern hoffen darauf, dass in den nächsten Wochen das typische Novemberwetter mit Nässe und Kälte Einzug hält. Fallen die Temperaturen mehrere Tage hintereinander unter den Gefrierpunkt, ist das der Startschuss für die Winterruhe, erklärte Jörg Dornberger von Fahner Obst im thüringischen Gierstädt. Dann fällt auch das Laub ab, ziehen die Bäume die Nährstoffe in die Wurzeln zurück und verfallen in eine Art "Winterschlaf", um sich zu erholen.

Für eine gute Winterruhe - Voraussetzung für regelmäßige Blüte mit guten Blütenständen - braucht es im Winter 800 bis 1.400 Stunden mit Temperaturen unter 5 Grad.

Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

Kommende Ernte hängt von verschiedenen Faktoren ab

Wichtig sind laut sächsischem Umwelt-Landesamt die Temperaturen in den kommenden Monaten. "Für eine gute Winterruhe - Voraussetzung für regelmäßige Blüte mit guten Blütenständen - braucht es im Winter 800 bis 1.400 Stunden mit Temperaturen unter 5 Grad".

Das sind etwa 30 bis 60 Tage. Würden diese nicht erreicht, bestehe "die Gefahr einer unzureichenden Winterruhe, die letztlich zu einer unregelmäßigen Blüte mit teilweise minderwertigen Blütenständen führt". Kröling von der Landwirtschaftsbehörde ergänzt: "Trotz all dieser möglichen Entwicklungen hängt die nächste Ernte auch von der Befruchtung und dem Wetter vor, während und nach der Blüte ab."

Vorzeitige Blüte könnte dramatische Folgen für Bäume haben

André Stallbaum vom Scheunenhof Stendal in Sachsen-Anhalt ist unzufrieden mit dem warmen Herbst, denn das Wetter ist Stress für die Obstbäume, die wie Menschen auch Ruhe und Schlaf bräuchten. Noch gehen die Bäume nicht in die Blüte, aber dies könnte sich noch in den nächsten Wochen ändern. Bis jetzt hatte er noch kein Jahr, in dem die Bäume schon vorzeitig geblüht haben.

Bleibt es allerdings zu lange warm, fürchtet auch Jörg Dornberger von Fahner Obst in Gierstädt, dass die Triebe frostempfindlicher werden könnten. Außerdem verdunstet über die Blätter Wasser. Das fehle dann den Pflanzen.

Schlechte Voraussetzungen für kommendes Frühjahr

Sollte der Austrieb wegen milder Temperaturen doch schon Ende Februar beginnen, dann werde es für gute Erträge im kommenden Jahr schwierig. "Dann bekommen wir ein richtiges Problem", meint Obstbauer Görnitz. Abgesehen davon droht bei frühem Austrieb in hiesigen Breiten auch immer wieder Spätfrost, wie Obstbauern und Winzer in den vergangenen Jahren mehrfach erlebt haben.

Obstbauer Görnitz ergänzt, dass der anhaltend milde Herbst für Ackerbauern mit Wintergetreide schwieriger sei. Die Saat ist bereits weiter aufgegangen als üblich. Axel Swoboda vom Obstbau Kindelbrück bemerkt, dass es nach wie vor viel zu trocken sei. Fällt auch im Winter nicht genug Niederschlag, seien das keine guten Voraussetzungen für das kommende Frühjahr.

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MDR (je/lam)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 13. November 2022 | 18:00 Uhr

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