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Öl-Embargo gegen RusslandRaffinerie in Leuna versorgt – doch PCK Schwedt muss Produktion kürzen

28. November 2022, 12:51 Uhr

Wenige Tage vor dem Beginn des EU-Embargos gegen russisches Erdöl hat die Total-Raffinerie in Leuna dem MDR bestätigt, bald vollständig unabhängig von russischem Öl arbeiten zu können. Anders sieht es bei der PCK-Raffinerie in Schwedt aus, wo der Ausfall noch nicht ausreichend ersetzt werden kann. Das weckt Befürchtungen, vor allem im Osten könne besonders Diesel an Tankstellen bald noch einmal teurer werden.

Kurz vor dem Beginn des Öl-Embargos der EU gegen Russland sind die zwei großen Raffinerien in Ostdeutschland unterschiedlich gut darauf vorbereitet. Während in Leuna in Sachsen-Anhalt russisches Rohöl ersetzt werden kann, erwartet die PCK-Raffinerie in Brandenburg jetzt Produktionsausfälle.

Ab 5. Dezember 2022 gilt das von der EU im Sommer wegen des Ukraine-Kriegs beschlossene Verbot für Importe von russischem Rohöl über den Seeweg. Ein weiteres folgt ab 5. Februar 2023 für Produkte aus russischem Rohöl wie Diesel. Öl-Importe über Leitungen an Land bleiben indes bis auf weiteres möglich – auf Drängen etwa von Ungarn und Tschechien.

Die Bundesregierung hat für Deutschland jedoch beschlossen, bis Ende Dezember ganz auf russisches Öl zu verzichten und auf die weiter mögliche Lieferung über die "Druschba"-Pipeline nicht zurückzugreifen. In Berlin heißt es dazu schon länger, dass damit verbundene Probleme lösbar seien.

Produktion in Leuna abgesichert

Kurz vor Beginn des Embargos bestätigte nun Total Energies auf Nachfrage von MDR AKTUELL, dass "in enger Abstimmung mit der deutschen Regierung" die Lieferverträge für russisches Öl an die Raffinerie Leuna gekündigt wurden und man "bis Ende 2022 komplett auf russisches Rohöl verzichten" werde.

Schon im März ausgelaufene Verträge seien nicht verlängert worden. Bereits seit dem Mai komme mehr als die Hälfte des Rohöls für Leuna nicht mehr aus Russland, dafür anderes von den internationalen Märkten, über Öl-Terminals an der Ostsee, namentlich in Danzig: Von dort gelange es über Pipelines, die "wir uns mit Wettbewerbern teilen, durch Polen und Ostdeutschland bis in die Raffinerie". Auch wenn sich Sprecherin Diana Heuer nicht zu vertraglichen Mengen äußerte oder zur Frage nach möglichen Knappheiten bei Benzin oder Diesel in der nächsten Zeit: Für Leuna scheint die Kuh erstmal vom Eis.

Besondere Probleme für Schwedt

In Schwedt dagegen ließ Anfang der Woche nun PCK-Geschäftsführer Ralf Schairer die Katze aus dem Sack. Vor Mitarbeitern, Einwohnern und Politikern äußert er sich laut rbb-Bericht "zuversichtlich", dass die Raffinerie ab Januar weiter läuft. Es komme Öl über eine Pipeline aus dem Hafen in Rostock. Auch seien die eigenen Lager voll. Das allerdings reiche in der nächsten Zeit nicht, um die bisherigen Mengen an Benzin, Diesel und Kerosin herzustellen.

Zur möglichen Auslastung der Raffinerie äußert sich Schairer nicht konkret. Schwedts Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD) sagte nach dem Treffen aber laut dem rbb-Bericht: "Es gab für mich eine Aussicht, dass wir ab Januar mit mehr als 50 Prozent Öl am Standort weiterlaufen können."

Der Ausbau der Lieferkapazität über Rostock braucht Zeit. Und Erdöl aus Kasachstan kommt wohl, wenn überhaupt, frühestens in sechs Monaten. Laut Michael Kellner (Grüne), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und auch Leiter der "Taskforce Schwedt", laufen da jedoch Gespräche. Und sein Ministerium erwarte demnächst auch eine Delegation aus Kasachstan.

Polen stört sich an Rosneft

Im November floss zwar erstmals auch aus Tankern im Hafen von Danzig entladenes Rohöl nach Schwedt – über die Stichleitung "Pomeranian" zu dem in Polen liegenden Teil der "Druschba"-Trasse. Zur Menge wurde mit Verweis auf Betriebsgeheimnisse aber geschwiegen. Auch äußert sich der PCK-Chef zuletzt nicht zur weiteren Entwicklung des Lieferwegs über Danzig.

PCK hat hier neben möglichen anderen Problemen eines, das die Leuna-Raffinerie in Sachsen-Anhalt so nicht hat – den russischen Staatskonzern Rosneft als Mehrheits-Eigner. An den wollte Polen bisher kein Öl durchleiten. Und die vorläufig nur bis Frühjahr befristete Treuhänderschaft des Bundes reichte Polen wohl nicht. Schließlich ist der mehr als 54-prozentige Anteil der Rosneft Deutschland GmbH an der PCK-Raffinerie damit ja nicht obsolet.

Steigende Kraftstoffpreise möglich

Auch Warnungen vor höheren Kraftstoffpreisen in Ostdeutschland, wie kürzlich vom Linke-Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann geäußert, sind damit nicht vom Tisch. Es kann zwar kaum genau vorhergesagt werden, wie genau sich sinkende Raffinerie-Auslastung am Tankstellen-Markt auswirkt.

Tatsache ist aber, dass beide Raffinerien gewissermaßen "systemrelevant" sind – PCK Schwedt vor allem für Brandenburg, Berlin und den Nordosten von Deutschland wie auch für Teile von West-Polen sowie Leuna für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Beide Anlagen verarbeiteten nach eigenen Angaben bisher etwa zwölf Millionen Tonnen Rohöl jährlich – unter anderem zu Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin für Flugzeuge und vor allem in Leuna auch zu Methanol. Zugleich liefern sie wichtige Vorprodukte für die chemische Industrie.

Zuletzt sanken zwar Dieselpreise im Einkauf und Kraftstoffpreise an den Tankstellen. Doch auch unabhängig von der Lage in Schwedt oder in Leuna drohen europaweit wieder steigende Preise vor allem für Diesel. So warnte die Internationale Energieagentur (IEA) im November-Bericht (Englisch) wegen des EU-Boykotts vor extremer Unsicherheit an den Ölmärkten und vor Knappheit und Teuerung bei Diesel und Heizöl, besonders wenn dann ab dem 5. Februar auch Produkte aus russischem Rohöl unter den EU-Bann fallen.

Umleitungen könnten den Druck mindern, schreibt die IEA. Doch Tanker-Kapazitäten seien knapp, und der Wettbewerb um nicht russischen Diesel werde hart. EU-Staaten müssten bisherige Abnehmer von Lieferungen aus den USA, dem Nahen Osten und Indien überbieten. Helfen könnten höhere Raffinerie-Kapazitäten, meint die Agentur. Doch für Ostdeutschland dürfte das unter den aktuellen Umständen wohl kaum zu realisieren sein.

Bund rechnete mit den Problemen

Offen ist nun, ob die Bundesregierung bei größeren Problemen mit kurzfristigen Maßnahmen eingreift. Sie könnte etwa den Bezug von Pipeline-Öl doch länger erlauben oder die nationale Ölreserve angreifen. Beides ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Vielmehr hatte sich die Bundesregierung wohl schon länger auf eine sinkende Produktion in Schwedt eingestellt.

So gehören zum Plan das Wirtschaftsministeriums für "2023 und 2024 flankierende Lösungen zum Kurzarbeitergeld, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der PCK-Raffinerie, deren Arbeitszeit sich im Zusammenhang mit dem EU-Embargo (...) verringert, zu unterstützen". Daneben ist – gefördert vom Bund – neben einem Ausbau der Pipeline-Kapazität von Rostock in Schwedt auch ein Einstieg in die Wasserstoff-Produktion geplant. All das wird sich etwa auf die Kraftstoff-Produktion schnell aber kaum auswirken.

Laut Wirtschaftsministerium ist nun auch nicht geplant, etwa Diesel-Fahrer durch eine Senkung der Mineralöl-Steuer zu entlasten. Dass Diesel jetzt mehr koste als Benzin, habe mit dem Ukraine-Krieg und dem Markt und nichts mit der Besteuerung in Deutschland zu tun, hieß es (mehr dazu im Audio).

mit dpa-Material

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL FERNSEHEN | 25. November 2022 | 19:30 Uhr

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