PapiermangelBücher knapper, Lücken in Buchhandlungen größer
Die Druckereien und Verlage in Deutschland sind durch einen dramatischen Papiermangel bedroht. Es gibt kaum noch hochwertiges Druckpapier zu kaufen. Dadurch verzögern sich Nachauflagen, manche Verlage müssen auf minderwertiges Papier ausweichen. Das ist ein weiterer herber Schlag für Verlage, nachdem auch die Leipziger Buchmesse das dritte Mal in Folge ausfällt.
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Papier ist Mangelware
Es gibt in Europa kaum noch hochwertiges Druckpapier zu kaufen. Verlage verschieben manche Veröffentlichungen bereits um Monate, einige Bücher erscheinen gar nicht. Verlage und ihre Druckereien bekommen nur eine Handvoll Titel und die zu einem stattlichen Preis. Viele Buchveröffentlichungen sind längst Mangelware. "Ich habe das noch nie erlebt. Ich mache Bücher seit 35 Jahren und habe das noch nie erlebt", erklärt Roman Pliske, Geschäftsführer vom Mitteldeutschen Verlag.
Ich mache Bücher seit 35 Jahren und habe das noch nie erlebt.
Roman Pliske, Geschäftsführer Mitteldeutscher Verlag
Mangelwirtschaft wie zu DDR-Zeiten
Um schöne Bücher zu drucken, braucht es sogenanntes grafisches Papier. Das ist aber massiv teurer geworden und kann nicht geliefert werden. Derzeit, so Roman Pliske, sei nicht einmal bekannt, wann es wieder lieferbar sein wird. Den Mitteldeutschen Verleger erinnert das an längst vergangene DDR-Zeiten.
Zu DDR-Zeiten wurde Altpapier verwendet
In der DDR war Papier so etwas wie Goldstaub. Die Menschen sammelten fleißig Altpapier, aus dem dann "Neues" hergestellt wurde. Ein zentral gelenkte Ministerium teilte den Verlagen nur gewisse Kontingente zu. Papier war Mangelware. Dass das heute noch einmal Thema wird, hätte sich niemand träumen lassen.
Pandemie führte zu Lieferengpässen und knappen Ressourcen
Die Wirtschaft weltweit kämpft mit den Folgen der Pandemie-Jahre. Der Handel ist an vielen Stellen ins Stocken greaten und Lieferketten sind zusammengebrochen. Die Rohstoffe sind knapper und die Transportwege durch unter anderem gestiegene Energiepreise teurer. Eine Besserung ist angesichts der durch den Ukraine-Krieg nochmal immens gestiegenen Kraftstoffpreise nicht absehbar.
Papierindustrie stellt auf Pappe um
Den Papierwerken fehlt Altpapier, das für die Herstellung vieler Papierarten unabdingbar ist. Zudem wandert der knappe Rohstoff vermehrt in die Herstellung von Kartonage: Der Onlinehandel boomt und damit auch das Geschäft mit den Pappkartons. Die Herstellung von Verpackungsmaterial ist lukrativer, als die von Druckpapieren.
Maschinen, die Druck-Papiere herstellten, wurden umgebaut zur Produktion von Verpackungspapieren. Deren Produktion stieg in den letzten Jahren auf über 13,5 Millionen Tonnen, und der bereits rückläufige Markt für grafische Papiere, also für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, schrumpfte noch schneller – 2020 auf sechs Millionen. Zwar erholt er sich das jetzt etwas, bleibt aber auf niedrigem Niveau.
Die Folgen der Pandemie sind weiter deutlich zu spüren. "Während des ersten Lockdown hatten wir natürlich einen deutlichen Einbruch beim Verkauf von Zeitungen und vor allem Zeitschriften. Die Kioske hatten zu, auch die Bahnhofskioske, die Buchhandlungen. Zeitungen und Zeitschriften haben so einen dramatischen Einbruch erlebt, die Tageszeitung im Einzelverkauf, im Abo natürlich weniger. Das hat den gesamten Markt nach unten gedrückt und wir haben das natürlich auch in unseren Zahlen gesehen", sagt Gregor Andreas Geiger, Pressesprecher von "Die Papierindustrie", welche vorher den Namen "Verband Deutscher Papierfabriken" trug.
Während des ersten Lockdown hatten wir natürlich einen deutlichen Einbruch beim Verkauf von Zeitungen und vor allem Zeitschriften.
Andreas Geiger, Pressesprecher von "Die Papierindustrie"
Wandel auch im sächsischen Werk Eilenburg
Europaweit rüsten Konzerne um, so auch im sächsischen Eilenburg. Ein Schweizer Verpackungshersteller hat das Werk letztes Jahr gekauft. Noch läuft hier Zeitungspapier vom Band, doch bald sollen die Maschinen Papiere für Wellpappen auf die Rolle bringen. Die Umstellung geht nicht per Knopfdruck. Jedes Papier wird anders hergestellt. Für den Geschäftsführer Jürgen Lemke ist das Umrüsten auf Verpackung ein Mammut-Projekt.
"70 Prozent des gesamten Werkes werden umgekrempelt auf Wellpappe, Wellpappenrohpapier-Produktion. Und dann werden wir im Januar 2024 mit dem umgebauten Werk, mit der umgebauten Anlage, Wellpappenrohpapiere produzieren, für unsere eigene, hauptsächlich für unsere eigene Verwendung", sagt Jürgen Lemke, Geschäftsführer des Unternehmens Model GmbH. Verpackung ist das Geschäft der Zukunft. Nicht nur im Versand sondern auch im Einzelhandel ist Pappe gefragt. Der Markt wird weiter wachsen und der für grafische Papiere zurückgehen.
70 Prozent des gesamten Werkes werden umgekrempelt auf Wellpappe, Wellpappenrohpapier-Produktion.
Jürgen Lemke, Model GmbH
Kurzarbeit bei Verlagen und Druckereien
Die Firma Sachsendruck im sächsischen Plauen stellt die berühmten Pappbücher her, die viele noch aus DDR-Zeiten kennen. Das Überleben der Traditionsdruckerei steht auf der Kippe. Ralf Fischer, Geschäftsführer von Sachsendruck, hat zwar noch bis Sommer volle Auftragsbücher, aber auch er bekommt nicht genügend Papier. Ein Teil seiner 140 Mitarbeitenden müsse vorerst zu Hause bleiben: "Wir werden auf Kurzarbeit gehen, weil wir kein Material mehr kriegen. Das kann ich jetzt schon sagen." Und nicht nur der Materialmangel, auch die Mindestlohnerhöhung und die gestiegenen Strompreise, machen dem mittelständischen Unternehmen zu schaffen.
Wir werden auf Kurzarbeit gehen, weil wir kein Material mehr kriegen.
Ralf Fischer, Geschäftsführer Sachsendruck
Bücher werden knapp
Ute Gebhardt führt eine kleine Verlagsbuchhandlung im Leipziger Süden. Etliche Buchtitel bekommt sie gar nicht mehr ran, vor allem bei Nachauflagen. Hier macht sich die Papier-Krise ebenfalls bemerkbar, denn die Verlage kommen nicht hinterher mit dem Drucken. Die Kunden müssten zum Teil Monate warten und manche Bücher bekomme sie gar nicht. "Früher war es so, dass sie so vier bis fünf Tage gebraucht hatten, um eine Nachauflage anzuschieben. Und das funktioniert jetzt nicht", erklärt Ute Gebhardt.
Bücher werden teurer
Die Buchpreise haben mächtig angezogen. Taschenbücher kosten jetzt oft zwölf Euro und mehr. Vor ein paar Jahren waren es noch acht. Der Ost-Klassiker "Mosaik" , die Comiczeitschrift mit Geschichten rund um die Abrafaxe, war letztes Jahr noch für 2,95 Euro zu haben. – Seit Januar kostet das Magazin 3,45 Euro.
Auch Roman Pliske vom Mitteldeutschen Verlag in Halle hat sein komplettes Frühjahrsprogramm teurer gemacht. Von den 70 geplanten Titeln konnte er aber nur 60 herausbringen und bei denen musste er zum Teil die Auflage reduzieren. "Wir haben zum Beispiel im Sommer letzten Jahres ein Buch kalkuliert. Da sind wir mit einer eher größeren Auflage an die Planung gegangen. Wir wollten 3.000 Exemplare drucken. Und für den Preis, den wir damals ausgerechnet haben, haben wir jetzt ungefähr 2.000 Exemplare bekommen".
92 Prozent der Leser kaufen noch Bücher
Trotz höherer Preise und Lücken in den Buchhandlungen bleiben die Leserinnen und Leser dem traditionellen Buch treu. Recherchen der MDR-UMSCHAU haben ergeben, dass bisher nur etwa acht Prozent der Nutzer auf E-Book umgestiegen sind. Leserinnen und Leser betonten, dass sie durchaus bereit sind , auch mehr Geld für ein gutes Buch zu bezahlen.
Vielleicht werden zukünftig weniger Bücher veröffentlicht oder nur noch auf Standardpapier. Auf jeden Fall sind sie nicht wegzudenken, denn gelesen wird auch weiterhin und das gilt gerade in Krisenzeiten.
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR-Umschau | 05. April 2022 | 20:15 Uhr