Leergut knapp Energiepreise befeuern Flaschen-Mangel

12. Juli 2022, 09:39 Uhr

Jedes Jahr im Sommer werden die Pfandflaschen knapp. Die Brauereien sind besorgt, weil das Leergut nur zögerlich den Weg in den Glaskreislauf zurückfindet. Doch aus dem saisonalen Mangel könnte nun eine lanfristige Knappheit entstehen. Grund dafür sind einmal mehr die Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, wie die gestiegenen Energiepreise und Lieferschwierigkeiten.

Saisonale Knappheit als hausgemachtes Problem

Gerade in den Sommermonaten decken sich die Deutschen reichlich mit Bier ein. Die Kästen kommen dann meist in den Keller und stehen dort während der Urlaubszeit auch noch eine ganze Weile. "Wegen fünf Flaschen oder vielleicht auch einen Kasten fahren die wenigsten ihr Leergut zurück", erzählt Thomas Gläser, Geschäftsführer des Sächsischen Brauerbundes. Das wird für die Brauereien aber zum Problem: "Je mehr im Keller steht, umso weniger ist im Umlauf."

Das macht sich zum Beispiel in der Mauritius-Brauerei in Zwickau bemerkbar. Dort werden Pfandflaschen bereits vermisst. Zwar werden die Kästen angeliefert, aber darin befinden sich auch sogenannte Fehlflaschen. Derartige Flaschen haben eine falsche Form oder eine Prägung, wie Jörg Dierig, der Geschäftsführer der Brauerei, erklärt: "Diese Flasche können wir nicht abfüllen, weil wir verkaufen ja letztendlich nicht diese Marke, sondern wir verkaufen unsere eigene." Fast jede zweite Flasche ist eine Fehlflasche. In der Mauritius-Brauerei sind fünf Mitarbeiter allein damit beschäftigt, diese auszusortieren.

120 verschiedene Bierflaschentypen in Deutschland

Die Fehlflaschen verschärfen wiederum den Flaschenmangel: Denn die falschen Flaschen können nicht direkt zurück in die Abfüllung. Ein hausgemachtes Problem der Brauereien: Mehr als 120 verschiedene Bierflaschentypen sind in Deutschland im Umlauf. Aus Sicht von Brauerei-Chef Dierig könne die Lösung deshalb nur sein, "dass wir wieder genau dahin zurückfinden, dass wir wieder einheitliches Leergut, einheitliche Flaschen verwenden; um damit diesem Leergut-Verfügbarkeits-Wahnsinn, Durchmischungs-Wahnsinn Einhalt zu gebieten."

Energiekosten und Krieg setzen Glaswerken zu

Auch die rasant gestiegenen Energiepreise sind Schuld an dem Flaschenmangel in Deutschland, denn kaum eine Industrie ist so energieintensiv wie die Glasherstellung und -bearbeitung. Das Glaswerk Schleusingen in Thüringen zum Beispiel ist einer der größten Hersteller von Bierflaschen bundesweit. Pro Tag werden dort 3,5 Millionen Glasbehälter hergestellt. Beheizt wird die Anlage mit Erdgas. Durch die hohen Energiekosten hat sich der Preis pro Bierflasche mittlerweile verdoppelt. Noch schlimmer wäre ein russisches Gas-Embargo, wie Oliver Wiegand, der Geschäftsführer von Wiegand-Glas Schleusingen deutlich macht: "Für uns würde es bedeuten, dass wir die Produktion einstellen müssten. Der Schaden wäre immens, weil, wenn unsere Schmelzwannen einmal abkühlen, dann sind sie praktisch kaputt."

Dazu kommen Probleme beim Import: 740.000 Tonnen Glas wurden letztes Jahr aus der Ukraine geliefert, weitere 430.000 Tonnen aus Russland. Seit Kriegsbeginn stocken die Lieferungen und so bleibt vorerst zumindest nur die eigene Herstellung mit russischem Erdgas – auch, wenn laut Oliver Wiegand ein elektrisches Schmelzen theoretisch zur Glasherstellung möglich wäre. "Aber dazu müssten wir erstmal die richtigen Technologien entwickeln. Da sind wir dabei, aber das dauert noch ein paar Jahre bis wir komplett umstellen können."

Langfristige Leergut-Knappheit könnte drohen

Deswegen könnte aus dem saisonalen Mangel an Bierpfandflaschen eine langfristige Knappheit werden. Die Brauereien appellieren nun an die Verbraucher, ihr Leergut möglichst schnell im Handel zurückzugeben. "Wir sind wirklich darauf angewiesen, dass Leergut schnell zurückkommt", unterstreicht der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele. "Wir haben in Deutschland drei Milliarden Mehrwegflaschen der Brauereien im Umlauf. Und von den drei Milliarden ist natürlich nur eine bestimmte Menge in der Brauerei, um gewaschen oder abgefüllt zu werden. Und wir sind wirklich darauf angewiesen, dass Leergut schnell zurückkommt."

Um dafür einen Anreiz zu schaffen, wird in der Branche überlegt, das Pfand pro Glasflasche von derzeit acht Cent auf 25 Cent zu erhöhen. Beim Bierkasten mit 20 Flaschen wäre damit ein Rücknahmepreis von bis zu neun Euro denkbar.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR UMSCHAU | 31. Mai 2022 | 20:15 Uhr