Ein Arbeiter der Deutschen Bahn steht an einem Gleis, das gesperrt ist.
Die Deutsche Bahn ist schon seit Jahren ein Sanierungsfall. Woran liegt das? Bildrechte: MDR/IMAGO

recap Wie die Deutsche Bahn kaputtgespart wurde

12. Mai 2023, 17:23 Uhr

2022 hat die Deutsche Bahn einen Verspätungsrekord aufgestellt. Nur etwa 65 Prozent der Fernzüge haben ihr Ziel pünktlich erreicht. Dass die Züge oft auf sich warten lassen, liegt an vielen Dingen: Personalmangel, zu selten gewartete Züge und vor allem: Ein komplett kaputtgespartes Schienennetz. Wer trägt die Verantwortung für das ständige Chaos bei der Bahn?

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Bildrechte: MDR/Denis Ludwig/Franz-Paul Senftleben

Seit den 50er-Jahren wird das Schienennetz in Deutschland kontinuierlich zurückgebaut, von damals mehr als 53.000 auf heute gut 38.000 Kilometer. Dabei hat der Bedarf zugenommen. Allein seit 1995 ist der Personenverkehr um etwa 43 Prozent, der Güterverkehr sogar um knapp 83 Prozent angestiegen.

Rückbau im Schienennetz hängt ganze Regionen ab

Der Netzrückbau trifft besonders den Osten. Sebastian Drechsler, Sprecher der "Bahninitiative Chemnitz" sieht die Schuld dafür klar bei Fehlentscheidungen von Bahn und Politik. Über die Jahre habe sich ein hoher Investitionsstau angesammelt, und man musste sich entscheiden, entweder in Modernisierung zu investieren oder zugunsten von Intercity und ICE das Angebot sterben zu lassen. Man habe sich leider für das zweite entschieden und damit auch viele Regionen abgehängt.

Ich im Zug, gucke alle fünf Minuten aufs Handy und hoffe, dass der Zug keine Verspätung einfährt!

Sebastian Drechsler Bahninitiative Chemnitz

So zum Beispiel Chemnitz. Die viertgrößte Stadt Ostdeutschlands war fast 16 Jahre vom Fernverkehr der Bahn abgeschnitten. Ein Problem für viele Menschen vor Ort. Drechsler plant Reisen aus der Stadt heraus stets mit einem mulmigen Gefühl und einigen Umstiegen. "Wenn ich aus Chemnitz heraus einen längere Zugreise unternehme, muss ich mindestens einmal umsteigen"; sagt Drechsler. "Also sitze ich im Zug, gucke alle fünf Minuten aufs Handy und hoffe, dass der Zug keine Verspätung einfährt!"

Seit Juni 2022 fährt nun zweimal ein Intercity von Chemnitz nach Berlin. Für Reisende ist das aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Stillgelegte Strecken und Bahnhöfe finden sich seit Jahren im ganzen Land. Der Grund für Streckenrückbau und den allgemeinen Sparzwang der Deutschen Bahn liegt jedoch einige Jahre zurück. Nach der Wende mussten zwei marode und hochverschuldete Konzerne verwaltet werden.

Bahn-Privatisierung wurde zum Problem

Im Januar 1994 wurde aus der "Deutschen Bundesbahn" und der ehemaligen "Deutschen Reichsbahn" der DDR ein Konzern: die "Deutsche Bahn AG". Ein privatwirtschaftliches Unternehmen in staatlicher Hand. Die Privatisierung sollte aus der Bahn ein modernes Unternehmen machen, das einerseits besseren Service bietet und andererseits weniger kostet. Für den geplanten, aber dann nie umgesetzten Börsengang wurde die Bahn auf Gewinne getrimmt. Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn wirft der Politik vor, die Bahn kaputtgespart zu haben.

Die Bahnreform war auf einen Börsengang ausgelegt, der aus unserer Sicht schon damals kaum zu verwirklichen war und für dessen Umsetzung man die Bahn kaputtgespart hat.

Detlef Neuß Fahrgastverband Pro Bahn e.V.

Ex-Verkehrsminister wie Alexander Dobrindt oder Andreas Scheuer setzten in der Vergangenheit stark auf den Ausbau des Straßenverkehrs und weniger auf Investitionen in die Bahn. Heute steht Verkehrsminister Volker Wissing vor der großen Aufgabe, einen hochverschuldeten und maroden Konzern wieder fit für die Zukunft zu machen.

Sanierungsrückstau von 60 bis 90 Millarden Euro

Aus Sicht von Fahrgastverbänden wie Pro Bahn e.V. eine Aufgabe, in die aktuell noch zu wenig Geld gesteckt wird. "Das System Bahn ist hoffnungslos unterfinanziert", sagt Detlef Neuß. "Zwar bekommt die Bahn jetzt 45 Milliarden Euro von der Bundesregierung, allein der Sanierungsrückstau wird aber auf 60 bis 90 Milliarden Euro geschätzt."

Der Sanierungsrückstau wird aber auf 60 bis 90 Milliarden Euro geschätzt

Detlef Neuß Fahrgastverband Pro Bahn e.V.

Wie bewerten Autorin und Beraterin Katja Diehl und Mobilitätsexperte Jan Schlüter die Deutsche Bahn? Was wären konstruktive Lösungen für die Zukunft des Konzerns? Ist die Deutsche Bahn zu retten? Das alles erklären wir in der aktuell recap-Folge.

Dieses Thema im Programm: recap bei youtube | 12. Mai 2023 | 17:00 Uhr

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