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Die Mineralölkonzerne drehen ordentlich an der Preisschraube und verdienen so kräftig an der Krise mit. Bildrechte: IMAGO/Panama Pictures

Teure SpritpreiseGewinne von Mineralölkonzernen steigen kräftig

30. August 2022, 15:43 Uhr

Schon vor Ende des Tankrabattes sind die Preise für Benzin und Diesel an den Tankstellen spürbar angehoben worden Aktuelle Recherchen des MDR zeigen: seit Kriegsbeginn sind die Gewinne der Raffinerien gestiegen. Auch der Tankrabatt hat offenbar zu Extra-Profiten geführt.

von Björn Menzel und Frank Frenzel, MDR-Wirtschaftsredaktion

Gewinne seit Kriegsbeginn drastisch gestiegen

Kennen Sie Patrick Puyanné, Ben van Beurden, Darren Woods oder Bernard Looney? Das sind die CEOs der Ölmultis Total, Shell, Exxon und BP, also die bekannten Vorstandsköpfe der Umternehmen. Die Herren haben derzeit allen Grund zu feiern! Denn seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine fahren ihre Unternehmen traumhafte Gewinne ein. 

Gewinne 2. Quartal, 2021 und 2022 im Vergleich, in US-Dollar
Mineralölkonzern2. Quartal 20212. Quartal 2022
Total2,2 Mrd. US-Dollar5,7 Mrd. US-Dollar
Shell3,43 Mrd. US-Dollar18,04 Mrd. US-Dollar
Exxon4,7 Mrd. US-Dollar17,9 Mrd. US-Dollar
BP3,1 Mrd. US-Dollar9,3 Mrd. US-Dollar

Die Gewinne haben sich also verdreifacht bis verfünffacht. Ein großer Teil dürfte dabei auf das Geschäft mit Kraftstoffen, also mit Benzin und Diesel entfallen.

Preissteigerungen vor Ende des Tankrabattes

Wie das Geschäft mit Kraftstoffen funktioniert, lässt sich dieser Tage gut an der Tankstelle erleben. Schon zwei Wochen vor Ende des Tankrabattes stiegen die Preise für Benzin und Diesel spürbar. Kostete der Liter Diesel z.B. am 10. August deutschlandweit durchschnittlich noch 1,88 Euro, so liegt der Preis aktuell bei etwa 2,07 Euro, so die Preisstatistik des Vergleichsportals clever-tanken.de.

Anfang Juni, als der Tankrabatt eingeführt wurde, fiel der Dieselpreis pro Liter zunächst auf unter 1,95 Euro, um dann in wenigen Tagen auf ca. 2,05 Euro zu steigen. Ein Wert, nur knapp unter dem aktuellen Dieselpreis.

Der Unterschied: Anfang Juni lag der Rohölpreis viel höher als aktuell, nämlich bei knapp über 120 Dollar pro Barrel, während er (der Rohölpreis)  seitdem massiv gesunken ist und aktuell 94,78 Dollar pro Barrel für die Sorte WTI bzw. 102,45 Dollar pro Barrel für die Sorte Brent liegt.Trotz sinkender Rohölpreise erhöhen also die Tankstellenbetreiber die Kraftstoffpreise?

ADAC: Kraftstoffe deutlich zu teuer

Gemessen am Rohölpreis und Dollarkurs sei Benzin deutlich zu teuer, monierte schon vor wenigen Tagen ein Sprecher des Automobilclubs ADAC. Längst hätten sich die Preise für Benzin und Diesel an der Tankstelle vom Preis für Rohöl entkoppelt und dieser Prozess habe bereits im März begonnen.

Mineralölkonzerne: Schuld sei auch der Rhein

Und was sagen die Mineralölunternehmen? Eva Kelm, Pressesprecherin von Aral, erklärt auf Anfrage, der Tankrabatt sei "vollumfänglich" an die Kunden weitergegeben worden, nicht nur bei Aral, sondern in der gesamten Branche.

Mit der Antwort auf unsere Anfrage an Total beauftragte das Unternehmen Alexander von Gersdorff, Pressesprecher des Wirtschaftsverbandes Fuels und Energie e.V. Er nennt mehrere Gründe für die derzeitigen Preise an den Tankstellen. So sei der Rohölpreis seit Anfang August gestiegen: "um knapp sechs Prozent in US-Dollar und knapp acht Prozent in Euro (wegen des schwächeren Euros zum Dollar)". Das stimmt zwar, aber der aktuelle Rohölpreis liegt immer noch viel niedriger als im Juni. Es gäbe noch weitere Gründe, so von Gersdorff. So sei Diesel gerade deshalb so teuer, weil viele Unternehmen gerade von Gas auf Heizöl umstellten. Da Diesel und Heizöl quasi identische Produkte seien, werden diese knapper und damit teurer.

Und auch der Rhein sei schuld. Wegen des Niedrigwassers würden Transporte ausfallen, was Kraftstoffe knapper und damit teurer werden ließe. Cornelia Wolber von Shell Deutschland nennt die Logistikprobleme am Rhein ebenso als eine Ursache der hohen Kraftstoffpreise und erklärt weiterhin: "Mit Blick auf die Preisentwicklung ist weniger entscheidend, was das Barrel Rohöl kostet, schließlich tanken sie ja kein Rohöl, sondern verarbeitetes Mineralölprodukt. Entscheidend ist die Preisentwicklung für die Tonne Diesel und die Tonne Benzin auf den Spotmärkten in Rotterdam. Kostete die Tonne Diesel hier am 8. August noch 956 Dollar/Tonne, liegt der Preis jetzt bei 1.196. Dollar/Tonne."

Im Klartext: Entscheidend für den Benzin- und Dieselpreis sei gar nicht der Rohölpreis, sondern viele andere Faktoren, wie eben auch die Produktionskosten in den Raffinerien, der Transport oder der Handel an den Spotmärkten. Nur – was die Raffinerien betrifft – so gehören diese in der Regel den Mineralölkonzernen selbst, wie z.B. die Raffinerie in Leuna dem Unternehmen Total. Und bei den vielen schwierigen Marktbedingungen, die den Mineralölunternehmen angeblich so zu schaffen machen, fragt man sich besorgt: Können die Unternehmen überhaupt noch Gewinne einfahren? 

Wie hoch sind die Gewinnmargen der Ölkonzerne?

Der MDR wollte noch genauer wissen, ob und wie die Konzerne von den steigenden Preisen an den Zapfsäulen profitieren. Dazu wurden die Preise über einen längeren Zeitraum betrachtet. So stiegen schon nach der Invasion Russlands in der Ukraine die Kraftstoffpreise deutlich an. Diesel etwa verteuerte sich durchschnittlich von 1,67 Euro am 24. Februar auf zwischenzeitlich 2,33 Euro. Der Rohölpreis stieg nach Kriegsbeginn von etwa 95 Dollar pro Barrel auf rund 130 Dollar. Im August jedoch liegt er in etwa wieder auf dem Niveau vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine.

Doch wie haben sich in dem Zeitraum die Gewinne der Mineralölkonzerne entwickelt? Ein Indiz sind die Margen, die Raffinerien mit einer Tonne Öl verdienen können. Erhoben werden sie unter anderem vom "Energie Informationsdienst", kurz EID. Das ist nach eigenen Angaben ein unabhängiges Informationsangebot über den deutschen und europäischen Energiemarkt. Demnach sind die Gewinnmargen wie folgt gestiegen (in Euro/Tonne).

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Im Klartext: Lag die Gewinnmargen zu Kriegsbeginn im Februar noch bei 52 Euro je Tonne, so stieg sie bis auf 241 Euro je Tonne im Juni, dem Monat übrigens, in dem erstmals der Tankrabatt gewährt wurde.

Wie verlässlich sind die Werte?

Der EID berechnet die Brutto-Raffineriemarge jeden Monat. Die Werte sind laut EID nicht verbindlich und sollen eine allgemeine Margenentwicklung darlegen. Dazu wird eine deutsche Muster-Raffinerie ohne Spezialprodukte angenommen. Es handelt sich um Bruttomargen, von denen noch einmal Kosten im kleineren bis mittleren zweistelligen Bereich abzuziehen sind. Die Zahlen sagen aus, dass mit dem Verkauf von Benzin und Diesel ab März die Gewinne über den Durchschnitt gestiegen sind. Denn die Raffinerien haben in den vergangenen beiden Jahren vielfach nicht kostendeckend gearbeitet.

Betrachtet man durchschnittlichen Gewinne der Jahre 2020 und 2021 zusammen, so liegen diese bei rund 19 Euro pro Tonne verarbeitetem Öl. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres hingegen konnten die Raffinerien die Gewinne auf 158 Euro pro Tonne steigern, seit Kriegsausbruch liegen sie durchschnittlich bei rund 200 Euro pro Tonne. Das wäre, werden diese Zahlen zugrunde gelegt, eine Verzehnfachung des Gewinns. Die Mineralölkonzerne verdienen also aktuell wesentlich mehr als vor Kriegsbeginn.

Diskussion um Übergewinnsteuer

Sollte, wer so stark von einer Krise profitiert, höhere Steuern zahlen? Seit Wochen wird eine mögliche sogenannte Übergewinnsteuer diskutiert. Vor allem die FDP stellt sich innerhalb der Koalition derzeit quer. "Wir haben hier im Bundesministerium der Finanzen keine amtliche Erkenntnis, dass es zu besonders hohen Gewinnmargen bei den inländischen Mineralölgesellschaften käme", sagte der liberale Bundesfinanzminister Christian Lindner bereits im Juni. Schon damals ist aufgrund der stark gestiegenen Benzinpreise über die Übergewinnsteuer diskutiert worden.

Auch aus Sachsen-Anhalts FDP kommen kritische Stimmen. Eine allgemeine Steuer auf hohe Gewinne würde auch hochinnovative Unternehmen wie Biontech oder Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien treffen, sagt FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack dem MDR: "Zudem werden Gewinne von Unternehmen in Deutschland im internationalen Vergleich bereits sehr hoch besteuert. Vor dem Hintergrund einer drohenden Rezession müssen wir Wirtschaft und Bürger jetzt gezielt weiter entlasten."

Doch selbst innerhalb der SPD gibt es keine Einigkeit. So erteilte Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang August der Idee der Übergewinnsteuer eine Abfuhr – wohingegen die Parteivorsitzende Saskia Esken die Einführung der Steuer fordert. Auch in der SPD-Fraktion gibt es Befürworter. Zu ihnen zählt der Chemnitzer Abgeordnete und Fraktionsvize Detlef Müller. Für ihn ist die Steuer ein mögliches Instrument, um Unternehmen, die von der aktuellen Krise profitieren an, an der Bewältigung der Folgen zu beteiligen. Andere Staaten hätten es vorgemacht, sagt Müller dem MDR: "Wir kämpfen für eine Übergewinnsteuer in Deutschland", sagt der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann (Die Linke) dem MDR. "Wir waren die erste Fraktion im Deutschen Bundestag, die eine Übergewinnsteuer gefordert hat. SPD und Grüne sind nachgezogen. Ihnen fehlt aber offensichtlich der politische Wille, sich gegen die FDP durchzusetzen."

Die nächsten Wochen dürften interessant werden. Wie werden die Verbraucher die massiven Preissteigerungen für Kraftstoffe, aber auch für Strom, Gas und Heizöl reagieren, vor allem wenn die Politik jene ungeschoren davonkommen lassen sollte, die sich aktuell sprichwörtlich dumm und dämlich verdienen?

MDR Wirtschaftsredaktion

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Umschau | 30. August 2022 | 20:15 Uhr