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Umstrittene SteuersenkungWäre es ohne den Tankrabatt viel teurer?

17. Juni 2022, 09:57 Uhr

In Deutschland sorgt der Nutzen des sogenannten Tankrabattes für Diskussionen. Nachdem die Hoffnung auf finanzielle Entlastungen an der Zapfsäule groß war, macht sich nun Ernüchterung breit – denn die Preise bleiben höher, als die Entlastungs-Ankündigungen ursprünglich erwarten ließen. Politiker der Ampel-Koalition argumentieren, dass die Preise ohne Tankrabatt noch höher wären und verweisen auf Preise bei den europäischen Nachbarn. Doch macht der Tankrabatt tatsächlich noch einen Unterschied?

von Yannick Jürgens, MDR-Wirtschaftsredaktion

Preise ohne Tankrabatt "wesentlich höher"?

Anfang dieser Woche verteidigte der FDP-Fraktionschef Christian Dürr die umstrittene Steuersenkung bei den Spritpreisen als richtige Maßnahme. Ohne den Tankrabatt wären die Preise noch höher, sagte Dürr im ZDF-Morgenmagazin. Demnach wären 20 bis 30 Cent mehr möglich, wie man teils im europäischen Ausland sehe, so Dürr.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ über Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilen, dass davon auszugehen sei, dass die Preise an den Tankstellen deutlich höher wären, wenn es die Steuersenkung nicht geben würde. Ähnliches war zuvor auch von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zu vernehmen. Die Spritpreise wären ohne den Steuernachlass "wesentlich höher", so Lindner in ARD und ZDF.

Nachbarländer: Teilweise Steigerungen von mehr als 30 Cent

Im Vergleich mit einigen Nachbarländern Deutschlands lässt sich feststellen, dass dort in den vergangenen zwei Wochen die Preise für Benzin und Diesel teilweise im zweistelligen Cent-Bereich gestiegen sind.

In Dänemark etwa betrug am 13. Juni 2022 der Literpreis für Super 95 laut Zahlen der Europäischen Kommission rund 2,49 Euro. Drei Wochen zuvor, am 23. Mai 2022 lag dieser Preis bei 2,32 Euro – also ein Unterschied von 17 Cent. Ähnliches auch beim Diesel: Am 23. Mai kostete in Dänemark der Liter noch rund 1,95 Euro, am 13. Juni lag der Preis bei 2,28 Euro – 33 Cent mehr.

Solch eine Entwicklung lässt sich auch in Österreich beobachten. Dort betrug der Literpreis für Benzin am 23. Mai 1,81 Euro, für Diesel 1,70 Euro. Am 13. Juni kostete Benzin pro Liter 2,05 Euro – eine Steigerung von 24 Cent. Beim Diesel verteuerte sich der Preis in der Alpenrepublik um 32 Cent auf 2,02 Euro pro Liter.

Deutscher Dieselpreis steigt leicht, Benzinpreis sinkt

Am 13. Juni mussten Autofahrerinnen und Autofahrer in Deutschland durchschnittlich circa 2,01 Euro pro Liter Benzin zahlen, beim Diesel rund 2,04 Euro. Drei Wochen zuvor lag der Benzinpreis noch bei rund 2,15 Euro, für den Liter Diesel rund 2,01 Euro.

Doch nicht bei allen Nachbarn Deutschlands stiegen die Spritpreise in dem Zeitraum dermaßen. In Tschechien beispielsweise verteuerte sich der Literpreis nur moderat. So kostete Diesel am 23. Mai 1,88 Euro, am 13. Juni stieg er auf 1,89 Euro. Der Literpreis für Benzin stieg ebenfalls nur geringfügig um vier Cent auf 1,91 Euro.

Experte bestätigt ansteigende Preise in Europa

Nicht nur bei den direkten Nachbarn sind steigende Spritpreise festzustellen – vielmehr ist es ein gesamteuropäischer Trend: "Schaut man sich die Veränderungen im Vergleich zum April an, dann sind die Preise nahezu überall in Europa gestiegen", so Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft auf Anfrage des MDR. Angesichts der moderat gefallenen Preise in Deutschland kommt er zum Schluss: "Der Tankrabatt überdeckt somit zum Teil die Erhöhung, die angestanden hätte."

Mitteldeutschland und der Tankrabatt

ifo-Institut: Rabatt wurde an Kunden weitergegeben

Auch nach Ansicht des ifo Instituts in München hat der Tankrabatt im Vergleich zu den europäischen Nachbarn nach wie vor den Effekt der Preissenkung. Die Münchener Wirtschaftsforscher kommen außerdem zum Schluss, dass der Rabatt an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wurde "und auch nahezu vollumfänglich", wie Florian Neumeier vom ifo Institut im Interview mit dem BR deutlich machte.

Die Wissenschaftler betrachteten für ihre Berechnungen die Preise in Frankreich. Dort wurde Benzin in den vergangenen Wochen infolge steigender Ölpreise ebenfalls kontinuierlich teurer. In Deutschland hingegen sanken die Benzinpreise mit Einführung des Tankrabatts am 1. Juni zunächst kräftig, während bei unsern Nachbarn die Preise weiter stark anstiegen. Der errechnete Effekt habe demnach bei Benzin bei 30 Cent je Liter gelegen, bei Diesel bei circa 17 Cent, so Neumeier.

Das entspricht in etwa der Höhe der Vergünstigung, die mit Einführung des Tankrabatts ursprünglich auch einhergehen sollte: Bei Benzin sollte demnach der Literpreis um knapp 35,20 Cent einschließlich Mehrwertsteuer sinken. Bei Diesel sollte der Preis um 16,7 Cent runtergehen.

Nutzen Mineralölkonzerne ihre Position aus?

Subventioniert wird der sogenannte Tankrabatt der Ampelkoalition durch Steuern. Das heißt, der Anteil der Energiesteuer am Literpreis sollte gesenkt werden. Dadurch hält Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln eine vollständige Weitergabe des Tankrabatts an die Kundinnen und Kunden allerdings für unwahrscheinlich. "Dies ist der Tatsache geschuldet, dass auch die Anbieter einen Teil der (Energie-)Steuer getragen haben. Das heißt, bei der Einführung der Steuer wurde die Steuer nicht vollständig weitergegeben. Wenn die Steuer jetzt gesenkt wird, dann behalten die Anbieter eben ihren Eigenanteil. Dieser war vermutlich gering, aber dennoch nicht Null."

Zudem müssten die Anbieter nicht unbedingt in Deutschland verkaufen. "Sie können wohl auch ihre Marktposition nutzen, um einen Teil des Rabatts zu behalten." Bisher sei auch Russland ein bedeutender Lieferant insbesondere von Diesel gewesen – ein direkter Kauf von dort sei nun natürlich problematisch. "Daher besteht eine höhere Nachfrage nach Kraftstoffen aus anderen Quellen, wodurch entsprechend auch höhere Preise zu zahlen sind", so Rusche.

Bundeskartellamt leitet Untersuchung ein

Auch das Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Mineralölkonzerne einen Teil des Tankrabatts – etwa die Hälfte – behalten. Außerdem ist nach Ansicht einiger Experten auffällig, dass mit Beginn des Tankrabatts der Raffinerie-Abgabepreis nach oben gesprungen ist.

Das sieht mittlerweise auch das Bundeskartellamt so: "Im Vergleich zu den Vorjahren sehen wir seit Beginn des Kriegs in der Ukraine einen deutlich höheren Abstand zwischen den Raffinerie- bzw. Tankstellenpreisen im Verhältnis zum Rohölpreis. Rund um den 1. Juni ist dieser Abstand noch einmal angewachsen", heißt es von Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, in einer Mitteilung vom 10. Juni. "Wenn man die Steuersenkung rausrechnet, ist der Preis an der Tankstelle seit Ende Mai stärker gestiegen als der Rohölpreis. Das wirft natürlich Fragen auf."

Aufgrund des Auseinanderlaufens von Rohölpreisen, der Abgabepreise der Raffinierien und der Tankstellenpreise hat das Bundeskartellamt nach eigener Aussage eine Untersuchung der Raffinerie- und Großhandelsebene eingeleitet.

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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 16. Juni 2022 | 09:00 Uhr